John Edward Schulz wollte im Sommer 2015 in Griechenland eigentlich Urlaub machen. Doch was er dort sah, rüttelte ihn auf: Flüchtlinge aus Krisenländern in Afrika und dem Nahen Osten kampierten am Strand, am Straßenrand, vor den Cafés. Als er nach Deutschland zurückkehrte, engagierte er sich am Münchner Hauptbahnhof als Helfer. "Mir war klar, dass hier jeder gefordert ist", blickt er zurück. Doch ihm war auch bewusst, dass es mit der spontanen Hilfe bei Essen, Trinken und Schlafplatz nicht getan sein wird. "Für mich war klar, dass auch andere Angebote eine wichtige Rolle spielen, um das Ankommen zu erleichtern", erzählt er. "Was bietet sich da besser an als Fußball?"

John, im Hauptberuf Teilbereichsleiter des Herzogsägmühler Fachbereichs Menschen in besonderen Lebenslagen, klapperte Flüchtlingsunterkünfte in seiner Gegend ab und fragte, wer Fußball spielen möchte. Mit Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer Isabel Heller, Sepp Bücherl und Sebastian Franz kam alles schnell ins Laufen. Im September 2015 lief das erste Training auf dem städtischen Fußballplatz. Bis heute sind es zwei Trainings- oder Spieltermine, bei denen die Jungs zusammenkommen. Das Projekt "Herzogsägmühle International" hat sich etabliert. Die ehrenamtliche Flüchtlingsinitiative im oberbayerischen Peiting erhielt nun den ersten Preis des Diakonie-Wettbewerbs 2017.

"Die Welt wird kleiner"

"Unser Ziel war, dass die Menschen ihre Alltagssorgen einmal beiseitelegen können", erzählt Schulz. "Und das haben wir geschafft", ist er sich sicher. Precious Aganmwonyi aus Nigeria bestätigt das: "Fußball hilft mir, meinen Stress und meine Sorgen zu vergessen." Salahuddin Sajadi aus Afghanistan sieht es genauso: "Beim Fußball kann ich vergessen."  Über den Fußball sei es gelungen, die Welt kleiner zu machen, sagt Schulz. Spieler aus Afrika, Asien und Europa trainieren und spielen zusammen – mit einem Effekt, der unschätzbar ist: "Wenn der Ball rollt, spielen Vorurteile und Vorbehalte keine Rolle mehr." Aganmwonyi sieht es so: "Fußball bringt uns zusammen."

Vier Spieler konnten inzwischen in einen deutschen Fußballverein wechseln; Ziel ist nun, das Angebot zu stabilisieren. "Doch wir träumen auch", sagt Schulz. "Zwar nicht von der Bundesliga, aber von einer Mannschaft, die am lokalen Ligabetrieb teilnimmt." Das eigene Turnier, der Herzogsägmühler Mühlencup mit durchschnittlich 20 Teams, soll jährlich stattfinden. Und dann gibt es vielleicht bald eine oberbayerische Hobbyliga frei nach dem Motto "Der Ball ist bunt". Wahid Esnagh aus Afghanistan möchte dann unbedingt dabei sein: "Für unsere Mannschaft lasse ich alles stehen und liegen."

"Die Jungs bekommen nicht genug", sagt Sepp Bücherl, der die Mannschaft ehrenamtlich trainiert. Er absolvierte die Ausbildung zum C-Trainer in der Sportschule Unterhaching, trainiert im Herzogsägmühler Fußballverein und engagiert sich bei Herzogsägmühle International. Unterstützt wird er von Christian Jung, der in der Flüchtlingshilfe Herzogsägmühle arbeitet, selbst jahrelang im Verein gespielt hat und nun mit Leidenschaft an der Seitenlinie steht.

Reibereien und sprachliche Barrieren erledigten sich schnell

Die beiden Trainer stellten Taktikschulung und Techniktraining erst einmal hinten an und widmeten sich dem Teamcoaching. Gruppenbildung, Reibereien und sprachliche Barrieren erledigten sich schnell. Die Gruppe verinnerlichte aber das, worauf es im Fußball ankommt: Zusammenhalt, Akzeptanz, Lebensfreude. Beim Training und bei den Spielen wird deutsch gesprochen, sozusagen als spielerische Ergänzung des Sprachkurses.

1100 Stunden ehrenamtlicher Arbeit stecken in dem Projekt: Training, Turniere, aber auch ungezählte Stunden für Schuhkauf, Trösten, Streitschlichten, Mannschaftsbesprechungen und gemeinsame Koch- oder Fernsehabende.

Den zweiten Preis bekommt das Laurentius-Gymnasium der Diakonie Neuendettelsau für sein Kooperationsprojekt "Schüler helfen Schülern" zwischen Gymnasiasten und Grundschülern mit Migrationshintergrund. Im Sommer 2015 kamen drei Schüler, Rebecca Schmidt, Daniel Sewiolo und Tabea Sturm, auf die Schulleitung des Gymnasiums zu, weil sie sich in irgendeiner Form für Flüchtlingskinder engagieren wollten. Schulleiterin Ute Wania-Olbrich organisierte daraufhin ein Treffen mit der Schulleiterin der örtlichen Grund- und Mittelschule, Franziska Hruschka.

Dabei zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler der Grund- und Mittelschule Unterstützung beim Deutschlernen gebrauchen können.

Die drei Gymnasiasten nahmen nun die Sache in die Hand und warben in ihren Reihen Freiwillige für das Projekt. Die Schule organisierte einen Plan, nach dem die Freiwilligen in ihren Doppel-Freistunden Deutsch-Förderstunden an der zehn Minuten entfernten Grundschule geben. Als Starthilfe bekamen sie eine pädagogisch-didaktische Hilfestellung von Frau Grützner aus dem Lehrerkollegium. Es wurde ein Pool von Lernspielen angeschafft, dazu Materialien der Deutschlehrerin.

Das Projekt ist von Schülern für Schüler – und es überzeugt durch seine Einfachheit. Abgesehen von einer Wochenstunde Begleitung und Organisation durch eine Grundschullehrerin fallen keine laufenden Kosten an. Und die engagierten Gymnasiasten nutzen ihre Freistunden sinnvoll. "Ich finde es gut, so leicht anderen helfen zu können und gleichzeitig meinen eigenen Horizont zu erweitern", sagt eine beteiligte Oberstufenschülerin. Im vergangenen und im aktuellen Schuljahr waren es 15 bis 20 Gymnasiasten, die sich engagierten. Sie erreichen etwa 30 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Von denen wird es sehr geschätzt, dass sich Menschen persönlich für sie Zeit nehmen. "Nina ist voll gut, und ich hoffe, dass sie bei mir bleibt", sagt eine Grundschülerin über ihre begleitende Abiturientin.

Das Problem ist nicht gelöst, wenn eine Wohnung gefunden ist

Der dritte Preis geht an die Hilfe für Flüchtlinge des Diakonischen Werks Schweinfurt. Als im Jahr 2015 der Stadt und dem Landkreis Schweinfurt immer mehr Asylbewerber zugewiesen wurden, wurde schnell klar: Ohne ehrenamtliche Helfer geht es nicht. In 25 Gemeinden wurden Helferkreise initiiert und begleitet: Eine Begrüßungsgruppe, Sprachkurslehrkräfte, ein Fahrdienst, Alltagsbegleiter und "Kümmerer" wurden koordiniert. Es wurden 60 Behördenbegleiter ausgebildet, ein Fachtag organisiert und ein Leitfaden entwickelt für die insgesamt 300 ehrenamtlichen Helfer.

Die Wohnungssuche erwies sich dabei als besonders schwierig. Doch das Problem ist noch nicht gelöst, wenn eine Wohnung gefunden ist: Die ehrenamtlichen Mitarbeiter machten Hausordnungen verständlich, erklärten Mülltrennung, Heizen und Lüften, Nebenkosten- und Heizkostenabrechnungen, den Schulsprengel und den Weg zur Kita. So hat sich ein neuer Arbeitskreis gegründet, die WohnIntegrationsPatenschaften – mit dem Untertitel: ankommen, mitkommen, klarkommen!

Der Sonderpreis der Diakonie geht an das Lernpaten-Projekt für Kinder aus Asyl- und Flüchtlingsfamilien des Diakonischen Werks Freising in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk Freising. Es greift bei Problemen der Verständigung mit der Lehrkraft, bei Problemen mit Mitschülern, bei der Erledigung der Hausaufgaben, beim Lernen und beim Verhalten in der Klasse. Die Lernpaten spielen und lesen mit den Kindern, lernen mit ihnen und haben ein offenes Ohr für ihre Probleme. Und sie vermitteln bei Bedarf zwischen Schüler, Eltern und Schule.

Ein Projekt in Freising, aber modellhaft für jeden Ort, an dem eine Schule ist.