Pfarrer Moritz Drucker lebt und arbeitet seit vier Jahren in den Arabischen Emiraten. Mit Frau und drei Kindern lebt er in Dubai. Gepredigt wird in der Wüste oder in Privaträumen, denn die deutsche lutherische Auslandsgemeinde hat keine eigene Kirche.

 

Die evangelische Gemeinde in den Arabischen Emiraten gibt es seit 2008: Wie feiern Sie das zehnjährige Bestehen?

 

Drucker: Wir werden das Jubiläum überhaupt nicht feiern. Denn die evangelische Gemeinde in den Arabischen Emiraten verändert sich ständig und extrem schnell. Die meisten Mitglieder sind Expats und kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele Menschen haben einen Dreijahresvertrag, der manchmal um ein weiteres Jahr verlängert wird. Aber nach spätestens fünf Jahren kehren die meisten Familien wieder zurück in ihre Heimat.

 

In unserer Gemeinde befindet sich also kaum jemand, der vor zehn Jahren schon hier gelebt hat. Meine Erfahrung ist, dass die Menschen während der Zeit, in der sie in den Emiraten leben, unsere Angebote gerne in Anspruch nehmen. Aber wir müssen als Gemeinde auch immer neu auf die Menschen zugehen. Die typische Gemeindestruktur wie in Deutschland mit festem Mitarbeiterstamm – das existiert hier nicht. Wir feiern regelmäßig Gottesdienste, aber viele Veranstaltungen haben Eventcharakter. Wir sind eine Gemeinde, die immer in Bewegung ist.

 

Wie sieht das Gemeindeleben in den Emiraten konkret aus?

 

Drucker: Ich muss als Pfarrer immer neu auf Menschen zugehen und neue Gemeindemitglieder integrieren. Und ich muss Veranstaltungen anbieten, die attraktiv sind. Viele arbeiten hier wesentlich mehr als in Deutschland. Sie haben häufig nur einen Tag in der Woche frei. Freizeit ist somit ein kostbares Gut.

 

Die Konkurrenz ist hoch?

 

Drucker: Es gibt in den Emiraten unglaublich viele Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und tolle Sachen zu erleben. Als Kirche müssen wir also etwas anbieten, das auf diesem Freizeitmarkt bestehen kann und den Menschen die Entscheidung erleichtert, zu uns zu kommen. Unsere Gemeindemitglieder müssen sagen: Mensch, ich verpasse etwas, wenn ich da nicht hingehe.

 

Dubai: Gottesdienst feiern in der Wüste

 

Sie feiern Gottesdienst in der Wüste?

 

Drucker: Wir haben zum Osterfeuer in die Wüste eingeladen. Es kamen 65 Fahrzeuge, insgesamt waren wir rund 240 Personen. Vor dem Sonnenuntergang gab es ein großes Picknick. Zum Einbruch der Dunkelheit habe ich das Osterevangelium vorgelesen und Gedanken zu Karfreitag gesprochen – und dann haben wir das Feuer entzündet. Das sind die Momente, die man nicht vermissen möchte.

 

 

Pfarrer Moritz Drucker feiert Gottesdienst in Dubai

Obdachlosigkeit in Dubai und den Emiraten

 

Kümmert sich die Gemeinde um Menschen in Not?

 

Drucker: Tatsächlich hat es mich selbst überrascht, welch großen Raum die Seelsorge hier einnimmt. In Städten wie Dubai, die so stark mit Glitzer, Glamour und Geld verbunden sind, gibt es einige deutschsprachige Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Manche leben wirklich von den Zuckertütchen, die es bei Starbucks gibt.

 

Ich habe mit älteren Damen und Herren gesprochen, deren Visum schon vor Jahren abgelaufen ist, und die dieses Land nie mehr verlassen können, weil sie Schulden gemacht haben – was in den Emiraten als kriminelle Handlung gilt. Und ich besuche Touristen, die im Gefängnis gelandet sind, weil sie versehentlich verbotenerweise Fotos von einem Militärflughafen gemacht haben, aber eigentlich nur eine Palme fotografieren wollten, oder mit Alkohol am Steuer saßen.

 

Sie leben mit Frau und Kindern in Dubai. Wie fühlt sich das an, hier nicht nur als Tourist zu leben?

 

Drucker: Ich war als Student für neun Monate in Kalifornien und habe es unheimlich genossen, im Ausland zu leben. Damals wusste ich, dass ich noch mal länger im Ausland leben möchte. Als Pfarrer ist das relativ leicht. An Dubai hat mich angesprochen, dass es ein exotisches Land ist, mit Oasen und Palmen sieht es hier aus, wie in einer Geschichte von 1001 Nacht. Wir leben in einer ganz anderen Kultur, die primär muslimisch geprägt ist.

 

Werden die christlichen Kirchen in den Arabischen Emiraten geduldet?

 

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind sehr liberal, jedem Gastarbeiter wird die freie Religionsausübung gewährt. Für einen Moslem ist es völlig undenkbar, dass ein Mensch Atheist ist und keinen Glauben hat. Wenn Touristen sich bei Muslimen beliebt machen möchten und erzählen, sie hätten mit Kirche und Glauben nichts am Hut, dann stoßen sie damit auf völliges Unverständnis. Muslime erwarten von einem Deutschen, dass er Christ ist und regelmäßig betet und in den Gottesdienst geht.

 

Gibt es christliche Kirchen in den Emiraten?

 

Drucker: Es gibt viele Kirchen, und dort können wir unsere Religion auch ausüben. Es ist natürlich absolut verboten, an einem Strand oder in einer Mall einen Gottesdienst zu feiern. Aber in den uns zugewiesenen Räumen können wir unsere Religion frei ausüben.

 

Hat sich Ihr persönlicher Blick auf das Thema Mission geändert?

 

Wer ständig mit anderen Religionen konfrontiert wird, verändert natürlich seinen Blickwinkel. Hier leben neben Moslems auch viele Hindus und einige Buddhisten. Da mache ich mir als Pfarrer natürlich viele Gedanken über die eigenen Wurzeln. Ich trage immer ein Hemd mit Kollar, und darauf werde ich angesprochen.

 

Seitdem ich in den Emiraten lebe, merke ich, wie viele Dinge mir im Christentum einfach vertrauter sind. Anderes hat sich gefestigt. Dazu gehört unser evangelischer Freiheitsbegriff, das Thema Toleranz und die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Umgang mit Homosexualität. Auch dass unsere lutherische Kirche demokratisch ist. Insgesamt ist es schon so, dass die meisten Menschen im Ausland ein bisschen religiöser werden – und auch ein bisschen Deutscher.

Pfarrer Moritz Drucker feiert Gottesdienst in Dubai

Evangelische Kirche in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)

Die Evangelische Kirche in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist geprägt von einer hohen Fluktuation. Ziel der Gemeinde ist es, allen deutschsprachigen Christen während ihres Aufenthalts in dieser Region eine Heimat zu bieten – sei es bei Gottesdiensten, Erwachsenen- oder Kindergruppen, Angeboten wie Singkreis oder bei regelmäßigen Ausflügen für die ganze Familie.

Seit der Gründung im Jahr 2008 bietet die Gemeinde eine Heimat für die deutschsprachigen Christen. Bislang vor allem in Abu Dhabi und Dubai, seit 2016 aber auch in den nördlichen Emiraten.

Finanzierung der Gemeinde in den Emiraten

Als Auslandsgemeinde bekommt die VAE kein Steuereinkommen wie die evangelische Kirche in Deutschland, sondern ist abhängig von Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Außeneinnahmen. Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) unterstützt die Gemeinde derzeit durch die Entsendung eines Pfarrers. Alle weiteren Kosten wie die Mieten für das Pfarrhaus, für Räumlichkeiten von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen, Fahrtkosten, Materialien müssen von der Gemeinde bezahlt werden. Hier kommt ein hoher Betrag zusammen, der nur geleistet werden kann, wenn genügend Mitglieder und Freunde Bereitschaft zu Beiträgen und Spenden mitbringen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Gemeinde, für den ebenfalls finanzielle Mittel nötig sind, ist die karitative und seelsorgerische Arbeit: Dafür wurde der Elias Fonds gegründet. Er ermöglicht die Unterstützung von schwierigen Fällen.