Dubai und die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich einen Namen gemacht für Superlative. In den Städten glitzern die Hochhäuser, Malls locken mit Attraktionen wie Schlittschuhlaufen oder Skifahren - das zieht Touristen aus aller Welt an. Doch gibt es in den Wüstenstaaten auch Armut und Elend.
Moritz Drucker ist evangelischer Pfarrer. Er trifft und spricht regelmäßig mit Menschen, die sonst selten im Visier der Berichterstattung stehen: Deutschsprachige Expats, die mit Problemen zu kämpfen haben.
Herr M. kam vor einigen Jahren in die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Deutsche baute in Ras al Khaiman eine Firma auf. Viele Jahre ging das sehr gut, die Firma florierte. Aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage gingen die Umsätze dann allerdings kontinuierlich zurück. Herr M. nahm Kredite auf und überzog seine Kreditkarte, was zunächst kein Problem bedeutete, weil er ein gutes Einkommen nachweisen konnte.
Obdachlos in Dubai
Doch dann war Herr M. plötzlich nicht mehr in der Lage, die Miete für sein Haus und die Rate für seinen Kredit zurückzuzahlen. In den Emiraten gelten Schulden als kriminelle Handlung, und es droht eine Haftstrafe, wenn ein Kredit nicht zurückgezahlt werden kann. Die Bank meldete der Polizei, dass Herr M. seinen Kredit nicht zurückzahlen konnte. Daraufhin wurde eine Ausreisesperre verhängt, und Herr M. darf das Land nicht mehr verlassen.
Noch hat Herr M. ein paar Freunde, die ihm ein bisschen Geld geben. Davon kann er sich ein winziges Zimmer mit Klimaanlage leisten und Essen kaufen. Doch stellt sich natürlich die Frage, wie lange er noch Freunde findet, die ihn finanziell unterstützen. Ihm fehlen einige zehntausend Euro, um die Schulden zu begleichen. Wie es für Herrn M. weitergeht, ist ungewiss. In Deutschland leben die Ex-Frau und zwei Kinder. Doch ob diese für die Schulden aufkommen werden, ist offen.
"Irgendwann wird die Aufenthaltsgenehmigung auslaufen, dann wird sich Herr M. nicht mehr ausweisen können und immer tiefer sinken", schildert Pfarrer Drucker die Gefahr. Dann könne es durchaus sein, dass Herr M. zu einem Obdachlosen werde und auf der Straße leben müsse – bei Temperaturen weit über 40 Grad.
Vereinsamung der Menschen in den Emiraten
"Ich habe Menschen gesehen, die sich von den Zuckertütchen ernähren, die sie kostenlos bei Starbucks abstauben", erzählt Pfarrer Drucker. Immer wieder besucht er ältere Menschen, die das Land nicht mehr verlassen dürfen, weil sie Schulden haben und sich nicht mehr ausweisen können.
Scham, schwierige Familienverhältnisse oder Konflikte führen oft dazu, dass die Menschen in Dubai vereinsamen. Die Community der Expats ist zudem nicht sehr beständig – die meisten kommen für drei bis maximal fünf Jahre in die Emirate zum Arbeiten und kehren dann in ihre Heimat zurück. Tiefergehende Freundschaften zu schließen, bleibt schwierig. Gerade für Deutschland sind die Emirate ein sehr wichtiger Wirtschaftspartner: In kein Land in der Region exportiert Deutschland mehr Güter und Dienstleistungen. Rund 800 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in den Emiraten.
Die meisten Touristen, die in das Land kommen, nehmen die Emirate als schillernde Welt voller Versprechungen und Angebote wahr. Die Emirate setzen auf den Massentourismus. Im Jahr 2017 erreichte Dubai laut dortiger Handelskammer die Position 26 von insgesamt 185 Ländern, bei denen Tourismus einen wesentlichen Teil des Bruttoinlandroduktes erzeugt.
Tatsächlich gibt es kaum einen Ort, an dem so viele Superlative zu finden sind: Das höchste Haus der Welt, die weltgrößte Mall mit Skipiste, Eisbahn und Aquarium. Fünfsterne-Hotels mit Poollandschaften und exquisitem Essen zum Preis einer Pauschalreise. Exotische Ausflüge in Oasen und in die Wüste. Herausragende Museen wie das Louvre Abu Dhabi.
Die Evangelische Kirche in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist für Angestellte ebenso wie Touristen ein wichtiger Anlaufpunkt. Oft wird Pfarrer Drucker gerufen, wenn ein deutschsprachiger Tourist in Untersuchungshaft landet. Das ist für viele ein Schock – denn dann sitzen sie zusammen mit rund zwanzig Personen in einem großen Raum mit Gittern. Die Gefängnisse sind im Verhältnis dazu relativ gut ausgestattet. Oft bemüht sich der Pfarrer dann um einen Kontakt in die Heimat, spricht mit den Behörden, dem Richter oder Anwälten.
Viele Touristen unterschätzen die restriktive Rechtsprechung in den Emiraten. "Man kommt hier schnell mit dem Gesetz in Konflikt bei Angelegenheiten, die in Deutschland legal sind", erklärt Pfarrer Drucker. Wer ein Regierungsgebäude oder eine Militäranlage fotografiert, den erwarten hohe Haftstrafen. Auch gelten manche Medikamente, die in Deutschland vom Arzt verschrieben werden, in den Emiraten als Droge. Unverheiratete Frauen, die schwanger sind, haben ebenfalls ein Problem. Pfarrer Drucker kennt eine junge Frau, die ihr Kind in den Emiraten auf die Welt gebracht hat, jedoch keinen Geburtsschein ausgestellt bekam, weil sie nicht verheiratet ist. Diese Frau kann zwar selbst ausreisen, doch gilt ihr Kind als staatenlos – und müsste in den Emiraten bleiben.
Klimawandel und Umweltschutz in den Emiraten
Die Emirate scheinen in den letzten Jahren mit aller Gewalt den Massentourismus herholen zu wollen – als eine der Strategien, das Land für die Zukunft zu rüsten, wenn die Geldquelle Öl versiegt. Aber die touristischen Angebote der Superlative haben für das Land ihren Preis. Die Mangrovenwälder an der Küste sind inzwischen zu einem kleinen Naturschutzgebiet zusammengeschrumpft. Die Schildkröten, die nur rund alle dreißig Jahre an den Strand in Abu Dhabi schwimmen, um dort ihre Eier zu legen, können nicht mehr an ihren angestammten Platz zurückkehren, weil dort inzwischen Hochhäuser stehen.
Die Delphine und Fische, die derzeit an der nördlichen Küste beobachtet werden können, befinden sich auf dem Rückzug, weil immer häufiger immer größere Touristenboote durch das Meer pflügen. Die Strände versalzen, weil die Entsalzungsanlagen immer schneller immer größere Mengen Trinkwasser produzieren müssen.
"Die Emirate begehen den gleichen Fehler, den wir in Tunesien vor vierzig Jahren begangen haben: Sie versuchen, einen Massentourismus zu etablieren, um maximalen Umsatz zu erzielen. Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen", sagt ein tunesischer Geschäftsmann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will. Seines Erachtens sollte das Land eher auf hohe Qualität und Luxusangebote setzen. "Statt dessen zerstören die Emirate die wenigen Schätze der Natur, die sie haben, und geben das gesamte Geld aus dem Öl dafür aus, Häuser zu bauen, in denen niemand wohnen wird".
Ressourcenverbrauch in den Emiraten ist hoch
Der Ressourcenverbrauch in den Emiraten ist gewaltig, wie aus der Datenbank Global Footprint Network deutlich wird - der ökologische Fußabdruck ist mehr als dreimal so hoch wie die Kapazität des Landes. Für die Klimaanlagen und die Entsalzungsanlagen importieren die Emirate täglich rund 56 Millionen Kubikmeter Erdgas aus dem Katar. Um die steigenden Ausgaben aufzufangen, beschlossen die "Opec+"-Staaten erst im Juni 2018 eine höhere Ölproduktion - sie wollen insgesamt eine Million Barrel pro Tag mehr fördern als bisher.
Immerhin gibt es inzwischen auch einige Initiativen, mit denen die Umwelt geschützt und alternative Energien gefördert werden sollen. So soll in Dubai eine thermische Verwertungsanlage errichtet werden, die jährlich 1,8 Millionen Tonnen Abfall verarbeiten und Energie für 120.000 Haushalte erzeugen soll. Auch ist derzeit eine Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) im Aufbau, die finanziell unterstützt wird von der Bundesregierung und Abu Dhabi.
Die Emirate setzen auch auf Immobilien. Überall in der Wüste entstehen ganze Ortschaften mit Neubauten – die bei näherem Hinschauen allerdings überwiegend leer stehen. Jeder Emirati bekommt vom "Ruler" ein Grundstück geschenkt sowie einen finanziellen Zuschuss, wenn er ein Haus errichtet, erzählt ein Taxifahrer. Die Familien nutzen das Angebot – unabhängig davon, ob die Häuser auch bewohnt werden. In jedem Dorf steht eine prächtig geschmückte Moschee. Doch an Infrastruktur fehlt es, und so wohnen die Familien lieber in den größeren Städten wie Sharjah, Abu Dhabi oder Dubai. In den riesigen Wohnsilos, die ebenfalls inmitten der Wüste stehen, leben die Arbeiter: Hochhäuser mit vergitterten Fenstern, aus denen die Wäsche hängt und ein heißer Wind den Sand durch die Häuserschluchten weht.
Hitze und Wind machen den Menschen in Dubai zu schaffen
Insbesondere die Hitze macht den Menschen zu schaffen. Im Sommer steigen die Temperaturen tagsüber auf mehr als vierzig Grad, selbst in der Nacht sinken sie dann selten unter dreißig Grad. Wer sich draußen aufhalten muss, wird von der Sonne geröstet. Die mageren Lohnarbeiter, die früh morgens und spät abends in Bussen aus den abgelegenen Hochhäusern in die Städte gekarrt werden, versuchen sich so gut wie möglich gegen die Hitze zu schützen. Sie umwickeln ihre Köpfe mit Tüchern, an den Händen tragen sie Handschuhe, nur die dunklen Augen blitzen aus den menschlichen Stoffpaketen heraus.
Während die Hotelgäste im Swimmingpool schwimmen oder an der Bar ein eisgekühltes Getränk genießen, baumeln die Lohnarbeiter stundenlang an windigen Schnüren von den Hochhäusern, um Fenster zu putzen, oder sie tragen schwere Steine und montieren Fenster an den Neubauten, die allerorts entstehen.
Für Pfarrer Moritz Drucker ist das Leben im Ausland dennoch ein Geschenk: "Wir lernen einige Dinge in der Heimat wieder mehr zu schätzen. Ich merke, dass ich bayerischer geworden bin. Ich vermisse das Grün, die Berge, den Regen – und die Weißwurst", sagt der Pfarrer. Er möchte die Erfahrungen, die er in den Emiraten gemacht hat, nicht vermissen. Und die Gottesdienste in der Wüste.
Expat genießen den Luxus und die Wüste
Ein hoher Lohn, ein Leben im Luxus, mit Haus, Pool und Bediensteten, sowie ein reiches Freizeitangebot – diese Faktoren machen den Reiz aus für viele Menschen, die für mehrere Jahre in die Emirate kommen, um hier zu arbeiten. Wer eine Nacht in der Wüste unter freiem Himmel verbringt und über die weiche Nase eines Kamels streichelt, weiß um die Faszination, die das Land auf Touristen wie Gastarbeiter hat, die hier aus allen Teilen der Welt zusammenströmen.
Wer genug Geld verdient, genießt hier ein wunderbares Leben. Für die meisten Expats, wie die Gastarbeiter hier genannt werden, verläuft das Leben wohlgeordnet und in einem relativ geschlossenen Raum. "Wir leben in einer eigenen Welt", gibt Pfarrer Drucker zu.
Freundschaften zu den einfachen Arbeitern aus Indien, Pakistan oder Asien, die in den Emiraten arbeiten, sind eher unwahrscheinlich. Selten gelingt auch der Kontakt zu Emiratis. Diese bilden ohnehin nur acht Prozent der Bevölkerung und leben in der Regel sehr abgeschieden vom Rest der Gesellschaft.
Unter den ausländischen Gästen hingegen bilden sich häufiger Freundschaften – zwischen Spaniern, Deutschen, Neuseeländern oder Amerikanern. Über die internationalen Schulen lernen die Kinder ein ganz anderes Umfeld kennen. In einer Schulklasse treffen sich 15 bis 20 verschiedene Nationalitäten. Und doch ist die Sehnsucht nach der eigenen Heimat besonders groß: In den Emiraten gibt es zum Beispiel mehrere Clubs für Deutsche – einen Verein für BVB-Fans ebenso wie Kaffeekränzchen.