Am gestrigen Sonntag gab es im ZDF die erste Live-Übertragung eines queeren Gottesdienstes in Deutschland. Ausgerichtet wurde er von der katholischen queeren Gemeinde in Münster, um 9:30 Uhr in der St.-Anna-Kirche. 

Kirche und LGBTQ sind längst kein Widerspruch mehr. Zumindest in der evangelischen Kirche gibt es bereits seit längerem queere Segnungen und Gottesdienste. In diesem Frühjahr stimmte die Landessynode der ELKB außerdem für die "Ehe für alle" – ein historischer Wendepunkt

Trotz mancher immer noch vorhandener Vorbehalte innerhalb der EKD wirkt sie im Vergleich zur katholischen Kirche deutlich progressiver. Im Katholizismus gelten weiterhin das Zölibat für Pfarrer, das Verbot der Priesterweihe für Frauen und keine offizielle Anerkennung queerer Paare. Umso bemerkenswerter ist es, dass an diesem Sonntag ein queerer Gottesdienst in der katholischen Kirche in Münster stattfand und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen wurde. 

Queerer Fernsehgottesdienst: Überwiegend positive Stimmen

Die Reaktionen folgten schnell, gerade in den sozialen Medien. Unter dem Beitrag der Queer-Gemeinde Münster waren die Stimmen überwiegend positiv. Viele Regenbogen-Emojis, bunte Herzen und Kommentare wie 

"so stolz auf diese Entwicklung! 🌈❤️ jeder Mensch ist gleich viel wert und willkommen 🙏" (@morganabutigutihia) 

oder 

"Wow das ist so schön und so ein wichtiges und tolles Zeichen, dass das ZDF als öffentlich-rechtlicher Sender das überträgt 🌈👏 Danke für euer Engagement und für’s Teilen eurer Liebe 🏳️‍🌈 #loveislove" (@mcf2797) 

stehen stellvertretend dafür. 

Auch kritische Kommentare

Gleichzeitig meldeten sich auch Kritiker. Kommentare wie 

"Und ihr wundert euch wirklich, warum immer mehr Christen aus diesem Theater austreten?" (@sterntor1) 

oder Bibelzitate wie 

"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun." (@reglersmichl) 

zeigen die ablehnende Haltung mancher Nutzer. Insgesamt jedoch wurde der Post wie auch der Gottesdienst viel geliked, geteilt und angesehen. 

Freude über Fortschritt vs. Blasphemie-Vorwürfe

Auch Nachrichtenseiten wie "watson" berichteten über das Ereignis. Die Kommentare dort zeigen zwei klare Lager: Freude über Fortschritt, Sichtbarkeit und Unterstützung, gegenüber Homophobie, Blasphemie-Vorwürfen und der Ansicht, Queerness stehe zu sehr im Mittelpunkt und passe nicht in den kirchlichen Raum. Beispiele dafür sind 

"Richtig und wichtig 🌈" (@itsluna28k) 

gegen 

"Lebt wie ihr möchtet, aber hört auf das Christentum mit reinzuziehen." (@marko_granzow). 

Viele äußern zudem generelle Kritik an Kirche im Fernsehen und verweisen auf das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat. 

Die evangelische Pfarrerin Lena Müller (@metablabla) kommentierte, sie freue sich als evangelische Pfarrerin über die erste Ausstrahlung im TV und feiere selbst auch queere Gottesdienste. 

"Sodom und Gomorrha"

Auch der Kanal der "Tagespost", der sich als katholischer Journalismus versteht, berichtete vorab über den Gottesdienst. Im Artikel heißt es: 
"Kritiker sehen in der progressiven Haltung vieler Gläubiger nicht nur einen Affront gegenüber anderen Bischofskonferenzen, sondern auch eine Abspaltung von der Lehre der Kirche in Bezug auf Ehe und Sexualität". 

Die Kommentare sind hier deutlicher ablehnend. 

"Warum tut Papst Leo nichts?" fragt Nutzer @nettchens_daily_brief. Ein anderer spricht von "Sodom und Gomorra" (bobby_team_fightnight). Während diese User viele Likes erhalten, melden sich auch Gegenstimmen, die auf Doppelmoral hinweisen, wenn in den Kommentaren so viel Hass statt Nächstenliebe verbreitet wird.

 Aktive Auseinandersetzung gefordert

Eines hat der Gottesdienst auf jeden Fall erreicht. Er polarisiert, macht aufmerksam und fordert dazu auf, sich mit dem Thema "LGBTQ und katholische Kirche" aktiv auseinanderzusetzen.

Die Frage, ob ein speziell queerer Gottesdienst nötig ist, darf natürlich gestellt werden. Das darf jedoch keinesfalls in Diskriminierung, Homophobie, Transfeindlichkeit oder ähnlichen Anfeindungen enden.