"Maria hat geholfen", so klingt der häufigste Dank auf den rund 2000 Votivtafeln im überdachten Umgang der Altöttinger Gnadenkapelle. Manchmal sind es auch selbstgemalte Bilder, die in kleinen Holzrahmen dicht an dicht an der Außenwand der achteckigen Kapelle hängen. Maria, die sonst immer im Schatten ihres Sohns steht, ist im katholisch geprägten Altötting allgegenwärtig.

Den Dank hat Maria sich redlich verdient, denn 1489 hat sie der Legende nach in Altötting das erste Wunder bewirkt. Den Dankestafeln nach zu urteilen, tut sie das bis heute. Damals hat sie einem kleinen Jungen das Leben gerettet. Der Dreijährige war in einen Bach gefallen und erst nach einer halben Stunde im Wasser gefunden worden. Die verzweifelte Mutter legte ihr lebloses Kind auf den Kapellen-Altar vor die Marienstatue und betete. Kurz darauf war der Junge wieder lebendig.

Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Bayern und Altötting wurde zum meistbesuchten Wallfahrtsort in Deutschland. Vor allem im Marienmonat Mai kommen die Wallfahrer in Scharen auf den Kapellplatz, beten in der Gnadenkapelle und in der Stiftskirche und besuchen die vielen Devotionalien-Läden mit Taufkerzen, Rosenkränzen, Gebetsbüchern und Engelsfiguren, die es überall im Ortskern gibt.

Altötting verbreitet "spirituelles Klima"

Dass in Altötting ein besonderes spirituelles Klima herrscht, findet auch Pfarrer Hans Ulrich Thoma, der die evangelische Gemeinde leitet. Viele Menschen seien sehr interessiert an den Fragen des Glaubens. Es gebe hier eine Mischung zwischen Volksfrömmigkeit und Kirchlichkeit.

Wie Exoten fühlen sich die Protestanten in der katholischen Herzkammer Bayerns aber nicht. "Im Gegenteil", sagt Thoma. Die Neugierde, wie Fragen des Glaubens gemeinsam beantwortet werden könnten, sei gerade hier sehr hoch.

Begonnen hat es mit den Evangelischen nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn die Amerikaner hatten sich quasi als praktische Demokratieübung überlegt, möglichst viele Protestanten, die aus dem Osten kamen, in katholischen Gebieten anzusiedeln und umgekehrt, berichtet der Pfarrer. "Dann musste man eben lernen, wie man miteinander klarkommt, auch wenn man unterschiedliche Einstellungen hatte."

Evangelischer Pfarrer: Ökumene ist selbstverständlich

Thoma ist nicht nur Pfarrer in Altötting, sondern zugleich auch Ökumene-Beauftragter im Kirchenkreis München und Oberbayern. "Die Ökumene läuft schon lange hier, auch mein Vorgänger war da sehr aktiv", erzählt er. Ökumene in Altötting, das bedeutet viele und regelmäßige gemeinsame Veranstaltungen. "Das läuft schon Jahre und Jahrzehnte", sagt Thoma. Neben den klassischen evangelisch-katholischen Veranstaltungen wie Bibelgesprächskreise und Bibelabende gibt es auch interreligiöse Gebete mit Muslimen.

Doch neben den konkreten Veranstaltungen kommen viele Katholiken auch einfach so in die evangelische Kirche und in die Gottesdienste. "Ich würde vermuten, es sind etwa 10 Prozent. Das liegt an den konfessionsübergreifenden Ehen, aber auch daran, dass man hier eine spirituell interessante Atmosphäre vorfindet", erzählt der 64-jährige Pfarrer. "Vor allem aber singen viele Katholiken in unserem Chor – sogar der Chorleiter ist katholisch."

Maiandachten gibt es im Marienmonat in der evangelischen Kirche nicht. Trotzdem ist die Gottesmutter immer wieder Thema – zum Beispiel, wenn ein muslimischer Theologe zu Gast ist, um über "Maria und die Wertschätzung Marias im Koran" zu sprechen. Das Thema zieht in Altötting immer und füllt auch die evangelische Kirche bis zur letzten Bank.

Evangelisch in Altötting

Rund zehn Prozent der Bevölkerung im Raum Altötting sind evangelisch. Die Gemeinde zählt 5600 Mitglieder. Drei Pfarrer betreuen die drei Sprengel Altötting, Neuötting und Garching a. d. Alz. Zur Gemeinde gehören auch zwei große Kindertagesstätten mit rund 200 Kindern.

Der Ökumene-Beauftragte des Kirchenkreises München-Oberbayern sitzt ebenfalls in Altötting. Pfarrer Hans-Ulrich Thoma kümmert sich in dieser Funktion um Fragen rund um die Ökumene.