Das Phänomen "Macht" wird laut dem bayerischen Landesbischof Christian Kopp in der Kirche oft unterschätzt und verdrängt. Macht sei zwar nicht per se negativ, sagte der evangelische Theologe am Montag laut Redemanuskript bei einer Fachtagung in der Evangelischen Akademie Tutzing.

Sie bewirke, gut angewandt, jeden Tag enorm viel Gutes. Aber:

"Wer blind ist gegenüber unangemessener Machtausübung, schafft Voraussetzungen für Missbrauch."

Daher brauche Macht klare Grenzen und müsse kontrolliert werden. In den "allermeisten Fällen" missbrauchten Männer Macht. Auch da müsse die Kirche genau hinsehen.

Kopp: Kirche muss sich Themen Macht und Machtmissbrauch stellen

Es sei die zentrale kirchliche Aufgabe, sich den Themen Macht und Machtmissbrauch zu stellen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und wirksame Strukturen gegen Machtmissbrauch weiterzuentwickeln, sagte Kopp mit Blick auf die Anfang 2024 veröffentliche ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie.

Ein unabhängiges Forscherteam ging in der Studie für die Zeit ab 1946 von mindestens 1.259 Beschuldigten, darunter 511 Pfarrpersonen, und mindestens 2.225 Betroffenen in der evangelischen Kirche und der Diakonie aus. Als begünstigenden Faktor für sexualisierte Gewalt nannten die Forschenden unter anderem die kirchlichen Machtstrukturen.

Wo Macht missbraucht werde, stehe die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Spiel, sagte Kopp weiter. Denn die Botschaft von der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und dem Respekt vor jedem Leben werde fundamental beschädigt. Macht dürfe auch nicht verschleiert oder religiös umgedeutet werden. Der Grat zwischen verantwortlicher und missbräuchlicher Machtausübung sei schmal, gab Kopp zu bedenken.

"Es geht um ein Bewusstseinstraining, wo andere Machtausübung wahrnehmen. Und um ein geordnetes Regelsystem, das laufend auch überprüft wird."

Die Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing stand unter dem Thema "Die verdammte Macht". Als Rednerinnen und Redner traten neben Kopp unter anderem auf: die Leiterin der Fachstelle für Umgang mit sexualisierter Gewalt in der bayerischen Landeskirche, Martina Frohmader, die Missbrauchsbetroffene Karin Krapp, die auch Mitglied des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt (BeFo) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, und der Jurist Martin Pusch von der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl, die das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München erstellt hatte.

(om/epd)

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