Schon von fern wehte den Besuchern, die durch die Dunkelheit zum Eröffnungsgottesdienst eilten, festliche Klänge entgegen: Pfarrer Michael Krauss und seine Inzeller Alphornbläser gaben vor dem Königlichen Kursaal einen Eindruck ihrer Kunst. In der Kirche eroberte der Kinderchor die Herzen der Synodalen mit seinen zarten, klaren Stimmen: »Durch deine Fingerfarben blüht die Welt, sie lacht und leuchtet, perlt und prickelt«, sangen die elf Grundschüler - es war eine Uraufführung aus der Feder von Kirchenmusikdirektor Matthias Roth.

Bei der Predigt lenkte der evangelische Superintendent von Salzburg und Tirol, Olivier Dantine, den Blick auf die Grenzen, die zwischen den Protestanten im »Euregio«-Gebiet von Bayern und Österreich schon lange keine Rolle mehr spielen - und die bei der großen Flüchtlingsbewegung im Herbst 2015 plötzlich wieder eine Bedeutung bekamen. »Wer sich an offene Grenzen gewöhnt hat, ist kein Freund von Grenzen«, stellte Dantine fest. Der grenzüberschreitende Einsatz von Behörden, Einsatzkräften, Kirchengemeinden und ehrenamtlichen Helfern für Flüchtlinge mache sichtbar, was viele mit dem christlichen Erbe Europas verbänden: nämlich »Solidarität, die nicht an den eigenen Grenzen haltmacht«, sagte der Superintendent.

Mehr miteinander reden

Beim traditionellen Stehempfang von Dekanat und Stadt betonte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm die Bedeutung von Gesprächen. »Die Gesellschaft polarisiert sich, wenn Menschen nicht mehr miteinander reden«, sagte er im Königlichen Kursaal. Derzeit sei »das ganze Land nervös«, viele Menschen seien innerlich aufgewühlt und blickten ratlos in die Zukunft. »Das ändert sich dann, wenn wir auf Basis einer klaren Grundorientierung mit weitem Herzen aufeinander zugehen und miteinander reden«, sagte Bedford-Strohm.

Als Regionalbischöfin des Kirchenkreises München-Oberbayern gab Susanne Breit-Keßler am Dienstag ihren Bericht. Sie machte sich für das politische Engagement von Kirche stark - in den Tagen vor Synodenbeginn hatte es über diese Frage einen Schlagabtausch zwischen dem bayerischen Finanzmininister und Landessynodalen Markus Söder und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer gegeben. Breit-Keßler sagte, das Evangelium habe die Kraft, die Gesellschaft menschenwürdig zu gestalten. Es sei deshalb Aufgabe der Kirche, »die Herausforderungen unserer Zeit in das Licht des Evangeliums zu stellen«, betonte die Theologin.

Die evangelische Kirche müsse im Jahr des 500. Reformationsjubiläums neu definieren, wie die Botschaft vom gnädigen Gott zur Lebensrealität in einer oft gnadenlosen Gesellschaft passe. Breit-Keßler kritisierte den steigenden Leistungs- und Perfektionsdruck, der zu Selektion im Mutterleib, zu Selbstausbeutung am Arbeitsplatz und zu Sterbehilfediskussionen bei Demenzkranken führe. »Was bedeutet Gnade für uns heute?«, stellte sie als Leitfrage für 2017 in den Raum.

Herzenstakt stolpert

Als Herausforderungen der Zukunft bezeichnete die Regionalbischöfin die Integration von Geflüchteten und die Stabilisierung der Gesellschaft: »Unser Herzenstakt kommt gerade aus dem Rhythmus«, sagte die Theologin. Wo »Hassparolen und simples Schwarz-Weiß-Denken« salonfähig würden, müsse Kirche die Motive der Menschen ergründen.

Breit-Keßler dankte den Notfallseelsorgern, die beim Zugunglück von Bad Aibling und nach dem Amoklauf in München Dienst taten. Sie pries die Ehrenamtlichen der Flüchtlingshilfe und lobte die guten Beziehungen zu den anderen Religionsgemeinschaften und die lebendige Ökumene. »Die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München hat inzwischen sogar ein eigenes Platzschild für die Gottesdienstvorbereitung in der Sakristei im Münchner Liebfrauendom«, verriet Breit-Keßler. Manchmal zeigen sich große Errungenschaften eben doch im Detail.