Das Achtliederbuch

Als zur Jahreswende 1523/24 mit dem "Achtliederbuch" der Vorläufer des heutigen Evangelischen Gesangbuchs in Wittenberg erschien, hatte man als Druckort auf die Stadt zurückgegriffen, in der das technische Know-how vorhanden war:
In der Werkstatt von Jobst Gutknecht in Nürnberg nahm die Sammlung mit vier Luther-Liedern und vier anderen Ursprungs Gestalt an.

"Das musste damals wohl geheim gehalten werden, denn die Nürnberger waren mit dem Protestantismus einfach noch nicht so weit", meint Thilo Liebe.

Der Bibliothekar, der die Bibliothek des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns (LAELKB) leitet, hat in seinem Archiv leider kein Exemplar dieser Pionierarbeit, weiß aber um deren Bedeutung.

"Damit begann die Tradition des Singens im Gottesdienst und der Verbreitung reformatorischen Gedankenguts und Frömmigkeit in der Bevölkerung", erklärt er.

Auch die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern, die am 23. März ein Symposium zum Gesangbuch im Landeskirchlichen Archiv eröffnen wird und ein Grußwort zum Vortrag der Musikwissenschaftlerin Inga Mai Groote in der Nürnberger Sebalduskirche beisteuert, ist begeistert:

"So wie auch heute mit Internet und verschiedenen Kanälen nach den besten technischen Möglichkeiten und Orten gesucht wird, um Ideen zu verbreiten, haben das die Menschen vor 500 Jahren auch schon gemacht", meint sie.

Liebe ergänzt, dass Nürnberg gerade für die hohe Qualität beim Notendruck bekannt war.

Digitalisierung alter Gesangbücher

Das Landeskirchliche Archiv erhalte regelmäßig alte Gesangbücher, oft ganze Bibliotheken, und müsse aus Kapazitätsgründen bedauerlicherweise oft auch die Annahme ablehnen, sagt Leiterin Alexandra Lutz.

Vollständig archiviert seien sämtliche Ausgaben des Bayerischen Gesangbuchs, das erstmals 1814 auf den Markt kam, samt Orgelnotenbuch.

Vor rund 200 Jahren war die Einführung eines Gesangbuchs gleichsam ein Politikum. Thilo Liebe kennt Aufzeichnungen, in denen Gemeinden notfalls mit Waffengewalt dazu aufgefordert wurden, ihre alten Bücher abzugeben und gegen die neuen auszutauschen.

"Wir machen auch Fortschritte bei der Digitalisierung unseres Bestandes", erklärt Lutz eines ihrer Hauptanliegen.

Haptische Wirkung zieht Lehrende und Studierende an

Vieles finde man bereits jetzt im "Bavarikon", dem Internetportal des Freistaats Bayern.

"Das regt auch immer mehr Forschende an, uns einen Besuch abzustatten", sagt sie.

Denn auch wenn die originalen Dokumente fein säuberlich eingescannt im Internet zu sehen seien - die haptische Wirkung wollen von der Universitätsprofessorin bis zum Studenten dann doch die meisten Interessierten erleben.

Das gilt auch für einen der am besten behüteten Schätze, die das Archiv an liturgischen Büchern besitzt: Ein Graduale aus dem Jahr 1421, geschrieben vom Dominikanermönch Johannes Gredinger und einem unbekannten Zweiten, das rund 90 Jahre lang in St. Lorenz im Einsatz war.

Manche der Lettern sind mit Gesichtern verziert, wie man sie noch heute manchmal auf Illustrierte kritzelt.

Nürnberg als Aufbewahrungsort der meisten Chorbücher

In Nürnberg werden außerdem die meisten Chorbücher innerhalb Frankens, wahrscheinlich sogar bundesweit aufbewahrt.

Bücher aus der Fenitzer-Dilherr-Bibliothek, aus Nürnberger Innenstadtkirchen oder dem Kloster Sulz im heutigen Dekanat Feuchtwangen gehören ebenfalls zur Sammlung. Insgesamt rund 3.000 Medien, von denen eine Vielzahl noch auf Digitalisierung wartet.

2028 neues Gesangbuch

Die Tagung in Nürnberg bildet den Auftakt zu einem Veranstaltungsreigen rund um das Gesangbuch-Jubiläum, der sich bis ins nächste Jahr zieht.

Derzeit arbeitet eine 80-köpfige Kommission mit Vertretern der 20 deutschen Landeskirchen am neuen Gesangbuch, das im Jahr 2028 auch in einer digitalen Variante veröffentlicht werden soll.

"Damals wie heute muss der Spagat zwischen liturgischem Anspruch und einfacher Singbarkeit gelingen", vergleicht die Nürnberger Regionalbischöfin die Situation vor 500 Jahren und heute.

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