Wenn die 34-jährig Maryna an diesen einen Tag zurückdenkt, der für immer ihr Leben veränderte, stockt ihr immer noch der Atem. "Ich war mit meinen beiden Kindern in unserer Wohnung, als die Sirenen losgingen", erzählt sie. Kurz darauf schlugen die ersten Raketen und Bomben links und rechts ein. "Es war ein Höllenlärm", flüstert sie mit stockender Stimme.

Was danach folgte, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Im gesamten Mehrfamilienhaus in der Kleinstadt bei Charkiw brach Panik aus, so Maryna. Die Menschen schrien, rannten aus ihren Wohnungen, waren von der Wucht der Einschläge völlig paralysiert. "Ich hatte furchtbare Angst um das Leben meiner Kinder", sagt sie.

Ihr Sohn kann nur liegend in einem speziellen Rollstuhl transportiert werden, er ist behindert und benötigt besondere Zuwendung. Sie fleht stumm zu ihrem Schöpfergott, da kommt ihr ein rettender Einfall, spielerisch die Sache lösen: Betten auf den Boden, darunter verstecken, ein rettender Drache aus dem Märchenbuch wird zitiert. Sie schaut aus dem Fenster: sieben, acht Kampfhubschrauber kreisen bedrohlich bei ohrenbetäubendem Lärm über ihrer Häuserreihe. Sobald sich ihr ein kurzes Zeitfenster bietet, packt sie das Allernotwendigste zusammen und macht sich wie viele ihrer Landsleute auf den Weg.

Frauen aus der Ukraine erzählen vom Krieg

Ohne Obdach, aber am Leben. 13 Raketen trafen später das Haus und andere in der Nähe, zählt sie auf. "Diese schrecklichen Geräusche werde ich nie mehr vergessen." Natalia aus Kiew erzählt, sie ist studierte Lehrerin und unterrichtete 15- bis 18-jährige Jugendliche zwei Wochen in Kellern: "Die Angst vor Raketen war immer allgegenwärtig."

Solche Berichte haben den CVJM Bayern veranlasst, ein sogenanntes "Mental Health Camp" (Woche für psychische Gesundheit) ins Leben zu rufen. Entscheidend war dabei Victoria Trofimova. Die Kiewerin studierte Deutsch, war aktiv beim YMCA in Kiew tätig und konnte mit ihrem Sohn nach Deutschland flüchten. Ihr Mann blieb, wie viele Männer, zurück. Dank einer kräftigen Finanzspritze der evangelischen Landeskirche von Bayern konnte Victoria als Landessekretärin beim CVJM Bayern angestellt werden, sagte ihr Kollege Daniel Gass bei einem Pressegespräch.

Woche für geflüchtete Frauen

Der christliche Landesverband hat nun unter ihrer Federführung diese spezielle Woche für geflüchtete Frauen angeboten, die alle eine Beziehung zum YMCA in der Ukraine haben. Eine geschulte Trauma-Psychologin begleitete die Frauen, die teilweise mit ihren Kindern zu Gast auf der CVJM-Burg waren. "Wir umarmten uns, lächelten uns an, zeigten Empathie am Schicksal der anderen und dachten auch darüber nach, was wir Positives aus diesem Krieg mitnehmen", beschreibt Victoria die Erlebnisse der gemeinsamen Zeit, die am Samstag endet. Entspannungsübungen, lange Spaziergänge, aber auch Kunst- und Improvisationstherapie füllten die Tage aus.

"Wir hatten Urlaub vom Krieg" bringt Victoria die Sache auf den Punkt. Trotz so vieler psychischer Ausnahmesituationen seien sogar Witze erzählt und auch mal herzlich gelacht worden, sagt sie und lächelt. Ob Maryna und ihre Kinder die Erlebnisse des Raketenangriffes gut verarbeitet haben, wird sich zeigen. Sie freut sich hier gewesen zu sein, wo der Krieg nicht zu hören oder zu sehen ist.