Als Christina und Rebecca Gelinsky eine Familie gründen wollten, wandten sie sich zunächst an deutsche Kinderwunschkliniken. Diese lehnten es jedoch ab, die Behandlung ohne Samenbank durchzuführen. Die beiden wollten aber lieber mithilfe eines ihnen bekannten Samenspenders ein Kind bekommen. Hilfe fanden sie schließlich in Dänemark. Wir haben mit ihnen über ihre Geschichte gesprochen. 

"Zuerst habe ich allgemein gefragt, ob sie mit gleichgeschlechtlichen Paaren arbeiten"

Könnten Sie uns erzählen, wie es mit Ihrem gemeinsamen Kinderwunsch war? Sie hatten bereits einen potenziellen Spender, aber in Deutschland schien dies aus verschiedenen Gründen nicht möglich zu sein.

Christina Gelinsky: Ich habe bei verschiedenen Kliniken angerufen und nachgefragt. Zuerst habe ich allgemein gefragt, ob sie mit gleichgeschlechtlichen Paaren arbeiten, denn das ist nicht überall in Deutschland der Fall. Das haben alle bejaht. Aber als ich dann gefragt habe, ob sie auch mit einem Exklusivspender – so nennen wir das hier - arbeiten, hieß es immer, nein, das machen wir nicht, wir arbeiten nur mit den entsprechenden Samenbanken zusammen. Der Ton änderte sich sofort und die Freundlichkeit war meistens weg. Ich habe viele Kliniken angerufen, und fast immer war die Antwort gleich: Sie arbeiten nicht mit Exklusivspendern. Eine Klinik schlug vor, dass wir offiziell als Paar auftreten – unser Exklusivspender und ich –, aber inoffiziell sagen könnten, dass wir nur auf dem Papier ein Paar sind und meine Frau zu jeder Untersuchung mitkommen kann.

Wie haben Sie reagiert?

Christina Gelinsky: Erst dachte ich, das wäre eine gute Idee, aber das war dann ja genau das, was wir nicht wollten. Denn wir wollten ja den legalen Weg über eine Kinderwunschklinik, um es rechtlich einfacher zu haben. So wäre das das Gegenteil gewesen. Dann gab es eine Klinik, wo die Frau freundlich und offen war. Ich habe sie gefragt, ob ich etwas falsch verstehen würde, denn das Verfahren ist doch dasselbe, wenn ich mit einem Mann komme würde, weil es auf dem natürlichen Weg nicht klappt. Sie nehmen den Samen des Mannes und setzen ihn bei mir ein. Das wäre doch dasselbe mit einem exklusiven Spender. Sie stimmte mir zu, nannte aber keine Argumente. Das scheint nicht genug Geld einzubringen. Die Kliniken haben Kooperationen mit Samenbanken und verdienen so anscheinend mehr Geld.

"Wir haben uns dann entschieden, nicht weiter in Deutschland zu suchen"

Es ist also eine finanzielle Entscheidung, keine moralische?

Christina Gelinsky: Ja, vermutlich. Wir hatten eine ähnliche Erfahrung in Hamburg gemacht, bevor wir den Spender gefunden hatten. Wir hatten mit jemandem gesprochen, der diesen Weg schon einmal in Essen umgesetzt hatte. Also wussten wir, dass es möglich war. Wir hatten daraufhin ein Vorgespräch in einer Kinderwunschklinik in Hamburg und es schien, dass sie nicht wirklich mit uns arbeiten wollten. Sie sagten uns nichts über die Kosten und als wir nachfragten, wurden wir vertröstet. Wir haben 120 Euro für die Beratung bezahlt, ohne etwas Nützliches zu bekommen. Sie zeichnete nur den Inseminationsvorgang auf, und als ich nach dem Exklusivspender fragte, sagte sie, das sei nicht erlaubt. Wir wussten aber aus anderen Quellen, dass es möglich ist. Sie gab uns nur einen Flyer und das war’s. Danach haben wir aufgehört zu recherchieren, weil wir von anderen Paaren gehört hatten, dass es ähnlich war. Wir hatten dann ein Online-Interview mit einer Klinik in Dänemark und das war eine ganz andere Erfahrung. Wir haben uns dann entschieden, nicht weiter in Deutschland zu suchen, sondern direkt nach Dänemark zu gehen.

Also war es in Dänemark unkompliziert?

Christina Gelinsky: Ja, die Klinik hatte sogar auf ihrer Website stehen, dass sie mit bekannten Spendern arbeiten. Als wir dort den Spender im Gespräch erwähnten, war es kein Problem. Sie haben uns darauf hingewiesen, dass es der teuerste Weg ist, aber als wir zugestimmt haben, war es okay. Sie baten uns, den Spender kennenzulernen, sie führten mit ihm ein langes Gespräch und benötigten medizinische Befunde. Die Kommunikation war freundlich und offen.

Rebecca Gelinsky: Hier in Deutschland ist das mit den Samenbanken so eine anonyme Sache, das wollten wir nicht. 

Da bekommt man so einen Katalog, mit Vorlieben, Hobbys und politischer Einstellung des Spenders. 

Rebecca Gelinsky: Genau! Und dann wird es von Profil zu Profil immer teurer, je nach Samenqualität und Bildungstand des Mannes.

Haben Sie Vorbehalte wegen Ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe gespürt oder erlebt?

Christina Gelinsky: Nein, nur bei einer persönlichen Begegnung (die Beratung in der Kinderwunschklinik in HH) war es etwas anders. Ich glaube nicht, dass das typisch ist, aber durch ihre wiederholte Entschuldigung für die Verwendung des Begriffs "Stiefkindadoption" und ihre Andeutungen, dass wir es besser lassen sollten – sowohl in Bezug auf Adoption als auch auf rechtliche Fragen – hat sie uns das Gefühl gegeben, dass sie nicht gerne mit uns arbeiten würde.

Gab es sonst keine Diskriminierung?

Rebecca Gelinsky: Nein, wie gesagt, es war eher so, dass man nicht mit uns arbeiten wollte.

"In Dänemark muss man nicht adoptieren, der Partner ist automatisch der zweite Elternteil"

Ist die Gesetzeslage in Dänemark anders? 

Christina Gelinsky: Teilweise. In Dänemark muss man nicht adoptieren, der Partner ist automatisch der zweite Elternteil. In Deutschland ist die Adoption notwendig und mühsam. Und in Dänemark werden gleichgeschlechtliche Paare finanziell unterstützt. Hier in Deutschland ist das nicht so. Man bekommt keine finanzielle Unterstützung von der Krankenkasse, wenn man als gleichgeschlechtliches Paar mit Kinderwunsch behandelt wird.

Gilt das nur für gleichgeschlechtliche Paare?

Christina Gelinsky: Als verheiratetes heterosexuelles Paar kann man je nach Krankenkasse bis zu 80 oder 100 Prozent der Kosten erstattet bekommen, oder ein bis drei Versuche, wenn es aus gesundheitlichen Gründen auf dem natürlichen Weg nicht klappt, aber als gleichgeschlechtliches Paar bekommt man überhaupt keine finanzielle Unterstützung. Man ist in den deutschen Krankenkassenmodellen nicht vorgesehen und wird finanziell nicht unterstützt.

Rebecca Gelinsky: Obwohl wir verheiratet sind, sind wir in den Augen der Krankenkassen keine Familie und werden dementsprechend auch nicht finanziell unterstützt. Das ist meine persönliche Erfahrung.

"Überall wird von Toleranz und Akzeptanz geredet, aber in der Praxis gibt es immer noch viele Hindernisse"

Was sollte sich in Deutschland ändern?

Christina Gelinsky: Als erstes sollte man ändern, dass man als Ehepartner nicht adoptieren muss. Das wäre für viele Paare ein großer Schritt. Es ist absurd, dass wir als gleichgeschlechtliche Paare so viele Hürden überwinden müssen, um als Familie anerkannt zu werden, obwohl wir von Anfang an eine Familie sind. Es darf keinen Unterschied machen, ob das Kind durch eine Samenspende oder auf natürlichem Weg gezeugt wurde. Ein Mann kann seine Partnerin mit einer Samenspende unterstützen und wird als Vater anerkannt. Aber zwei Frauen werden nicht anerkannt, weil es angeblich nicht dem Familienbild entspricht. Es ist absurd, dass wir im Jahr 2024 immer noch über den Familienbegriff diskutieren müssen.

Rebecca Gelinsky: Überall wird von Toleranz und Akzeptanz geredet, aber in der Praxis gibt es immer noch viele Hindernisse, zum Beispiel bei den Krankenkassen und der Adoption. Da muss sich definitiv etwas ändern. Es wird von "Ehe für alle" und gleichen Rechten und Pflichten gesprochen, aber in der Realität ist das nicht so. Es gibt viele Unterschiede. Wenn ein Paar nicht verheiratet ist, wird der Vater einfach eingetragen, ohne Fragen zu stellen. Auch wenn ein Mann nicht verheiratet ist, kann eine Frau behaupten, dass er der Vater ist, und er muss nicht adoptieren. Aber zwei Frauen müssen adoptieren, um als Familie anerkannt zu werden. Das ganze Konzept ist falsch.

 Stimmt also grundsätzlich etwas nicht?

Christina Gelinsky: Wir haben das auch bei einem Adoptionsverfahren erlebt. Hier in Deutschland kann man die Adoption erst beantragen, wenn das Baby acht Wochen alt ist. Dann kommt jemand zu uns nach Hause, um zu sehen, ob eine Bindung zwischen den beiden entstanden ist, und erst dann kann man den Antrag stellen. Wir haben von Freunden gehört, dass deren Notarin meinte: "… es gebe keine Eile und sie sich um andere wichtigere Dinge kümmern müsse". Der andere Elternteil wird nie offiziell anerkannt und braucht immer eine Vollmacht von der Mutter. Das sind wirklich schlimme Zustände, die sehr belastend sind. Es ist kein schönes Familiengefühl, wenn man immer diese Adoption im Hinterkopf hat.

Rebecca Gelinsky: Ja, und wenn der Mutter etwas passiert, ist man nicht abgesichert. Dann ist das Kind vielleicht bei den Großeltern oder beim Jugendamt. Man hat einfach keine Rechte. 

Christina Gelinsky: ir wissen jetzt, dass es möglich ist einen Exklusivspender nehmen zu dürfen, und wir können dem Kind den Vater anbieten, wenn es soweit ist. Das war uns sehr wichtig. Wir wollten ganz bewusst, dass der Vater da sein kann oder da ist. Es war frustrierend, dass uns diese Möglichkeit in Deutschland verwehrt wurde, weil jemand anderes entschieden hat.

"Es gibt viele Männer, egal ob hetero oder homosexuell, mit einem unerwünschten Kinderwunsch"

Gibt es etwas Positives, das Sie aus all dem mitnehmen?

Christina Gelinsky: Ich muss sagen, dass wir während dieser Erfahrung viele verschiedene Menschen kennengelernt haben, die alle auf ihre Weise Eltern sein wollten. Es war sehr ermutigend zu sehen, dass es in verschiedenen Konstellationen möglich ist. Es gibt viele Männer, egal ob hetero oder homosexuell, mit einem unerwünschten Kinderwunsch. Einige sind Single, andere leben in einer Partnerschaft, in der die z. B. Frau keinen aktuellen Kinderwunsch mehr hat. Das war für mich eine überraschende Erkenntnis, die ich so nicht erwartet hatte. Es zeigt, dass es auch Männer gibt, die unglücklich sind, weil sie keine Kinder haben, und diese Gruppe wird oft übersehen, mit einer Exklusivspende bekommen auch sie die Möglichkeit Eltern zu werden und ihren Platz zu finden.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden