Pier Paolo Pasolinis "Das 1. Evangelium Matthäus" (1964), Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" (1988) und Mel Gibsons "Die Passion Christi" (2004) – das sind die großen Jesusfilme der letzten 50 Jahre. Der australische Regisseur Garth Davis hat mit "Maria Magdalena" nun eine gelungene feministische Interpretation des großen Stoffs hinzugefügt.

"Und es begab sich, dass Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf zog und predigte und verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes; und die Zwölf waren mit ihm, dazu etliche Frauen, die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern und Krankheiten, nämlich Maria, genannt Magdalena, von der sieben Dämonen ausgefahren waren, und Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihnen dienten mit ihrer Habe." (Lukas 8, 2)

Was das Lukasevangelium über die Rolle der Frauen um Jesus zu sagen hat, ist zwiespältig. Drei Frauen erscheinen namentlich als Jüngerinnen, aber Lukas verpasst ihnen einen passiven, dienenden Status: Sie dürfen Jesus begleiten und die Gruppe finanzieren, aber die Apostel – allesamt Männer – bleiben als "die Zwölf" herausgehoben. Dass der Apostelkreis um Jesus größer war, wird hier verschleiert. Ausdrücklich erwähnt werden aber die Dämonen der Maria Magdalena, also die schwierige Vergangenheit dieser Frau.

Kein Wort dagegen von der ganz besonderen Nähe, die eine der Frauen und Jesus verband. Ihren Beinamen trug Maria nach ihrem Heimatort Magdala am See Genezareth – dem heutigen Migdal in Israel. Sie war später bei Jesu Tod am Kreuz dabei, sie wurde erste Zeugin seiner Auferstehung. Wie aus dieser besonderen Jüngerin eine reuige Ex-Prostituierte wurde, ist ein aufschlussreiches Stück Kirchengeschichte.

Es ist auch der Hintergrund zu dem Film "Maria Magdalena", den nicht zuletzt Empörung über patriarchale Machtansprüche der Kirche Petri antreibt: "Maria war ein wesentlicher Teil der Geschichte, aber man degradierte sie zur Hure, während Petrus, der Jesus dreimal verleugnete und seine Botschaft falsch verstand und falsch vermittelte, zum Heiligen erhoben wurde. Sie ist die Hure und er der Heilige – das ist einfach unglaublich", findet Hauptdarstellerin Rooney Mara.

Der skeptische erste Blick einer hart arbeitenden Frau auf einen radikalen Wanderprediger der Liebe: Rooney Mara als Maria Magdalena.
Der skeptische erste Blick einer hart arbeitenden Frau auf einen radikalen Wanderprediger der Liebe: Rooney Mara als Maria Magdalena.
Jesus (Joaquin Phoenix) predigt am See Genezareth.
Jesus (Joaquin Phoenix) predigt am See Genezareth.
Geburtshelferin, Pflegerin, Sterbebegleiterin: Maria Magdalena (Rooney Mara) bringt Jesus in die Welt der Frauen und die Frauen in die Welt des Jesus.
Geburtshelferin, Pflegerin, Sterbebegleiterin: Maria Magdalena (Rooney Mara) bringt Jesus in die Welt der Frauen und die Frauen in die Welt des Jesus.
Geschlechterherrschaft: Männer in der Synagoge von Magdala am See Genezareth.
Geschlechterherrschaft: Männer in der Synagoge von Magdala am See Genezareth.
Jesus (Joaquin Phoenix) tauft Maria Magdalena (Rooney Mara).
Jesus (Joaquin Phoenix) tauft Maria Magdalena (Rooney Mara). Die anderen Jünger betreiben politische oder theologisch-dogmatische Interpretationen dessen, was Jesus lehrt und tut. Maria versteht ihren Rabbi jenseits davon, unmittelbar - und kommt diesem genau deswegen näher als alle anderen. Der feministische Jesusfilm »Maria Magdalena« greift damit auch Kontroversen der frühen Christenheit auf.
Gedreht wurde auf Sizilien und in Süditalien: Starke Landschaftsbilder weiten in "Maria Magdalena" den Blick für die kleinen Anfänge einer großen Geschichte.
Gedreht wurde auf Sizilien und in Süditalien: Starke Landschaftsbilder weiten in "Maria Magdalena" den Blick für die kleinen Anfänge einer großen Geschichte. Kameramann Greig Fraser schuf zuvor die Bilder zu Filmen wie der Osama-Bin-Laden-Hatz "Zero Dark Thirty" oder der Star-Wars-Folge "Rogue One".
Judas (Tahar Rahim): Verführt von der falschen Hoffnung, seine ermordete Familie einem »Reich Gottes« auf Erden wiederzusehen.
Judas (Tahar Rahim): Verführt von der falschen Hoffnung, seine ermordete Familie einem »Reich Gottes« auf Erden wiederzusehen.
»Maria Magdalena« - ein feministischer Sandalenfilm, der die Jesusgeschichte aus einer weiblichen Perspektive erzählt.
»Maria Magdalena« - ein feministischer Sandalenfilm, der die Jesusgeschichte aus einer weiblichen Perspektive erzählt.
Joaquin Phoenix (Jesus) gehört zu den wandlungsfähigsten und besten Schauspielern Hollywoods.
Joaquin Phoenix (Jesus) gehört zu den wandlungsfähigsten und besten Schauspielern Hollywoods. Ende April wird er in dem harten Thriller »A Beautiful Day« als Killer zu sehen sein, der sich zärtlich um seine pflegebedürftige Mutter kümmert. Bei den Filmfestspielen in Cannes hat der Film von Lynne Ramsay gleich doppelt abgeräumt: Neben dem Preis für das beste Drehbuch wurde Hauptdarsteller Joaquin Phoenix mit dem Preis als bester Schauspieler ausgezeichnet.
»Maria Magdalena« - Ein Oscar blieb Joaquin Phoenix (Jesus) dagegen bisher verwehrt.
Ein Oscar blieb Joaquin Phoenix (Jesus) dagegen bisher verwehrt. Zweimal war er bereits als bester Hauptdarsteller nominiert: 2005 für seine großartige Verkörperung des Musikers Johnny Cash (»Walk The Line«) und 2012 für seine Rolle im Scientology-Drama »The Master«.
Rooney Mara (Maria Magdalena) wurde 2011 einem breiteren Publikum bekannt.
Rooney Mara (Maria Magdalena) wurde 2011 einem breiteren Publikum bekannt, als sie Lisbeth Salander im US-amerikanischen Remake des Films »Verblendung« nach dem gleichnamigen Roman von Stieg Larsson spielte. Für ihre Darbietung war sie unter anderem für einen Oscar und den Golden Globe nominiert.
Judas (Tahar Rahim) und Maria Magdalena (Rooney Mara).
Judas (Tahar Rahim) und Maria Magdalena (Rooney Mara).
Ein Scherflein »Wanderradikaler« folgt Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem.
Ein Scherflein »Wanderradikaler« folgt Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem.
 Jesus, der Lehrer und Prediger (Joaquin Phoenix).
Jesus, der Lehrer und Prediger: Mit der Liebe ernst zu machen, ist genau das - eine ernste Sache. Sie kann das Leben kosten. In der für ihn fremden Welt der Frauen fragt der Mann Jesus (Joaquin Phoenix) zunächst Maria Magdalena: »Was soll ich lehren?«
Petrus (Chiwetel Ejiofor, »12 Years a Slave«) steht in »Maria Magdalena« für die andere, die kirchliche, dogmatische, politische und männliche Seite dessen, was aus der Jesusgeschichte wurde.
Petrus (Chiwetel Ejiofor, »12 Years a Slave«) steht in »Maria Magdalena« für die andere, die kirchliche, dogmatische, politische und männliche Seite dessen, was aus der Jesusgeschichte wurde.
Blick durchs Fischernetz: Maria Magdalena (Rooney Mara) bricht aus ihrer engen und unfreien Welt aus.
Blick durchs Fischernetz: Maria Magdalena (Rooney Mara) bricht aus ihrer engen und unfreien Welt aus.

Tatsächlich: Dem Kirchenvater bei Hippolyt von Rom († 235) galt die erste Osterzeugin noch als "apostola apostolorum" (Apostel der Apostel) und "neue Eva". Knapp 400 Jahre später dokumentiert eine Magdalena-Auslegung aus der Feder von Papst Gregor dem Großen († 604), dass die Kirche endgültig zur Männerkirche verkommen war: Er identifizierte die im Lukasevangelium vorangehende Passage, in der eine namenlose "Sünderin" Jesus die Füße wäscht, sie mit ihren Haaren trocknet und anschließend salbt, mit Maria Magdalena (7, 36-50):

"Es ist klar, Brüder, dass die Frau, die früher auf unmoralische Taten ausgerichtet war, das Salböl für den Duft ihres Fleisches selbst verwendete. Was sie also schändlich für sich verwendet hatte, das brachte sie jetzt Gott. Mit ihren Augen hatte sie Irdisches begehrt, nun aber beweinte sie zerknirscht und voll Reue ihre Augen. Die Haare hatte sie zur Zierde ihres Gesichtes verwendet, nun aber trocknete sie damit ihre Tränen. Mit dem Mund hatte sie hochmütig geredet, küsste aber die Füße des Herrn und presste ihn auf die Fußsohlen ihres Erlösers."

Nicht nur bei Papst Gregor scheinen bei Magdalena mannigfaltige und nicht zuletzt sexualisierte Fantasien in Gang gekommen sein (offenes Haar! Nackte Füße! Küsse! Dämonen!). Ein Image, das Maria Magdalena nie mehr loswurde – nicht nur in der Kunstgeschichte oder in Hebbels Drama "Maria Magdalena".

In Deutschland entstand bereits im 13. Jahrhundert der Magdalenen-Orden für Büßerinnen und reuige Frauen. Dem Elend in den "Magdalenenheimen" im katholischen Irland hat 2002 der Film "Die unbarmherzigen Schwestern" (The Magdalene Sisters) ein Denkmal gesetzt: Bis zu 30 000 Mädchen, Ausreißerinnen, Vergewaltigungsopfer, Mütter, denen man ihre unehelichen Kinder wegnahm und zur Adoption freigab, lebten in diesen Heimen, wurden dort gedemütigt, misshandelt und traumatisiert.

Die Missbrauchsdebatte hat die katholische Kirche seither verfolgt, ebenso wie die Frage nach der Rolle der Frauen in der Kirche. Papst Franziskus hat 2016 eine kleine Wiedergutmachung an Maria Magdalena dekretiert: Er würdigte sie als "apostola apostolorum" und bestimmte, dass die liturgische Feier der heiligen Maria Magdalena im Kalender der römisch-katholischen Kirche künftig als "Fest" aufgeführt wird (22. Juli). Kirchenrechtlich und liturgisch ist Magdalena damit den Aposteln gleichgestellt. Ausnahmen bleiben die Heiligen Petrus und Paulus. Ihr Gedenktag am 29. Juni wird weiterhin als "Hochfest" gefeiert. Petrus hat in der Kirche weiterhin die Hosen an.

"Apokryphe" – also von der kirchlichen Tradition nicht in den Kanon aufgenommene – frühchristliche Texte werfen jedoch ein anderes Bild auf die Gestalt der Maria von Magdala.

Offizieller deutscher Trailer zu »Maria Magdalena«.

Einer der wichtigsten dieser Texte ist der "Codex Berolinensis Gnosticus" (BG), der das "Evangelium nach Maria" enthält. Er stammt aus dem vierten Jahrhundert und ist in einem koptischen Dialekt verfasst. Seine griechische Vorlage ist vermutlich zweihundert Jahre älter. Der Codex besteht vor allem aus Texten der apokryphen, mit der kirchlichen Tradition kompatiblen Petrusakten. Das gnostische Evangelium der Maria umfasst dagegen nur einen kleinen Teil und blieb jahrzehntelang unbeachtet. Erst der Fund der Nag-Hammadi-Bibliothek 1945 richtete den Blick der Forschung neu auf die Gnosis – und auf Maria Magdalena.

Gnosis, das altgriechische Wort für Erkenntnis oder (Geheim-)Wissen, ist ein ziemlich unscharfer Sammelbegriff und steht vor allem für eins: die Erkenntnis, wie vielfältig die Glaubenswelt des frühen Christentums und die Konflikte waren, aus denen heraus die Kirche entstand.

Nicht nur im Marienevangelium tritt – anders als in der "kirchlichen" Tradition – Magdalena als zentrale, beispielhafte Jüngerin hervor. Auch viele andere Texte wie das Thomasevangelium oder die "Pistis Sophia" bescheinigen ihr eine besondere Nähe und Beziehung zu Jesus. Dass Jesus in diesen Texten Magdalena ausdrücklich "mehr liebt als die anderen", hat mit einer sexuellen Beziehung oder gar Ehe aber nichts zu tun, auch wenn derlei Thesen heute populär sind.

Einige Motive dieser "anderen Tradition" (aber nicht die radikale Leibfeindlichkeit und sperrige Theologie der Gnostiker) übernimmt der Film "Maria Magdalena". Er kreist um die besondere Beziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena.

Sie ist es, die Jesus und seine Botschaft in die Welt der Frauen holt. In einer der ersten Szenen zeigt der Film, dass eine Geburt zur Zeit Jesu nichts von Bethlehemer Krippenkitsch hatte. Sondern jederzeit den Tod von Mutter und Kind bedeuten konnte. Es ist eine Welt, in der Frauen keine Rechte haben. Ihr Schicksal wird von Männern bestimmt. Eine Sklavenexistenz, die vor allem aus Arbeit besteht, aus harter Fischerinnenarbeit im Fall der Maria aus Magdala. Es ist ein zeitloser Kommentar, wenn Maria beim Netzflicken Jesus und seiner Aussteigergruppe hinterherblickt und über die "Wanderradikalen" sarkastisch bemerkt: "Schön, wenn man für so was Zeit hat …" Später wird sie es sein, die Jesus bei den Waschfrauen von Kana in diese, ihre Welt der Frauen einführt, die viel Arbeit und viel Leid, wenig Rechte und wenig Freiheit kennt. Als er inmitten der Frauen steht, fragt Jesus zunächst Magdalena: "Was soll ich lehren?" – eine bemerkenswerte Szene.

Die anderen Jünger betreiben politische oder theologisch-dogmatische Interpretationen dessen, was Jesus lehrt und tut. Maria versteht ihren Rabbi jenseits davon, unmittelbar - und kommt diesem genau deswegen näher als alle anderen. Mehr noch, in Rooney Maras radikaler Konzentration ihrer Magdalena-Figur auf Jesus macht sie sichtbar, dass Nachfolge von Anfang an "imitatio Christi" ist. Und zeigt, was das bedeuten könnte: auf die Stille zu hören und damit auf Gott; lieben! Lieben und einander in die Seele sehen lassen; weniger reden, dafür praktisch anpacken und das Richtige, also Liebevolle tun.

Enttäuschte Erwartungen der Jünger

Petrus kommt im Film weniger gut weg. Überzeugend gespielt von Chiwetel Ejiofor ("12 Years a Slave"), steht er für die andere, die kirchliche, dogmatische, politische und männliche Seite dessen, was aus der Jesusgeschichte wurde. Petrus versteht Jesus regelmäßig falsch. Auch seine Eifersucht auf Maria, seine Versuche, sie auszugrenzen und auszubooten, bezeugen die Apokryphen mehrfach:

"Hat er etwa mit einer Frau heimlich vor uns gesprochen und nicht öffentlich? Sollen wir selbst umkehren und alle auf sie hören? Hat er sie mehr als uns erwählt?",

lässt ihn etwa das Evangelium der Maria Magdalena sagen (BG p.17,18-22).

Arg holzschnittartig ist es zwar, wenn der Film-Petrus (Simon, ein jüdischer Fischer aus Galiläa!) von der "Kirche" spricht (Ecclesia), also einen griechischen Begriff verwendet, der sich erst viel später entwickelt hat. Doch sonst zeigt sich der Film theologisch voll auf der Höhe. Nicht nur in seiner Zeichnung der Maria und des Petrus, sondern auch in der Darstellung des Judas, des Missverständnisses um Jesus und der zunächst konkret-politischen Messiaserwartung der Jünger, die sich erst nach Ostern in den Auferstehungsglauben verwandelte.

Während Mel Gibson von einer obsessiven Sühneopfer-Theologie getrieben in seiner "Passion" versuchte, den Zuschauern die Größe des göttlichen Opfers mit blutigen Überwältigungsbildern in Hirne und Seelen zu hämmern, ist die Kreuzigung hier: einfach eine grauenvolle, elende Hinrichtung. Am Kreuz stirbt ein Mensch. Aber ein Mensch, der dieses Kreuz bewusst auf sich nimmt.

Gedreht wurde auf Sizilien und in der Basilicata in Süditalien, die häufig "biblische" Landschaftsbilder hervorzubringen hat, seit Pier Paolo Pasolini 1964 vor der Kulisse der malerischen Höhlenhäuser von Matera sein "1. Evangelium Matthäus" schuf.

Dabei schickte Regisseur Davis seine Protagonisten auf ausgedehnte Wanderungen durch die felsigen Mittelmeerlandschaften – in Kleidung und vor allem Schuhwerk, wie man es im ersten Jahrhundert trug. "Wer mit mir dreht, weiß, dass er eine Menge laufen darf", sagt der Regisseur. Herausgekommen ist aber eben gerade kein Sandalenfilm, sondern großartige Landschaftsaufnahmen (Kamera: Greig Fraser, "Zero Dark Thirty", "Rogue One"), die im Kontrast stehen zu den intensiven Nahaufnahmen, die das Innerliche und Eigentliche der Geschehens erzählen. In den Breitwandbildern verliert sich das kleine Scherflein von Wanderern, die mit dem radikalen Prediger aus Galiläa ziehen. Sie werden immer mehr, je näher Jerusalem rückt. Aber es bleibt das Erstaunen darüber, was da – weltgeschichtlich gesehen – aus welchen Anfängen entstanden ist. Dass Jesus im Film das Himmelreich mit dem Gleichnis vom Senfkorn anschaulich macht, ist kein Zufall.

"The Weinstein Company" - ein toxisches Herkunftsetikett

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Jesusfilme wandeln – bedroht vom Absturz in frommen Sandalen-Hokuspokus oder in säkular-ungläubige Distanzierung (ebenfalls meist mit Sandalen). "Maria Magdalena" und Joaquin Phoenix’ eindrucksvollem Jesus gelingt diese Gratwanderung. Es ist ein "spiritueller" Film, wenn es so etwas gibt, kitschfrei und doch "christlich". Jesus war ein Kritiker der "Religion": weil radikale Liebe alles Äußerliche, Vorläufige infrage stellt. Doch Petrus und die Seinen werden aus der Jesuspredigt wiederum "Religion" machen. Aber auch die Spur der ausgegrenzten, verdrängten Magdalena, die Jesus viel näher ist, führt in die Zukunft. Vielleicht zu Franz von Assisi und allen, deren subversive, undogmatische Liebes- und Glaubenspraxis die Welt seither immer wieder neu gerettet hat.

Durch den Skandal um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein und die dadurch ausgelöste #­MeToo-Debatte sind die Erfahrungen von Frauen in der Filmbranche neu in den Blick gerückt. Das exzellente Drehbuch für den feministischen Jesusfilm "Maria Magdalena" haben zwei Frauen geschrieben, Helen Edmundson and Philippa Goslett. Auch unter den Produzenten ist eine Frau, die Australierin Liz Watts.

Weinsteins Produktionsfirma ging pleite, nachdem seine unzähligen sexuellen Belästigungen, Machtmissbrauch und sogar Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Produzenten bekannt wurden. Dass zur Weinstein-Konkursmasse auch der Film "Maria Magdalena" gehört, ist ein Treppenwitz der Filmgeschichte. In Europa sorgt nun Universal für den Verleih, aber in den USA ist es dem Film noch nicht gelungen, das toxische Herkunftsetikett "Weinstein Company" loszuwerden. Eigentlich hätte "Maria Magdalena" in den USA und Kanada sogar schon vor Weihnachten in die Kinos kommen sollen. Nun steht der Film dort ohne Verleih und Starttermin da. Und Joaquin Phoenix darf alle Oscar-Hoffnungen für seinen Jesus begraben.

"Schrecklich", findet Regisseur Garth Davis das Ganze, "denn unser Film feiert alles, was dem, was da passiert ist, entgegengesetzt ist."

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