Wie kann politische Bildung junge Menschen wirklich begeistern? Die Politikwerkstatt der Evangelischen Akademie Tutzing machte diese Frage vom 10. bis 12. Oktober 2025 direkt erlebbar: Rund 85 Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren diskutierten über internationale Themen wie China, Klimajournalismus, Finanzinklusion und Demokratie.
Die Inhalte der Werkstatt entstanden aus einer Kombination von langfristiger Planung, aktuellen Entwicklungen und den Interessen der Jugendlichen.
"Einerseits sammeln wir mit langer Vorbereitungszeit politische Themen, die brisant bleiben, wie den weltweiten Klimaschutz. Andererseits nehmen wir kurzfristig Themen auf, zum Beispiel als ChatGPT aufkam", erklärt Studienleiterin Julia Wunderlich.
Aktive Mitgestaltung war ein zentrales Element: Die Teilnehmenden bestimmten, welche Themen behandelt und welche Expertinnen und Experten eingeladen wurden. So waren Julian Müller-Kaler, USA-Experte aus Washington D.C., und Lea Sahay, China-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, live dabei. Großes Interesse weckte auch Rim Melake von der Weltbank, die erklärte, warum mehr Frauen weltweit Zugang zu internetfähigen Handys benötigen – ein entscheidender Schritt für finanzielle Gerechtigkeit.
Politische Bildung zum Mitmachen: UN-Planspiel bringt Weltpolitik nach Tutzing
Ein zentrales Element der Werkstatt war das digitale UN-Planspiel, bei dem die Jugendlichen den Sicherheitsrat zur Krise im Sudan simulierten. Aufgrund der Gruppengröße gab es drei parallele Simulationen, bei denen jede:r Teilnehmende eine Rolle übernahm. Alle Informationen waren digital verfügbar. Aufgaben, Rollenbeschreibungen und Abstimmungsergebnisse konnten direkt am Tablet eingesehen werden.
Wunderlich beschreibt das Engagement der Jugendlichen wie folgt: "Wir haben die Tagungsgruppe im Spiel als sehr engagiert erlebt. Obwohl das Spiel vier Stunden dauerte, hätte man noch weiterspielen können." Sie betont, dass die Simulation realistisch gehalten wurde:
"Das Spiel wurde politisch realistisch gespielt, nicht utopisch. In der Evaluation sagten einige Tagungsgäste, dass es ihnen schwerfiel, ihre Rolle 'wie in echt' zu spielen und gegen die eigenen Interessen abzustimmen – etwa, weil sie die Rolle des US-Präsidenten Trump hatten."
Lernen im Dialog: Wie Jugendliche Politik, Klima und Demokratie erleben
Die Werkstatt verband klassische Vorträge mit interaktiven Formaten. Nach jedem Input folgten intensive Diskussionsrunden, die je nach Thema unterschiedlich gestaltet waren. "Wann hat man schon die Gelegenheit, beim Frühstück mit einer Expertin über grünes Wirtschaftswachstum mit Blick auf den Starnberger See zu debattieren? Da werden abstrakte Themen greifbar und neu verständlich", hebt Wunderlich hervor.
Kreative Elemente wie Poetry-Slam-Workshops oder Comic-Slots ermöglichten es den Jugendlichen, politische Gedanken künstlerisch zu verarbeiten. Den Abschluss bildete ein Panel mit Abgeordneten von SPD, Grünen und CSU, bei dem die Teilnehmenden ihre Fragen direkt an die Politik richten konnten.
Zukunft der politischen Bildung: Politikwerkstatt 2026 in Tutzing
Für 2026 plant die Akademie erneut eine Mischung aus internationalen und lokalen Themen. Wunderlich erläuterte:
"Wir haben auch dieses Mal die Themenwünsche für die nächste Tagung gesammelt. Es gibt viele Ideen, darunter der Konflikt in Nordkorea, Feminismus in Ländern des Globalen Südens, Skandinavien als Vorbild in den Bereichen Klimaschutz und Bildung sowie der Iran. Wir bleiben auch an politischen Konflikten dran und nehmen sie wieder ins Programm auf."
Ziel bleibt, jungen Menschen eine umfassende politische Bildung zu ermöglichen – mit Einblicken in mindestens zehn Politikfelder und verschiedenen politischen Ebenen. Zwei Politikwerkstätten im kommenden Jahr sollen genug Raum lassen, um auf neue Entwicklungen zu reagieren und die Teilnehmenden weiterhin aktiv einzubeziehen.
Ein Highlight wird die Politikwerkstatt im Juni 2026 sein, mit den Themen Vertrauen, EU und Poetry Slams.