Die Barockstadt Noto auf Sizilien zählt rund 24.000 Einwohner und lebt einerseits von der Landwirtschaft, andererseits vom Tourismus. Die Stadt wurde 1703 nach der völligen Zerstörung durch ein Erdbeben wieder aufgebaut und gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Noto ist auch der Rückzugsort von Konrad und Adriano, einem schwulen Paar aus Berlin. Als Adriano plötzlich tödlich verunglückt, nimmt Konrad seine Asche mit nach Sizilien, um sie zu verstreuen und Abschied zu nehmen.
Zwölf Jahre haben Konrad und Adriano miteinander verbracht, einen großen Freundeskreis aufgebaut, sich auf Sizilien eine zweite Heimat geschaffen. Sie gehörten zu den wohlhabenden Kreativen, arbeiteten mal in Berlin, mal in Rom, und das Einkommen reichte für den Bau eines gemeinsamen Ferienhauses in Noto.
Zurück bleibt nur Asche
Doch ein Unfall riss Adriano aus dem Leben, ausgerechnet auf dem eigenen Sofa. Zurück bleibt nur die Asche, die Konrad nun in einer Rasiercremedose nach Sizilien überführt. Auf der Fähre von Civitavecchia nach Palermo beginnt der Roman, erzählt von Konrad selbst. "Ich glaube, ich bin nach Noto gekommen, um einen Plan zu finden. Und ich will Adrianos Asche beisetzen. Ich weiß nur noch nicht, wo."
Sein Hund Jack ist auch dabei, "ein mittelgroßer, karamellfarbener, kurzhaariger Hund, der so aussieht, wie ein Kind einen Hund zeichnen würde. Sein rechter Tränenkanal ist defekt, unter dem Auge hat er ständig eine dunkle Spur. 'Tränenmadonna' habe ich ihn deshalb genannt, aber Adriano mochte diesen Spitznamen nicht."
Im Gepäck hat er auch die großen Fragen: Wie soll es ohne die bessere Hälfte weitergehen? Was mit dem gemeinsamen Haus? Wohin mit den Erinnerungen an die gemeinsame Zeit? Langsam wechselt Konrad vom Funktionsmodus in den Trauermodus. Dabei helfen ihm der gemeinsame Freund Santi und seine beste Freundin Jenny, die mit ihrem Mann und ihren beiden entzückenden Kindern, Konrads Patenkindern, das Nachbargrundstück bewohnt.
Bisexuelle Cowboys und lesbische Konservative
Auf der Reise zu den Antworten wechseln sich Rückblicke auf die zwölf gemeinsamen Jahre mit hinreißend erzählten Momenten und skurrilen Begegnungen in der Gegenwart ab. Dabei lässt Konrad seinen verstorbenen Partner nicht nur in Rückblenden zu Wort kommen, sondern stellt sich auch immer wieder vor, was er ihm gerade sagen würde.
Er erzählt von Touristen aus aller Welt, die sich in der Gegend niedergelassen haben, von bisexuellen Cowboys und lesbischen Konservativen. Der Roman besticht durch seine vielen Charaktere, die witzigen Anekdoten und das facettenreiche Wissen um Geschichte und Gegenwart Siziliens, zu dem der Erzähler ein äußerst ambivalentes Verhältnis hat. Denn einerseits steht die Insel für faszinierende Natur, köstliches Essen und lebensfrohe Menschen, andererseits aber auch für Dürre, Müll, Verfall und Korruption. So schwankt der Roman zwischen Abschied und Neubeginn, zwischen tiefen Gefühlen und sommerlicher Leichtigkeit. Am Ende ist Konrads Erzählung auch eine Reise zu sich selbst und wie es weitergehen kann.
Adriano Sack, der selbst als Journalist bei einer großen deutschen Wochenzeitung arbeitet und einen erfolgreichen Blog über seinen Hund schreibt, legt mit Noto" ein lesenswertes literarisches Debüt vor, das von der ersten bis zur letzten Seite ebenso berührend wie unterhaltsam ist.
Adriano Sack. Noto. Nagel und Kimche Verlag 2024, 336 Seiten, 24 Euro.
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