Martin Schmidt ist durchtrainiert, sein Gesicht braun gebrannt. In einem ärmellosen Sporttrikot, einer langer Arbeitshose und Trekkingschuhen steht er vor einer riesigen trüben Pfütze und stößt wieder und wieder eine Schaufel in den lehmigen Boden. Mitten in einer sommerlichen Wiese am Rande von Rummelsberg unter gleißender Sommersonne schafft der Bildhauer gerade eine "Urkirche".

17 Meter lang und zehn Meter breit. Ein schlichter Halbkreis, die Apsis, schließt die Umrisse ab. Mit diesem Profil der "Urkirche" will der Bildhauer einen riesengroßen Stempel in die Landschaft pressen. In den Satelliten-Aufnahmen von Google Earth soll er dann zu sehen sei. Schmidt zeigt den Ausdruck einer Computersimulation: Begrünte Wälle in grüner Wiese.

 

Andachten im Freien

In diesen Umrissen werden eines Tages Andachten und Gottesdienste gefeiert. Von der Idee dieser offenen Kirche war Andrea Heußner aus dem Vorstand der Rummelsberger Diakonie gleich überzeugt. "Auch wir bauen an einer Kirche, die nicht fertig wird", zieht die Leiterin der Diakoninnengemeinschaft die Parallele zu dem schwitzenden Künstler, der ganz ohne Hilfe oder moderne Maschinen Schaufel für Schaufel das Erdreich verlagert.

Das erste Personal der christlichen Gemeinschaft waren wohl Diakone, meint Martin Schmidt. Sie sollen bereits beim Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern im Hintergrund gewirkt haben. Mit den Rummelsberger Diakonen hat Schmidt bereits 2009 Bekanntschaft gemacht. Damals schuf er für sie die moderne Version der "Sieben Werke der Barmherzigkeit": Übergroße Bleistiftzeichnungen, die moderne Symbole mit dem Gebot "Fremde beherbergen", "Kranke heilen" oder "Tote bestatten" verbinden.

Nun auf einer Anhöhe, etwa 250 Meter hinter den Häusern des Diakoniedorfs, legt Schmidt alle Erde, die er zwischen den gezogenen Grenzen ausgräbt, Schaufel für Schaufel auf einen Erdwall, der das Profil seines Kunstwerks bildet. "Ich bin gerne im Abseits", sagt er und stützt sich wie ein Landwirt auf seine Schaufel, "da müssen meine Werke aus der Natur nicht in Konkurrenz mit der Architektur treten."

Für dieses Kunstwerk musste der Münchner kein Material mitbringen. Er arbeitet mit dem, was in der Natur vorhanden ist und noch wachsen wird. Auf diese Weise hat Schmidt schon 2012 in Kalifornien eine Art Keltenschanze geschaffen, etwas breiter und höher als diese Kirche.

Mit Hilfe von Google Earth kann man sie auf dem Grundstück des Anti-Babypille-Erfinders, Schriftstellers und Kunstmäzens Carl Djerassi entdecken. Dort sieht Schmidts Werk bereits so aus "wie eine Ruine, ein Relikt aus alten Zeiten". Die Natur ist dabei, zurückzuerobern, was Schmidt aus ihr herausgeschnitten hat. Die Wurzeln der Pflanzen sind aber zugleich der Halt für den Bau.

Die Wälle der Urkirche sind nach knapp drei Wochen Arbeit bereits etwa einen Meter hoch. Aber vor einigen Tagen hat der Regen das Bauwerk erobert. Starke Niederschläge verwandelten das Innere des Raums in einen Teich. Schmidt kämpft gerade gegen eine schwer durchlässige Lehmschicht, die das Wasser gut hält. "Bin gespannt, was die Diakone sagen, wenn das so bleibt", nimmt der Künstler die unerwartete Schwierigkeit gelassen. Aber das Wasser sei "ja auch ein urchristliches Symbol".

Wenn Schmidt der Diakonenschaft die schlichte "Urkirche" übergibt, wird ein anderes christliches Zeichen fehlen: "Es wäre schön, wenn sie ohne Kreuz auskommen würden", wünscht sich der Künstler.

Aber er muss seine Arbeit schließlich nicht nur der Natur, sondern auch den Menschen überlassen.