Herr Niedecken, BAP stehen jetzt seit fast 50 Jahren auf der Bühne. Wie fühlt sich die aktuelle Phase an?
Wolfgang Niedecken: BAP hat ja auch eine lange Geschichte mit ganz vielen Besetzungswechseln, die alle ihren Grund hatten. Ungefähr vor zehn Jahren wurde mir immer klarer, dass je songdienlicher wir arbeiten, desto besser ist es für die Band. Wir hatten vorher so eine Phase in der Fünfer-Besetzung, in der wir den Wahn hatten, die kölschen Foo Fighters zu sein, was vollkommener Quatsch ist, da versteht kein Mensch mehr das, was ich singe. Das hat sich dann aber auch alles schön organisch entwickelt. Und dann spätestens, als unser jetziger Gitarrist Ulrich Rode dazu kam, wurde das Ding wirklich songdienlich. "Lass uns mehr rocken!" – Moment mal, das hört sich jetzt einfacher an als es ist.
Seit mittlerweile anderthalb Jahren sind Sie auf Tour mit Songs der klassischen Alben "Für Usszeschnigge" und "Vun drinnen noh drusse" aus den frühen 1980er-Jahren. Wie kam es dazu?
Die Idee zu dieser Tournee hat sich ganz organisch entwickelt, und zwar ausgehend von der vorigen Tournee zum "Alles fließt"-Album, die wir endlich nach der Pandemie spielen konnten. Wenn man sowas ein Jahr später nach dem Erscheinen eines Albums macht, dann hat man natürlich auch Angst. Denn so ein Album kann auch schal werden.
Und dann habe ich gesagt, wenn wir 30 Stücke in der Regel spielen, dann will ich als jedes dritte ein Stück vom neuen spielen. Das ist schon viel. Die Stones spielen von ihrem neuen Album auf einer Tour nur drei Songs, weil die Leute wollen natürlich auch was hören, was sie schon kennen. Deswegen haben wir immer zwischen diesen neuen Liedern Stücke gespielt, die garantiert jeder kennt. Hauptsächlich welche aus den 80ern, teilweise auch aus den 90ern, damit die Leute auch wieder die Kraft haben, aufmerksam zu sein bei neuen Songs. Das hat funktioniert.
Das Publikum ist demnach gut mitgegangen?
Gerade die Stücke von "Für Usszeschnigge" und "Vun drinnen noh drusse", die wir ewig nicht mehr gespielt haben, haben einen Effekt im Publikum ausgelöst. Da sind teilweise Freudentränen geflossen. "Wenn et Bedde sich lohne däät" oder "10. Juni" zum Beispiel. Wir dachten uns, sollen wir denen nicht mal den Gefallen tun, alle Stücke von diesen beiden Alben spielen?
Die Idee ist gereift. Und nach dem letzten Auftritt dieser Tour in Kiel habe ich das dann zuerst meiner Frau erzählt bei der Rückfahrt. Da gibt es natürlich auch Kontras. Kann natürlich auch sein, dass die Leute sagen "jetzt kommen sie mit dem alten Scheiß". Das musste dann durchgearbeitet werden, einen Monat lang habe ich daran rumgefeilt. Dann habe ich der Band mitgeteilt, dass ich gerne das machen würde und war sehr gespannt auf die Reaktionen.
Wie hat die Band reagiert?
Die schönste Reaktion kam eigentlich von unserem Schlagzeuger, der noch nicht geboren war, als diese Alben aufgenommen waren. Und der sagte nur drei Großbuchstaben und ein Ausrufezeichen, nämlich ein großes J und drei große As. Der hat sich weg gefreut, und bei den anderen war das dann ähnlich. Alle wollten es, und dann haben wir das erarbeitet. Dann kam allerdings die oberste Idee noch.
Nämlich?
Unser Tour-Veranstalter fragte, ob es dazu auch einen Tonträger gibt. Dann hatte ich die Idee, wir machen das Live-Album zur Tour vor der Tour. Als nächstes haben wir den Sartory in Köln für vier Tage angemietet. Die Konzerte waren in drei Stunden ausverkauft. Was ich dann dort erlebt habe, war auch neu. Ein riesen Familienfest, es war großartig! Die Leute, die vor 40 Jahren 16, 17 oder 18 Jahre alt waren, fühlten sich plötzlich wieder so jung wie damals. Dann sind wir mit dem Ding auch noch auf Platz 1 der Charts gegangen, vor Taylor Swift.
BAP kommen auf ihrer "Zeitreise"-Tour unter anderem am 2. Juli aufs Münchner Tollwood, am 6. Juli nach Rottendorf bei Würzburg und am 18. Juli auf die Kulmbacher Plassenburg.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden