Das Stadtarchiv Nürnberg hat eine Fotosammlung mit über einer Million Aufnahmen und sorgt mit Ausstellungen dafür, dass diese in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Kunsthistorikerin Ruth Bach-Damaskinos ist seit 2009 Sachgebietsleiterin für das Bild-, Film- und Tonarchiv am Stadtarchiv in Nürnberg. Im Interview spricht sie über den Reiz, in einem Archiv zu arbeiten – und die Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Das Stadtarchiv Nürnberg verfügt über eine ausgesprochen große Fotosammlung. Wie kam es dazu?

Bach-Damaskinos: Das hat historische Gründe. In der Stadtverwaltung wurde schon in den 1890er Jahren damit begonnen, das Bauwesen fotografisch zu dokumentieren. Diese Bilder wurden beim Hochbauamt gesammelt. Teilweise arbeiteten dort drei bis vier Fotografen und es gab ein eigenes Fotolabor. Als der Bereich 1994 aufgelöst wurde, ging die Fotosammlung an das Stadtarchiv Nürnberg.

Wie hat sich die Arbeit in den Archiven mit Blick auf die Digitalisierung verändert?

Bach-Damaskinos: Das ist ein wichtiges Thema, denn nicht nur Bilder, sondern auch die Schriftquellen werden für die Langzeitarchivierung digitalisiert. Wir haben hier im Archiv einen eigenen Fachbereich, der sich nur mit der Thematik Digitalisierung auseinandersetzt. Inzwischen liegen viele Dokumente und Bilder nur noch digital vor. Wir bemühen uns darum, das analoge Material zu digitalisieren. Das ist nicht ganz einfach, denn wir haben ja auch Material wie Glasplatten-Negative, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Arbeitet das Stadtarchiv mit Fotografinnen und Fotografen zusammen? Oder was sammeln Sie?

Bach-Damaskinos: Wir haben eine eigene Fotowerkstatt am Stadtarchiv. Unsere Deren Hauptaufgabe besteht in der Digitalisierung und Langzeitarchivierung und in der Bearbeitung von Kunden-Aufträgen. Aber die Fotografen betreiben auch Stadtbild-Fotografie, das heißt, sie gehen hinaus und fotografieren Veränderungen im Stadtbild. Wir beobachten, was sich in der Stadt verändert, werten dazu Zeitungen aus und machen dann unsere Kollegen darauf aufmerksam, und dann dokumentieren die Kollegen das fotografisch.

Kaufen Sie auch Bilder an?

Bach-Damaskinos: Es kommen auch Fotografen auf uns zu und fragen, ob wir Interesse haben, ihr Archiv oder einzelne Arbeiten anzukaufen. Und wir arbeiten mit Amateurfotografen zusammen, so beispielsweise mit Claus Baierwaldes, der die Architektur der 1950er und 1960er Jahre dokumentiert und uns seine Bilder übergeben hat. Was den Ankauf anbetrifft, sind wir stark von unserem Etat abhängig. Das heißt, ich kann nicht immer so ankaufen, wie ich mir das vorstelle.

Bach-Damaskinos
Ruth Bach-Damaskinos hat die Sachgebietsleitung Audiovisuelle Bestände im Nürnberger Stadtarchiv.

Was bereitet Ihnen besondere Freude?

Bach-Damaskinos: Sehr schön ist die Arbeit mit den Bildern. Als Kunsthistorikerin ist es toll, wenn ich einen Bestand erschließen kann. Da muss ich recherchieren: "Was ist da dargestellt, woher kommt das?” und so weiter. Besonders bei historischen Fotografien aus dem 19. Jahrhundert ist das sehr attraktiv. Toll ist auch, wenn man Ausstellungen vorbereitet. Wir machen jedes Jahr eine Sonderausstellung im Handwerkerhof, wo wir versuchen, die Stadtbevölkerung und das touristische Publikum, anzusprechen. Das macht Spaß. Und Spaß macht es auch, bei Auktionen Material anzukaufen. Insgesamt ist die Arbeit sehr vielfältig, und das bereitet mir einfach Freude, Tag für Tag.

Warum kommen die Benutzer in Ihr Archiv?

Bach-Damaskinos: Zu uns kommen Personen aus Wissenschaft, aus der Studentenschaft oder auch Schülerschaft in den Lesesaal und möchten Material einsehen. Sie brauchen das für ihre Seminare oder den Geschichtsunterricht. Dann kommen Personen aus der Bauverwaltung oder Notare, die wegen der Denkmalpflege oder wegen Nachlässen recherchieren. Oder es kommen Journalisten. Viele bestellen dann Akten und bestellen Digitalisate.

Wie ordnen Sie das Material?

Bach-Damaskinos: Es gibt eine eigene Archiv-Tektonik mit verschiedenen Bestandsgruppen. Fotografien gehören meistens in die Bestandsgruppe "A – Sammlungen und Selekte” Die Bestandsgruppe E umfasst Nachlässe, Abgaben von Vereinen und Firmen

Innerhalb der Bestandsgruppe gibt es dann Nummern. Unter "A 65" befindet sich das Werk des Fotografen Ray D’Addario. Das war ein Journalist, der mit der US Army 45 nach Nürnberg kam und bis 1947-48 die Kriegsverbrecherprozesse und Nachfolgeprozesse dokumentiert hat. In seiner Freizeit hat er und das zerstörte Nürnberg fotografiert hat. Und im Bestand "A 38" befinden sich Fotografien aus dem Hochbauamt, und zwar die Glasplatten-Negative, die zwischen 1890 bis ungefähr 1970 im Einsatz waren.

Die Nutzer können in unserer Datenbank recherchieren, nach einem Schlagwort-System, nach Orten, Sachverhalten, Personen, Ereignissen, Veranstaltungen.

Wie stark werden die digitalisierten Bilder bearbeitet?

Bach-Damaskinos: Die Bildbearbeitung ist ein wichtiges Thema. Wir bearbeiten die Bilder auch und versuchen etwa bei verschmutzten Dias die Farbigkeit wiederherzustellen oder bei einem Glasplatten-Negativ mit einem Sprung diesen Strich zu retuschieren.

Waren Sie schon mit Fake-Bildern konfrontiert?

Bach-Damaskinos: Das ist eher ein Problem, mit dem der Journalismus zu tun hat oder die Bildagenturen. Ich glaube nicht, dass uns schon Fake-Bilder angeboten wurden, denn wir haben Interesse an topographischen Aufnahmen, Architektur oder Aufnahmen von Großveranstaltungen und wichtigen Ereignissen in der Geschichte Nürnbergs.

Wie finanziert sich das Stadtarchiv?

Bach-Damaskinos: Wir sind eine kommunale Einrichtung, und eine Dienststelle der Stadt Nürnberg. Natürlich müssen wir wirtschaftlich arbeiten und dürfen unseren Etat nicht überschreiten. Und wir generieren Einnahmen für die Digitalisierung und Bereitstellung von Fotos. Da sind wir aber eingeschränkt. So entfallen diese Gebühren meistens, wenn das Material für die Wissenschaft oder für eine Ausstellung genutzt wird.

Kommerzielle Unternehmen wie eine Zeitung müssen für den Abdruck eines Fotos bezahlen, unsere Gebührenordnung legt fest, wie hoch die Kosten je nach Auflage sind. Gemeinnützige Vereine, wie beispielsweise ein Geschichtsverein, müssen in der Regel nichts zahlen.

Stadtarchiv Nürnberg
Digitalisierungsarbeiten am Scanner in der Fotowerkstatt.
Unterlagen aus dem Bild-, Film- und Tonarchiv.
Unterlagen aus dem Bild-, Film- und Tonarchiv.
Blick in die Kühlkammer, in der die Glasplattennegative aufbewahrt werden
Blick in die Kühlkammer, in der die Glasplattennegative aufbewahrt werden
Die Norishalle, Sitz des Stadtarchivs Nürnberg
Die Norishalle, Sitz des Stadtarchivs Nürnberg.

Hintergrund: Wie kann ich in einem Archiv arbeiten?

Für die Arbeit in einem Archiv gibt es eine besondere Ausbildung auf drei verschiedenen Ebenen.

  • Und zwar einmal gibt es den sogenannten "Fami", den Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, dafür muss eine dreijährige Ausbildung durchlaufen werden. Voraussetzung ist mindestens der Hauptschulabschluss. In der Regel sind es aber Personen mit Mittlerer Reife, manchmal auch mit Fachhochschulreife oder Abitur.
  • Dann gibt es den Beamten im gehobenen Archiv-Dienst. Die Voraussetzung für diese Ausbildung ist das Fachabitur oder Abitur.
  • Und schließlich gibt es den wissenschaftlichen Archivar. Der wissenschaftliche Archivar hat ein Studium der Geschichte abgeschlossen, in der Regel mit Promotion und macht dann ein zweijähriges Referendariat im höheren Dienst , an einer Archiv-Schule.

Das Stadtarchiv Nürnberg

Das Bild-, Film- und Tonarchiv im Stadtarchiv Nürnberg verwahrt schätzungsweise über eine Million Fotos (Fotoplatten und Negative, Dias, historische und moderne Abzüge sowie Digitalaufnahmen) aus der Zeit von ca. 1860 bis in die unmittelbare Gegenwart.

Bild-, Film- und Tonarchiv

Telefon 09 11 / 2 31 - 42 66 oder - 86 44

Link zum Archiv.

Ausstellungsprojekt Rainer Fechter

Der Text entstand im Rahmen des Seminars "Lernagentur Pressefotografie" mit Kuratorin Dr. Rieke C. Harmsen im Masterstudiengang Medien-Ethik-Religion an der FAU Erlangen. Mehr zum Ausstellungsprojekt gibt es unter diesem Link auf der Plattform Visual History.

Ausstellung: Pressefotografie in Franken – Hans-Rainer Fechter

Hans-Rainer Fechter, 1942 geboren, hat viele Jahre in der Metropolregion Nürnberg als Pressefotograf für die Nürnberger Nachrichten, das Sonntagsblatt und den Evangelischen Pressedienst (epd) gearbeitet. Mit seiner Kamera fotografierte er Land und Leute in Nürnberg und Umgebung.

Die Ausstellung: "Hans-Rainer Fechter - Pressefotografie in Franken" im BIBEL MUSEUM BAYERN ist die erste große Schau, die sich der jüngeren Geschichte der Pressefotografie in Nürnberg widmet. Die Ausstellung präsentiert einen Überblick über das Werk von Hans-Rainer Fechter und gibt Einblick in die journalistische Pressefotografie in Nürnberg und Umgebung. Sie präsentiert die wichtigsten Themen des Fotografen - und dokumentiert zugleich den Wandel der Technologie, des Berufsstandes und der Medienbranche. 

Eröffnet wird die Sonderausstellung am Dienstag, 11. Juli um 18 Uhr im BIBEL MUSEUM BAYERN in Nürnberg. Sie ist von 12. Juli bis Mittwoch, 20. September 2023 zu sehen. Um eine schriftliche Anmeldung wird gebeten: ausstellungen@epv.de.

Der Flyer zur Ausstellungseröffnung kann als PDF hier heruntergeladen werden.

Die Plakat-Ausstellung kann ausgeliehen werden. Hier gibt es weitere Informationen.