Homeoffice, kleine Kinder und Corona: die Mischung ist so empfindlich wie ein Päckchen TNT. Und wenn Telefonkonferenzen und Abgabefristen zwei Stunden konzentriertes Arbeiten erfordern, dann parke sogar ich entgegen jeden besseren Wissens meine Kids vor der Glotze.

Was danach passiert, weiß ich genau: Die Fünfjährige schaut mit glasigen Augen und roten Backen durch mich hindurch; ihr großer Bruder lässt die geballte Energie eines Achtjährigen an Sofa, Türen und meinem Trommelfell aus.

Wir müssen raus. Nur wohin? Innenminister Joachim Herrmann hat – angesichts ausflugsverdächtiger Temperaturen  – großzügig einen „Spaziergang auf einem einsamen Waldweg“ empfohlen.

Einsame Waldwege? Fehlanzeige!

Ich weiß ja nicht, wo der Herr Herrmann wohnt. Aber hier in München-Moosach gibt es keine einsamen Waldwege. Im Olympiapark versuchen Hundebesitzer, Joggerinnen und Familien mit Kindern auf Laufrad, Inlinern und Skateboards krampfhaft, in Zwei-Meter-Schlangenlinien umeinander herumzukurven. Funktioniert nur begrenzt.

Dann eben das Brachland erobern. Meinen ursprünglich anvisierten Geheimplatz an den Gleisen des Güterbahnhofs kennen aber auch schon ziemlich viele Leute: Nur am Vormittag hat man hier Chancen auf gefühlte Einsamkeit. 

Bleibt nur das Gestrüpp hinterm Haus, ein unromantisches Stückchen Wildnis neben der Stadtautobahn, durchsetzt von leeren Chipstüten, alten Klamotten, Eisenteilen und Glasscherben. Hier schlagen wir uns ins Gebüsch, meine Kinder und ich.

Indianerlager neben der Schnellstraße

Wir haben eine Hütte gebaut aus morschen Ästen, das ist unser Lager. Wir schnitzen Pfeile und gehen mit Luftbögen auf Bisonjagd. Wir kämpfen gegen unsere Feinde, die Krähenfüße, und wir zähmen Schneeeulen und Adler. Wir machen Heilsalbe und kochen Blättersuppe und wärmen uns nachts in unserem Bett aus Moos und trockenen Zweigen. Meine Kinder heißen schneller Puma und flinkes Wiesel, und ich bin Häuptling komischer Kauz. 

Manchmal beobachten wir ein Eichhörnchen in unserer Wildnis, und vom Aussichtsberg sehen wir die Mustangherden ziehen. Die Blätter werden grün in unserem Wald. Den Kindern genügt´s, sie sind glücklich in ihrem kleinen, wilden, einsamen Reich.

Und auch wenn nebenan die LKW donnern und meine Füße durch altes Laub und Müll rascheln, denk ich mir: Gut. Die Sonne kommt durch, und der Himmel ist blau, und ja, es wird Frühling. Anders als sonst. Vielleicht nicht schlechter.