Anfangs hatten die Kinder Tränen der Enttäuschung in den Augen, erinnert sich Dario Fontanella: Der Kellner brachte ihnen statt des erhofften Eisbechers scheinbar einen Teller Spaghetti mit Tomatensauce. Täuschend echt sah das vom damals 17-jährigen Fontanella kreierte Spaghetti-Eis aus. Serviert wurde es erstmals vor 50 Jahren in der Mannheimer Eisdiele seines Vaters.

Wie ein Original-Spaghetti-Eis geht, demonstrierte Fontanella im vergangenen Sommer beim Bürgerfest des Bundespräsidenten in Berlin und immer wieder in einem seiner zwei Cafés: Der 67-Jährige nimmt die Presse in seine Hände, drückt kraftvoll und präzise einen Berg langer, blassgelber Eisnudeln auf den weißen Teller, auf dem bereits ein Häufchen Sahne liegt. In einem elegantem Schwung verteilt er die tomatenrote Erdbeersoße und garniert alles mit einem Löffel weißer Schokostückchen.

Damals, im Frühjahr 1969, ahnte niemand, dass seine Erfindung zu einem Lieblingseis der Deutschen werden würde. Rund 25 Millionen Mal jährlich gehe die berühmte Köstlichkeit über die Tresen der Eiscafés von Bremerhaven bis Konstanz, so erzählt es Fontanella, während er die frisch gestärkte weiße Servicejacke anzieht.

Erst war es eine wenig appetitliche Eissoße

Die Idee bekam er in Italien, wo er beim Skifahren die italienische Nachspeise "Mont Blanc" kostete. Dafür wird Esskastanienpüree durch eine Kartoffelpresse gedrückt und mit Puderzucker verziert. Fasziniert von dem luftig-leichten Dessert, probierte das er kurzerhand in den Osterferien 1969 mit Eis. Seine ersten Versuche in der Eisdiele seines Vaters in Mannheim sollten die Farben der italienischen Flagge aufnehmen, mit Pistazien-, Zitronen- und Erdbeereis. Doch sie scheiterten, wie er sich erinnert: Es entstand eine wenig appetitliche Eissoße.

Besser funktionierte es, nachdem er seine schwäbische Spätzlepresse - mit Geld von der Oma gekauft - vorher kurz in den Gefrierschrank legte und dem Tipp seines Vaters folgte: "Niemand hat jemals bunte Spaghetti gesehen." Fontanella nahm also Vanilleeis und garnierte die hellen Eis-Schnürchen mit Erdbeersauce. Fehlte nur noch der "Parmesan", den er mit einer Parmesanreibe kurzerhand von einem weiß-braunen Schokoladen-Osterei raspelte.

"Ich wusste, ich habe etwas ganz Besonderes geschaffen", erzählt Fontanella, noch heute ist er stolz. Strahlend erinnert er sich, wie sein Vater ihm erlaubte, die Eiskreation per Hand und mit Lineal auf die Speisekarten zu schreiben: "Neu: Spaghetti-Eis 2,80 Mark." Weil immer mehr Gäste eine Portion Sahne dazu bestellten, entschied sich Fontanella, die Sahne unter die Eis-Spaghetti zu setzen: "Das sieht optisch viel besser aus".  

"die genialste Idee meines Lebens"

Nachdem sich der Absatz seines Vanilleeises binnen kürzester Zeit vervielfachte, berichtete der Vater stolz Kollegen von der Erfindung des Sohnes. "Es war die genialste Idee meines Lebens", sagt Fontanella, der es manchmal noch bereut, dass er seine Erfindung nicht patentieren ließ. Sein Vater und ein befreundeter Anwalt hatten abgeraten. Sie zweifelten daran, dass seine Idee patentierbar wäre und wollte dafür kein Geld ausgeben.

Damals ahnte niemand, dass seine Erfindung innerhalb weniger Jahre nicht nur Eisdielen in Deutschland erobern, sondern auch in Italien, dem Mutterland des "Gelato", und sogar in den USA auf Eiskarten landen würde. Und wer weiß, meint Fontanella nachdenklich, ob seine Erfindung des Spaghetti-Eises nicht gerade wegen des Patentverzichts so beliebt geworden sei.

Fontanella ist stolz auf seinen Beruf, will seine Produkte immer besser machen und getreu des Qualitäts-Anspruchs seines Großvaters nur hochwertiges Eis herstellen. Mittlerweile beliefert er auch Sterneköche und regionale Supermärkte. Vor zehn Jahren hat er den staatlich anerkannten Beruf des Speiseeisherstellers mitentwickelt. In einer dreijährigen Ausbildung wird gelernt, wie aus Milch, Sahne, Zucker, Früchten oder Nüssen Eis entsteht.

neue Sorte: Ökumene-Eis

Mit italienischem Temperament und deutscher Genauigkeit entwickelt er immer wieder neue Sorten in seiner Eismanufaktur. Zum regionalen kirchlichen Ökumenetag 2017 kreierte der Katholik ein "Ökumene-Eis", das sensorisch das Abendmahl darstellen sollte: Milcheis mit gerösteten Brioche-Stückchen verbindet sich hier mit einem fruchtigen Sorbet aus Rieslingtrauben.

In seiner Mannheimer Eisdiele gehen neben den beliebten Klassikern wie Vanille, Erdbeer oder Schokolade mittlerweile auch ausgefallene Eiskreationen mit Gemüse über die Theke: Karotte-Orange, Himbeer-Paprika oder Zitrone-Gurke-Dill - nicht durch die Presse gedrückt, sondern ganz klassisch serviert als Kugel im Becher oder in der Waffel.