Wer glaubt, die Bibel muss ein dicker Schmöker sein, der irrt. Denn Ingenieur Stephan Sauter packt das mehr als 1.000-seitige Buch auf einen 4 x 4 Millimeter kleinen Chip. Eingepasst in ein Schmuckstück kann man die Heilige Schrift so problemlos um den Hals tragen - und mit einem passenden Mikroskop sogar lesen.

Bibel nur unter dem Mikroskop lesbar 

"Und, können Sie etwas erkennen?", fragt der 44-jährige Doktor der Mikroelektronik. In seiner Stimme liegt Triumph, er weiß genau, welche Faszination ein Blick durch sein Mikroskop auslöst. Und tatsächlich: Wo das bloße Auge nicht mehr als eine glatte graue Oberfläche erkennt, tut sich mithilfe optischer Vergrößerung Unglaubliches auf: 1200 Seiten sind da neben- und untereinander abgebildet, 738.765 Wörter, 4,4 Millionen Zeichen. Und jedes einzelne lesbar.

Dennoch: Zur regelmäßigen Bibellektüre ist Sauters Schmuckstück kaum gedacht. Ein Buchstabe ist einen tausendstel Millimeter klein. Und wer hat schon ein Mikroskop mit 1.500-facher Vergrößerung dabei? Beim Kauf gibt der Lindauer Ingenieur zwar eine Lupe dazu, die 60-fach vergrößert. Doch das reicht gerade, um die einzelnen Seiten zu erkennen, und den Titel. "Aber ums Lesen geht es ja nicht, sondern ums Wissen, die ganze Bibel immer dabei zu haben", sagt Sauter. Der dunkelhaarige Mann vergleicht seine Lutherbibeln mit einem Diamanten: "Da erkennt man auch mit bloßem Auge nicht, dass er echt ist - fürs gute Gefühl reicht aber, es zu wissen."

Sauter: "Meine Bibeln überleben alles"

Angefangen hat Sauters Leidenschaft für winzige Botschaften während seines Studiums. "Da haben wir immer auf Schaltkreise heimlich unsere Namen dazugeschrieben", grinst er.    

Immer weiter trieb er die Ingenieursspielereien fort, schrieb seine gesamte Doktorarbeit auf einen Chip und ließ ihn in einen Ring einfassen. "Das war die Ursprungsidee", sagt er.

Doch als Prinzip und Methode einmal gefunden sind, lässt der Geschäftsmann seiner Fantasie freien Lauf: Er graviert nicht nur Abschlussarbeiten, sondern auch Fotos, persönliche Botschaften, die Sixtinische Kapelle, Albert Einsteins Konterfei plus Relativitätstheorie, die Weltkarte und mehr.

Zwangsläufig muss irgendwann auch die Bibel dran glauben. "Sie ist das Buch mit der größten Auflage weltweit", sagt Sauter. "Sie ist prädestiniert dafür, für die Ewigkeit festgehalten zu werden." Denn: "Meine Bibeln überleben alles", gibt sich der Ingenieur, der sich selbst bezeichnet als "Christ, aber nicht übertrieben gläubig", überzeugt. Ob Feuer, Hochwasser oder mechanische Gewalt: Seine Nanochips seien unzerstörbar. "Und was gibt es Besseres, als Texte für die Ewigkeit auf Material für die Ewigkeit zu bannen?"

Nano-Bibel als Schmuckstück

Herstellen lässt Sauter seine winzigen Bibeln von raumgroßen Maschinen, die sonst Teile für Mikrochips produzieren. "Jetzt kommt der wieder", schütteln die Menschen dort den Kopf, wenn er alle paar Wochen seine "Bildchen" vorbeibringt. Im Vakuum schreibt dann ein Elektronenstrahl jeden Buchstaben einzeln auf einen 4 x 4 mm kleinen Chip. Nach einer halben Stunde ist eine Bibel fertig.

Mittlerweile bietet Sauter die Texte in puristischem Kreuzschmuck aus Titan auch auf Russisch, Chinesisch und Latein an. Sie kosten etwa 200 Euro. Auch den Koran hat er auf einen Chip gebannt - der ist sogar nur 2 x 2 mm klein.

Auch Johannes Friedrich, ehemaliger bayerischer Landesbischof und Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft (DBG), kennt Sauters Bibeln. "Ich finde das eine schöne Idee", sagt er. "Es ist beeindruckend, dass biblischer Text auf so engem Raum stehen kann." Trotzdem hat die Bibelgesellschaft abgelehnt, das Produkt zu vertreiben. "Es ist in erster Linie ein Schmuckstück, die Lesbarkeit steht nicht im Vordergrund", erklärt der ehemalige Bischof. Für die DBG sei die Nanobibel deshalb "kein geeignetes Produkt".

Bibel in der Größe eines Sandkorns

Vor einigen Jahren sorgte eine noch kleinere Bibel für Aufsehen. Israels Staatspräsident Schimon Peres schenkte Papst Benedikt XVI. eine sandkornkleine Bibel, die nur mit einem Elektronenmikroskop gelesen werden kann.

Für Sauter jedoch zählt die nicht: "Mir geht es darum, die kleinste Bibel zu haben, die man noch optisch auslesen kann, also nur mit dem Augenlicht." Er kenne sogar Bibeln in atomarer Größe. "Aber wirklich, das kann keiner mehr nachprüfen", schüttelt er den Kopf. "Späteren Generationen bleibt ihr Text ohne die passenden Auslesegeräte immer verborgen. Optische Lupen und Mikroskope dagegen wird es immer geben."