»Über den Tod spricht man mit Freunden nicht, deshalb habe ich mich für dieses Seminar entschieden.« Nina Golbs ist 17 Jahre alt und besucht die Q12 am Walter-Gropius-Gymnasium in Selb. Gegen Ende der zehnten Klasse, als sie die Abiturfächer wählte, standen auch die Themen für die wissenschaftlichen Seminare zur Auswahl. Die Abiturientin trug sich für ein Seminar im Leitfach Religion ein.
Pfarrerin Andrea Münster unterrichtet am Selber Gymnasium und begleitet den Kurs, der intensiv den Tod und das Sterben untersucht. »Wenn wir an die Grenzen gehen« lautet der Titel, und darunter wollen auch Paul Reisenleiter und Leopold Sandner erste wissenschaftliche Arbeiten nachweisen.
Am Ambo übers Sterben reden
Am Tag des Friedhofs, der in Selb anlässlich der Einweihung der Krypta und des Abschiednahmeraums Anfang Oktober begangen wurde, beeindruckten die Gymnasiasten mit den Referaten an ungewöhnlicher Stelle. Am Ambo in der Gottesackerkirche stand Leopold Sandner und beleuchtete den Zeitpunkt des Sterbens aus medizinischer Perspektive. Kritisch steht er der Organspende gegenüber. Aus Sicht der Kirche sei Organspende ein Zeichen der Nächstenliebe und der Solidarität mit Kranken und Leidenden. »Das ist ein klares Statement der Kirche, das ich differenziert sehen möchte«, betonte er. Seiner Ansicht nach ist ein hirntoter Patient noch kein ganz toter Mensch. »Wenn Organe noch am Leben sind, habe ich einen lebendigen, aber in seinen Möglichkeiten sehr eingeschränkten Menschen vor mir.« Wer also lebende Organe entnimmt, greift nach den Worten des Abiturienten aktiv in den Sterbeprozess ein. Er wirbt deshalb für ein besseres Informationsangebot, damit sich jeder rechtzeitig in seinem Leben mit dem Thema befassen kann. Sandner hat sich während der Schulzeit eingehend damit beschäftigt. Mit dem Ergebnis, nicht ausschließen zu wollen, selbst Organe zu spenden. »Ich würde das aber nicht in jedem Fall tun.«
Das ägyptische Altertum mit all seinen Facetten ist das Steckenpferd von Nina Golbs. Ihre Seminararbeit über den Totenkult unter Pharaonen trug sie am Rednerpult in der Leichenhalle vor. Neben einem mit Blumen geschmückten Sarg, freilich als Muster und zur Werbung für ein ortsansässiges Bestattungsinstitut und Floristik-Fachgeschäft.
»Die Ägypter sollten ein Musterbeispiel für unsere Generation sein, denn der Tod war bei ihnen kein Tabuthema, sondern ein großes, freudiges Fest«, betonte Nina Golbs und beeindruckte durch freie Rede über ein Thema, das ihr offensichtlich zu Herzen geht. Den Tod als ein Geschenk betrachten zu können, als eine Reise in eine andere Welt und einen Zustand, den man feiern kann, habe in ihren Augen etwas sehr Tröstliches. »Wenn ich weiß, dass es dem Verstorbenen nach seinem Tod gut geht und ich mit den Menschen, die ich liebe, wieder zusammen sein kann, dann muss ich vor dem Tod keine Angst haben.«
Tod in antiken Kulturen
Die Vorstellungen vom Tod in antiken Kulturen, beispielsweise bei Etruskern und Griechen, schilderte Paul Reisenleiter im Krematorium. Neben einer Urnenausstellung und der Atmosphäre, ähnlich gestaltet wie zu einer Trauerfeier, zog er Parallelen zur heutigen Praxis, erläuterte Gedanken zum Gericht und zeigte Unterschiede zum Christentum auf.
Am Tag des Friedhofs in Selb nutzten zahlreiche Besucher die Führungen durch das Krematorium und die außergewöhnliche Umgebung neben der Anlage zur Einäscherung, um Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen. Ein Spaziergang zu den Gräbern der Familien der Porzellandynastie erinnerte an eine blühende Epoche der Porzellanstadt. Interessiert wurde auch die Vorführung der Grabmachertechnik mit Gerät auf dem Gelände verfolgt.
Der Referent auf dem Soldatenfriedhof deutete die Kriegsgräberstätte als Mahnmal zur Versöhnung. »Nirgendwo kommt man dem Tod auf dem Schlachtfeld so nahe wie hier.« Seinen Ausführungen nach liegen 1,8 Millionen deutsche und ausländische Soldaten in Grabstätten, die vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, in Selb auch von der Reservistenkameradschaft Selb-Erkersreuth, ehrenamtlich gepflegt werden. Etwa 1,4 Millionen weitere Grabmitteilungen werden in den kommenden Jahren von den russischen Behörden erwartet.