Der Anfang ist vielversprechend: Armin Rohde lässt’s krachen als Super-Tetzel (der hier Hartmann heißt, weil der historische Tetzel schon 1519 starb, aber ein Ablass-Bösewicht für die Dauer des Films gebraucht wird). Ein sehenswertes katholisches Angsttheater zieht der Rohde-Tetzel ab, ein Gruselspektakel mit mächtigen Showeffekten, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

 

Kollektive religiöse Angstneurose herrscht im Deutschland vor der Reformation. Mit der Reformation wird’s besser, aber der Preis ist hoch.

Das ist die Geschichte, die die ZDF-Produktion "Zwischen Himmel und Hölle" erzählen will. Sie spannt dazu den Wittenberger Professoren-Reformator Martin Luther mit dem Unterfranken Andreas Bodenstein ("Karlstadt") und vor allem mit dem Frührevolutionär Thomas Müntzer zu einem fiktiven Kumpeltrio der Reformation zusammen. Alle drei scheitern – auf jeweils unterschiedliche Weise. Und der Film scheitert mit.

ZDF-Film zur Reformation: "Luther, Luther, immer Luther!"

Von der tragischen Geschichte der Müntzer-Ehefrau Ottilie von Gersen weiß man wenig. Aus einer Luther-Notiz schließen Historiker, dass die ehemalige Nonne, schwanger mit Müntzers Kind, im Bauernkrieg 1525 von einem Landsknecht vergewaltigt wurde. Danach verliert sich ihre historische Spur. In "Zwischen Himmel und Hölle" ist Ottilie (Aylin Tezel) fürs Programmatische zuständig: In Cranachs Druckerei bekommt sie einen Schreikrampf: "Luther, Luther, immer Luther! Ist Müntzer gar nichts wert? Auch Müntzer ist ein Reformator. Wir sind viele!" Christoph-Maria Herbst darf darauf als Stromberg-Cranach erwidern: "Und dennoch ist nur Platz für einen in den Büchern."

Professor Luther (Maxi Brückner) betet vor einem Rugby-Spiel im Schlamm der Universitätsstadt Wittenberg.
Professor Luther (Maxi Brückner) betet vor einem Rugby-Spiel im Schlamm der Universitätsstadt Wittenberg.
Der Uni-Pedell schlägt Luthers Thesen an die Tür der Schlosskirche an.
Der Uni-Pedell schlägt Luthers Thesen an die Tür der Schlosskirche an. Die Entscheidung zur Veröffentlichung hat aber nicht Luther getroffen, sondern die »Politik«: Georg Spalatin als Berater und sein Kurfürst Friedrich.
Thomas Müntzer (Jan Krauter) und Ottilie von Gersen (Aylin Tezel).
An Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein und dem »linken Flügel der Reformation« hat der evangelische Mainstream seit Luther einiges gutzumachen: Müntzer (Jan Krauter) predigte auf Deutsch und ließ im Gottesdienst deutsche Lieder singen, bevor Luther das tat. Und er heiratete mit Ottilie (Aylin Tezel) eine entflohene Nonne, Luther tat es ihm nach.
»Zwischen Himmel und Hölle«: Maximilian Brückner als Martin Luther.
Freudloser Rückzug hinter Kirchenmauern: Maximilian Brückner als zwar sprachmächtiges, aber eitles und zaghaftes, politisierendes Luther-Männchen.
»Zwischen Himmel und Hölle«: Müntzers Ende im Bauernkrieg und nach der Schlacht am Weißen Berg bei Frankenhausen.
Bauernkrieg mit 30 Protagonisten: Müntzers Ende im Bauernkrieg und nach der Schlacht am Weißen Berg bei Frankenhausen.

Bevor’s ins abschließende Gemetzel von Frankenhausen geht, stößt "Otti" dann noch den Stoßseufzer aller säkular-individualistischen Gegenwartsmenschen aus, die das ganze Gedöns mit der Kirche schon lange nicht mehr verstehen:

"Was, wenn der Mensch frei von Religion wär? Wenn der Glaube nur eine ganz persönliche Frage wär?"

Das Beispiel zeigt, wie der Film den historischen Gestalten in unfairer Weise heutige Qualen mit dem Thema überstülpt. Statt die Grundfragen der ersten Reformationsjahre klarer zu machen, liefert er Geschichtsklitterung. Im Kontrast mit dem sympathisch-radikalen Müntzer (Jan Krauter), der ernst macht mit dem Projekt der Befreiung aller Menschen, erscheint der vom Oberbayern Maximilian Brückner gespielte Luther als verachtenswerter Zauderer und Abwäger, zugleich Spielball der hohen Politik und selbst taktierender "Politiker".

"Schieflage zuungunsten des Wittenbergers"

Als historischen Berater hat die Produktion (gedreht wurde in Tschechien) den Historiker Heinz Schilling gewonnen. Er ist Autor der derzeit wohl besten Lutherbiografie, aber auch für ihn heiligt der Zweck die filmischen Mittel: Er gesteht selbst, der Film habe "eine gewisse Schieflage zuungunsten des Wittenbergers". Doch: "Das gleicht die Ungerechtigkeit des Reformationsjubiläums aus", das allen Glanz auf Luther fallen lasse, "während seine Gegner und unter ihnen vor allem Thomas Müntzer den Part des bösen Buben erhalten."

Freilich, es stimmt: An Müntzer, Bodenstein und dem "linken Flügel der Reformation" hat der evangelische Mainstream seit Luther einiges gutzumachen. Thomas Müntzer predigte auf Deutsch und ließ im Gottesdienst deutsche Lieder singen, bevor Luther das tat. Aber muss man das ausgerechnet mit dem Paul-Gerhardt-Lied "Geh aus, mein Herz ..." zu zeigen versuchen, das über 130 Jahre später entstand?

Und ja, Müntzer heiratete mit seiner Ottilie eine entflohene Nonne. Luther tat es ihm nach. Aber ist deswegen Luthers Verbindung mit Katharina ein freudloser, taktisch motivierter Rückzug hinter die Kirchenmauern gewesen, wie es der Film ganz zum Schluss suggeriert? Dieses letzte Bild soll der Zuschauer vermutlich kirchenkritisch auf die Gegenwart hin lesen.

Zwischen Himmel und Hölle: Luther-Männchen mit starken Gegenspielern

Überhaupt arbeitet sich der Film zwar ab an religions-, sozial- oder wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen der Reformationszeit; man muss sie allerdings kennen, um die Behauptungen des Films richtig einordnen zu können. Dass das Historienmachwerk oft eher bescheiden ausgestattet ist, fällt deswegen umso mehr auf. Ein Haufen von 30 Bauern macht einen Bauernkrieg nicht wirklich anschaulich.

Viel ist in "Zwischen Himmel und Hölle" vom Glauben die Rede. Nur nicht so recht: ­woran. Reformation ist hier: irgendwas mit Freiheit. Freiheit wozu? Zum Geldverdienen für die Unternehmer (Fugger). Zur Mehrung politischer Macht (die Fürsten mit Friedrich von Sachsen vorneweg). Freiheit wovon? Von der Leibeigenschaft und Ausbeutung (Müntzer und die Bauern). Von der Angst und der Macht der Klöster. Von der Herrschaft der Männer über Frauen (Ottilie, aber auch Barbara Cranach).

Ein schwaches Luther-Männchen hat in diesem Rahmen starke Gegenspieler, zum Beispiel den schauspielerisch überzeugenden Joachim Król als Albrecht von Brandenburg. "Dieser Hitzkopf ist das Beste, was uns passieren konnte", sagt der über Müntzer, "so frech, so frank, so frei, so gierig in seinem Hunger nach Gerechtigkeit. Der wird diese ganze evangelische Freiheit auffressen. Gebt ihm seine kleine Kirche zurück und ein Jahr Zeit, und er wird Luther ad absurdum führen."

Dem ZDF gelingt das in nicht einmal drei Stunden.

 

"Zwischen Himmel und Hölle": Montag, 30. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF