Der evangelische bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hat die Menschen zum Zusammenleben und Zusammenwachsen über nationale, kulturelle oder religiöse Hintergründe hinweg aufgefordert. Im Münchner Liebfrauendom sagte er zur bundesweiten Eröffnung der Interkulturellen Woche in seiner Predigt, es reiche nicht aus, "Spaltungen zu beklagen, Egoismen anzuprangern und gegen Ausgrenzungen zu protestieren." Sondern es seien gerade jetzt Visionen nötig, "die Lust darauf machen, zusammen zu leben, zusammen zu wachsen und beieinanderzubleiben".
Die Anschläge des letzten Jahres, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit versuchten die Gesellschaft zu spalten. Vor dem Hintergrund des Münchner Oktoberfest-Attentats vor 40 Jahren sagte Bedford-Strohm, es sei beunruhigend, "wenn politische Kräfte am rechten Rand versuchen, solches Gedankengut heute wieder salonfähig zu machen".
Gott bringe Heil und Heilung dort hin, "wo es kalt und nass, wo es dreckig und lebensgefährlich ist, dort war und ist er solidarisch", so der Landesbischof in seiner Predigt weiter. Die Kirchen mischten sich in Flüchtlingsfragen ein, weil Jesus seinen Jüngern gesagt habe, "was ihr den Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan hat, das habt ihr mir getan". "Was, wenn es wirklich unser Herr Jesus Christus wäre, der in Moria vor dem Feuer weggerannt ist", fragte Bedford-Strohm.
Der Kontinent Europa habe einmal eine Friedensvision verkörpert und als Hort der Menschenwürde und Menschenrechte gegolten. Nun aber sei der Hinweis auf Europa zu einem Codewort für die Absenkung von Menschenrechtsstandards degeneriert. Er kritisierte, dass Andersdenkende, Andersgläubige oder Anderslebende mancherorts abgewertet und ausgegrenzt würden und Geflüchtete in menschenunwürdigen Lagern festgehalten würden.
Interkulturelle Woche in München eröffnet
In seiner Einführung erinnerte auch der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx an das Oktoberfestattentat, das 13 Todesopfer und über 200 Verletzte gefordert hatte. Es sei nun endlich allen klar, dass hinter dem Anschlag Rechtsradikalismus, Fremdenhass und Antisemitismus standen, so Marx. Nach wie vor aber sei virulent, was Rechtsradikale bewege. Die Interkulturelle Woche solle daher auch ein Zeichen gegen Hass, Antisemitismus, die Verachtung anderer und nationalistische Hetze sein. "
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, beklagte dass "grundlegende Werte unserer Gesellschaft so gefährdet sind, wie lange nicht mehr". In ihrem Grußwort, das verlesen wurde, mahnte sie, dem gemeinsam entgegenzutreten sei "Aufgabe unserer Zeit". Der Vorsitzende des Münchner Forum für Islam und Penzberger Imam, Benjamin Idriz, erklärte, die Religionen hätten allen Anlass, ihre Gemeinsamkeiten zu demonstrieren und zu leben. Ihre Unterschiede seien ein Geschenk Gottes und sollten niemals Anlass zu Konflikten geben.
Im Gemeinsamen Wort der Kirchen zur Interkulturellen Woche 2020 weisen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, Landesbischof Bedford-Strohm, und Metropolit Augoustinos auf die besondere Umstände hin, unter denen die diesjährige Interkulturelle Woche stattfindet: "Die Coronavirus-Pandemie hat unseren Alltag und das Leben von Menschen weltweit in drastischer Weise verändert", heißt es darin. Die Ausbreitung des Virus und entsprechende Schutzmaßnahmen stellten alle vor große Herausforderungen. "Dabei wird uns deutlich, wie lebensnotwendig eine solidarische Grundhaltung in unserer Gesellschaft ist", schreiben sie.
Die Interkulturelle Woche findet in mittlerweile mehr als 500 Städten und Gemeinden statt. Sie geht auf eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der EKD und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie zurück.