Haltet mich nicht fest!

Es ist eine wilde Mischung aus Übermut, Tatendrang und Unwissen, die meine Freund*innen und mich an diesem Morgen begleitet. Zum ersten Mal würden wir 4 Tage der Osterferien zusammen verbringen. Ohne "echte Erwachsene", schließlich sind wir schon 16,17,19 und 21. Allerdings sind wir nicht nur zu viert: Mit uns sollen 40 Kinder auf einen Bauernhof fahren - vier Tage Bauernhoffreizeit für Kinder zwischen 6 und 10, organisiert von unserer Kirchengemeinde. Ohne pädagogisch geschultes Personal, ohne Eltern.

Natürlich haben wir Erfahrung, sind selbst schon oft mitgefahren, kennen den Bauernhof - und trotzdem glauben wir bis kurz vor der Abfahrt nicht, dass alles gut gehen wird. Der bis ans Dach vollgestopfte Gemeindebus steht zur Abfahrt bereit, die Kinder werden direkt von ihren Eltern zum Bauernhof gebracht. Zu viert stehen wir im Hof und haben schon die Tür des Gemeindehauses zugezogen. Da steht der Pfarrer auf einmal vor uns: Kommt, ich gebe Euch noch einen Reisesegen mit. Wir setzen uns nochmal in den Jugendraum. Er spricht ein Gebet. Einen Segen. Dass wir bewahrt sein sollen. Behütet. Ich weiß nicht mehr genau, was er gesagt hat. Aber ich werde nie vergessen, wie viel Kraft mir dieser Moment gegeben hat. Nicht nur seine Worte. Sondern vor allem die Tatsache, dass es das ist, was er uns mitgeben will: Keine Ratschläge. Keine Mahnungen zur Vorsicht. Auch keine Bewunderung für unseren Mut. Nur einen Reisesegen. Er hat Vertrauen gezeigt. Nicht nur in uns, diesen kleinen Chaostrupp. Sondern auch in Gott. In den, der unsere Reise begleiten würde. Der dabei sein würde in unseren vier Tagen ohne Erwachsene. Ohne "seid vorsichtig!" Sondern mit dem Zuspruch, unseren Weg gehen zu können.

Wirklich loslassen?

Seit dieser Bauernhof-Freizeit habe ich selbst schon vielen Menschen den Segen Gottes zugesprochen. Den Segen am Ende des Gottesdienstes. Den Familiensegen bei einer Taufe. Den Segen am Grab - für den Menschen im Grab und für die Menschen, die weiterleben. Ein Segen ist dabei für mich immer ein kleiner Abschied. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, die Menschen, die ich segne, ganz in Gottes Gegenwart einschließen zu können. Unter ihre Flügel zu stellen. Bewahrt und beschützt und gestärkt für alles, was danach kommt. Am Ende schlage ich das Kreuzzeichen. Der Segen ist beendet. Ich trete zurück. Ich lasse los. Die Menschen, die den Segen gespürt haben, gehen zurück in ihren Alltag und alles, was dort auf sie wartet: Das Glück und das Schwere, das sie tragen müssen. So gern würde ich den Menschen oft noch mehr mitgeben. So etwas wie ein kleines Flüstern, das zu ihnen spricht. Das sie immer hören. Oder ein sichtbares gemaltes Zeichen auf ihrer Haut, das sie immer wieder sehen können und sich an Gottes Gegenwart erinnern können.

Aber das geht nicht. Weder bei den Menschen, die ich als Pfarrerin begleite, noch im Rest meines Lebens. Ich muss loslassen, was ich nicht kontrollieren kann.

Auch wenn ich es lieber festhalten würde: Auch das, was wir lieben müssen wir loslassen. Das Kind vor seiner ersten Reise alleine. Unseren Vater, wenn er auf seine letzte Reise geht. Unsere Freunde, die einen ganz anderen Weg einschlagen als wir selbst in unserem Leben. Die Spannung, die in einem solchen Moment entsteht, ist manchmal unerträglich. Wir spüren so nah wie sonst nie, was uns am Herzen liegt. Was wir mit dem Menschen oder mit der Situation, die wir loslassen müssen, aufs Engste verbindet. Es soll alles bleiben, wie es ist. Manchmal spüren wir das so dringlich, dass sich all unser Wissen und all unser Verstand ausschaltet. Es darf sich nichts verändern. Kein Abschied darf sein und auch kein Neuanfang. Die Hände und das Herz verkrampfen sich. Der Kopf kann nicht mehr denken. Nicht mehr " aber so geht es doch nicht weiter", nicht mehr "aber es ist doch besser so", nicht mehr "Du kannst es nicht ändern." Alles, was wir sind, hält fest. Verbindet uns mit dem, was wir lieben und was unser Leben ausmacht. Nie können wir schlechter loslassen, als in dem Moment, wenn der Abschied unausweichlich ist. Nicht umsonst rühren uns die Szenen von Abschieden auf Bahnhöfen und Flughäfen in Filmen so sehr: Der Zug fährt ab, die Sichtschranke auf dem Flughafen schließt sich. Man kann noch ein Stück hinter dem Zug herlaufen, aber man wird unweigerlich zurück bleiben.

Die Dichterin Mascha Kaleko hat als die, die bleiben muss, diesen Moment festgehalten.. In Ihrem Gedicht "Abschied" schreibt sie:

Jetzt sitz ich ohne dich in meinem Zimmer

Und trink den dünnem Kaffee ganz allein.

– Ich weiß, das wird jetzt manches Mal so sein.

Sehr oft vielleicht … Beziehungsweise: immer.[1]

Die Einsamkeit, die uns im eigenen Leben bleibt, ist es, die weh tut. Der andere geht und wir haben zu bleiben, dünnen Kaffee zu trinken. Dieselben Wände anzuschauen. Während der, der losfährt, ins Neue fährt.

Für wen ist der Abschied eigentlich schwerer? Für die, die gehen oder für die, die bleiben?

Ich fand es immer am Schwersten, wenn ich es war, die losgehen musste. Das gehen müssen, zurücklassen müssen. Auch wenn das Neue schon gewartet hat. Auch wenn ich gehen wollte. Das Neue ist das Unsichere, das offene Meer. Und mit jedem Schritt nach vorne, lasse ich einen Teil von mir zurück. Immer wieder heißt es, man müsse auch loslassen, wenn das Leben nicht so läuft, wie man es sich gewünscht hat. Man soll Träume loslassen, Wunschvorstellungen aufgeben, sich nicht an so viel Altes klammern.

Alles mit dem Ziel, sich offen auf das Leben einzulassen, das man doch sowieso nicht in der Hand hat, das man nicht planen und kontrollieren kann. Ja, schon. Aber eben die Tatsache, dass wir an unseren Wünschen festhalten, dass wir an Menschen festhalten, zeigt doch, dass wir lieben. Und dass wir unser Herz an dieses Leben gehängt haben. Dass der Mensch, den wir loslassen sollen, etwas in uns verändert hat. Das, was wir festhalten wollen, zeigt, wofür unser Herz schlägt. Und daran ist nichts Falsches. Und trotzdem kommt der Abschied. Der Bahnhof, der Aufbruch, das Ende.

All meine Taschen sind gepackt ich bin bereit zu gehen
….
es ist früher Morgen das Taxi wartet, der Fahrer hupt
schon jetzt bin ich so einsam, daß ich sterben könnte

Also küss mich und lächle für mich
sag mir, dass Du auf mich warten wirst
halt mich fest, als ob Du nie loslassen wolltest
denn ich fliege fort, und weiß nicht wann ich wiederkomme
oh, ich hasse es zu gehen

Was bleibt

Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den anderen zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. Und die sprachen zu ihr: "Frau, was weinst Du?" Sie spricht zu ihnen: "Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben."

Ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Aus diesem Satz spricht die ganze Einsamkeit eines Menschen, der zurückgeblieben ist. Es ist alles anders und ich suche den, der nicht da ist. Ich will ihn berühren und festhalten "Noli me tangere!" Dieser Satz ist geblieben aus der Geschichte vom Schmerz der Maria Magdalena. Ein Jesus, der sich zu entziehen scheint. Der nicht berührt werden will. "Rühre mich nicht an!" übersetzt Martin Luther die Worte, die man Jesus in den Mund gelegt hat. Aber vielleicht will Maria ihn nicht nur anfassen, sondern vielmehr festhalten. Vielleicht will sie zurück haben, was Jesus in ihr Leben gebracht hat und in das vieler anderer Menschen: Er hat sie berührt und verändert. Zur Hoffnung angestiftet und Grenzen verwischt. Diese Hoffnung will Maria zurück. Sie will das Leben festhalten und nicht loslassen. Und auch den anderen geht es so: Thomas, der seine Finger in die Wunden Jesu legt. Der spüren will, dass das alles noch da ist. Dass nicht alles vorbei ist, was er erfahren hat. Und das ist es doch, was Abschiede so schmerzlich macht: Die Angst, dass wir alles verlieren könnten, was war: Die Erinnerungen. Das Gute, das wir zusammen erlebt haben. Dass wir nicht nur die Zukunft loslassen müssen, sondern auch die Vergangenheit. Deshalb will Maria Jesus anfassen. Deshalb muss Thomas die Wunden berühren: Sie brauchen die Gewissheit, dass nicht alles vorbei ist. Dass sie mit dem Abschied nicht auch das aufgeben müssen, was sich in ihrem Leben zum Guten gewandelt hat.

Die Evangelien erzählen, angefangen mit dem letzten sogenannten Abendmahl die Geschichte eines Abschieds. Und dieser Abschied hat seinen Höhepunkt eben nicht an Karfreitag. Auf den Moment der Trauer folgt ein Aufbäumen der Hoffnung. Die strahlende Osterfreude mit der Gewissheit, dass das Leben den Tod überwunden hat. Halleluja und Osterlachen. Sonnenstrahlen und Auferstehungsmut. Aber die Geschichte der Evangelien bleibt da nicht stehen. Sie geht weiter. Sie geht genau den Schritt weiter, den es braucht, um eine echte Geschichte zu sein. Eine, die unser Leben kennt. Ja, wir erleben Liebe an so vielen Stellen unseres Lebens. Wir werden gestärkt und geliebt - und trotzdem gibt es Abschiede. Erzwungene Abschiede. Abschiede vom Leben mit einem so sehr geliebten Menschen. Die sich nicht kleinreden lassen und die man nicht schönreden kann damit, dass man lernen muss, loszulassen. Denn dass das Leben danach weitergehen muss und weitergehen wird, das wissen wir. Wir wissen es schmerzlich.

Der Moment, in dem Maria und Thomas Jesus gegenüberstehen, ist so ein Moment. Sie können die Augen nicht davor verschließen, dass sich genau jetzt etwas ändern wird. Für immer.

Der Feiertag "Christi Himmelfahrt", den wir heute feiern, lässt ja kaum etwas Anderes zu, als das Bild des Aufsteigens - auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes" sprechen wir im Glaubensbekenntnis. Aber dazwischen liegt der Moment des Abschieds, für den das Glaubensbekenntnis keine Worte findet.

Dabei gäbe es Worte dafür, sogar eine ganze Geschichte. Sie steht im Johannes-Evangelium und ich finde sie schrecklich unrealistisch. Und genau deswegen so tröstlich: Die Jünger stehen am See Genezareth und haben nichts gefangen, die ganze Nacht. Da steht auf einmal einer am Ufer, der ihnen sagt: Werft Euer Netz aus!" Und nochmal "Werft Euer Netz aus!" Und sie tun es und das Netz wird so voll, dass sie es kaum ziehen können, weil es reißt vor lauter Fischen.

Und dann stehen sie am Lagerfeuer. In meiner Vorstellung grillt Jesus die Fische mit ihnen. Röstet das Brot. Der Rauch steigt auf in den Himmel und alle werden satt. Und alles ist wieder da. Jedes Wunder, das sie zusammen erlebt haben. Jedes Lachen. Die Musik. Alles, was sie geteilt haben.

Ich verliere nicht, was ich geworden bin

Im Moment des Abschieds ist alles wieder da. Alles, was ich von Dir gelernt habe. Wie man Dampfnudeln macht, wie man einen Fahrradschlauch repariert. Die Menschen, die unser Leben geprägt haben, haben uns so viel gegeben. Und wir ihnen. Manchmal schafft es dieses Gefühl der Dankbarkeit, mitten im Schmerz des Abschieds in uns aufzusteigen. Die Dankbarkeit dafür, dass man diesen Menschen sehen, anfassen und begleiten durfte. Die Dankbarkeit dafür, dass man einen Traum eine Zeitlang gemeinsam leben durfte. Dankbar-sein lässt sich nicht verordnen, genauso wenig wie Loslassen. Die Tatsache, dass das "Leben doch weitergeht" ist in solchen Momenten kein Trost, sondern klingt höhnisch. Das ist ja das Schlimme, dass das Leben einfach weitergeht.

Dass das Leben weitergeht, die Welt sich dreht und so vieles um uns herum einfach ohne unsere Kontrolle passiert - eigentlich kann das entlastend sein. Immer dann nämlich, wenn ich glaube, alles bedenken, planen und im Voraus organisieren zu müssen, damit mein Leben auch wirklich funktioniert. Und nicht erst bei einer weltweiten Pandemie merkt man schmerzhaft, dass man eigentlich gar nichts kontrollieren kann, gerade mal den Abwasch zu Hause. Aber das Leben passieren zu lassen, ist schwer. Weil man warten muss, untätig sein muss. Gelegenheiten vorbeiziehen lassen muss. So wie die Jünger, die versucht haben, nachts zu fischen. Da haben sie nichts gefangen. Sie sollen warten bis zum Morgengrauen, bis zum unwahrscheinlichsten Zeitpunkt. Und dann rausfahren. Und die Netze werden voll.

Doch es sind nicht die Fische. Das ist ja der Sinn des Fischens. Das Wunder ist, dass sie danach mit Jesus zusammen am Feuer sitzen. Wie früher. Wie immer. Das Wunder geschieht da, wo die Jünger zuhause sind in ihrem früheren Leben als Fischer. Das Wunder geschieht in ihrer Normalität. Der Trost an diesem Morgen, den die Jünger spüren, ist das Gefühl, dass alles immer schon da war. Dass sie zusammen sind. Dass sie essen und trinken können. Dass Gott ihr Leben immer wieder an diesen Ort zurückbringen wird.

Das ist der Trost, der den Abschied möglich macht: Ich lasse los, weil ich weiß, dass ich das Leben selbst nicht festhalten muss. Ich verliere mein Leben nicht, wenn ich einen Teil davon loslasse. Ich verliere die Erinnerungen nicht. Ich verliere nicht, was ich geworden bin.

Und so ist es auch, wenn ich keine Menschen, sondern Träume aufgeben muss. Die Bilder in meinem Kopf und in meinem Herzen, die ich jahrelang gezeichnet und ausgemalt habe. Wie ich sein würde, wie ich leben würde. Wir versuchen, die Zügel in der Hand zu halten. Wenn uns dann die die Zügel aus der Hand genommen werden, spüren wir so etwas wie Phantomschmerz. Es fehlt etwas. Man kann sich auf diesen Schmerz nicht vorbereiten oder ihn üben. Aber das bedeutet auch, dass wir den Schmerz und den Abschied nicht verhindern können, indem wir alles festhalten.

Vielleicht ist es das, was Menschen versuchen, wenn sie aufschreiben, wofür sie dankbar sind: Das Gefühl, dass das Leben uns mit Fülle und Leben umgibt, ohne dass wir es ständig unter Kontrolle haben müssen. Sie versuchen, das Leben, das sie führen, wirklich zu sehen. Und daraus entsteht noch mehr: Nicht nur ein Blick in die Gegenwart, sondern auch ein vorsichtiger Ausblick auf die Zukunft: Ich werde ein Leben führen, was all das, was jetzt ist, als Erinnerung mit sich führt. Es gehört ab jetzt zu mir. Das zu spüren, kann einen tiefen Frieden bringe.

Wenn ich heute an diese abenteuerliche Kinderfreizeit auf dem Bauernhof denke, muss ich den Kopf schütteln über unseren Mut. Und über die Eltern, die uns ihre Kinder anvertraut haben. Und ich bewundere den Pfarrer, der es geschafft hat, alle Ratschläge, Ermahnungen und Vorschriften für sich zu behalten und uns einfach einen Reisesegen mitgegeben hat. Er hat uns nicht aufgehalten. Er hat uns gehen lassen. Hat unseren Fähigkeiten vertraut. Es ist schon alles da. Ich wünsche mir eine solche Haltung von meiner Kirche. Dass sie auf das vertraut, was da ist. Dass sie sieht, wo und wie Menschen schon immer ihr Vertrauen ins Leben zeigen. Ich will in einer Kirche arbeiten, die Menschen in diesem Vertrauen ins Leben unterstützt. Reisesegen gibt für die Menschen, die Abschied nehmen müssen - von ihren Träumen, von ihrer Liebe, von ihrer Kraft.

Ein Reisesegen für unsere Geschichten

Manchmal kommen mir Kirchengemeinden so vor, als würden sie erstmal Netze nähen, das Fischen erfinden müssen und Holz sammeln gehen. Dann bereiten sie alles vor mit ihren Antworten und Ratschlägen und Lösungen. Und dann warten sie in ihren Gottesdiensten am Sonntagmorgen darauf, dass Menschen kommen und sie fragen wie das mit dem Leben und Glauben geht. Manchmal glaube ich verspüren sogar Pfarrerinnen und Pfarrer den Druck, Gott zu den Menschen bringen zu wollen. Dabei müssen wir das nicht. Gott ist doch schon da. Sitzt nicht nur zur Rechten Gottes, ist nicht nur aufgefahren in den Himmel. Sondern ist geblieben im Abschiedsschmerz. In der offenen Wunde.  Und die Menschen leben und vertrauen und kämpfen und versuchen ganz von selbst. Sie brauchen dafür keine Ratschläge und keine Lösungen Was sie dabei brauchen, ist jemand, der da ist, wenn sie mit Maria festhalten und mit Thomas in die Wunden fassen wollen. Und sich mit all den anderen Jünger*innen an das Leben erinnern wollen. Wir brauchen einen Reisesegen für unsere Geschichten vom Festhalten und Loslassen.

Gott hat uns seinen Frieden mitgegeben, den wir mit dem Leben schließen können. Nicht ein für allemal, sondern immer wieder. Und Gott ist es auch, der damals in Jesus Christus Abschied genommen hat und dafür den Trost und den Geist bei uns gelassen hat. Den Geist von Pfingsten, einen, der geflüstert hat und dann gebrannt hat wie Feuer in ihren Herzen. So dass Wege entstanden sind und Worte, die vorher noch keiner gesagt hat und die keiner gegangen ist. Geht los, zieht Euch die Schuhe an. Ihr brecht auf und ich weiß, dass ihr neue Bilder finden werdet, die ihr neben Eure Erinnerungen legen könnt. Neben das Feuer am See.

Für mich ist das der Segen, den die Jünger*innen damals bekommen haben: Ihr müsst mich nicht festhalten, ich bleibe in Euch. Ihr müsst das Leben nicht festhalten, es bleibt.

Haltet mich nicht fest. Ich gebe Euch meinen Frieden. Vielleicht ist das der Abschiedsgruß Jesu, ohne dass er genau so in der Bibel steht. Bei der Himmelfahrtserzählung in der Bibel heißt es nur, dass er seinen Jüngern den Heiligen Geist verspricht. Aber ist es nicht immer so, dass in den Momenten des Abschieds wenige Worte fallen. Vielleicht waren die letzten Begegnungen der Jüngerinnen und Jünger mit ihm prägender. Im Garten. Am See. Wo wieder alles ganz nah war. Und dann sein Versprechen:

Euch wird nicht alles bleiben, was ihr liebt - so wie ich jetzt gehe. Aber ihr verliert es nicht. Du verlierst nicht, was Du liebst und wofür Dein Herz schlägt. Du musst es nicht festhalten. Es gehört zu Dir.

 

[1] Mascha Kaléko, Das lyrische Stenogrammheft, München 2016, zuerst veröffentlicht 1975 bei Gisela Zoch-Westphal, Zürich.

 

Die Evangelische Morgenfeier

"Eine halbe Stunde zum Atemholen, Nachdenken und Besinnen" - der Radiosender Bayern 1 spielt die Evangelische Morgenfeier für seine Hörerinnen und Hörer immer sonntags von 10.32 bis 11.00 Uhr. Dabei haben Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Bayern das Wort. "Es geht um persönliche Erfahrungen mit dem Glauben, die Dinge des Lebens - um Gott und die Welt."

Sonntagsblatt.de veröffentlicht die Evangelische Morgenfeier im Wortlaut jeden Sonntagvormittag an dieser Stelle.