In einer Zeit, in der Informationen digital schneller verbreitet werden als je zuvor, haben Begriffe wie "Fake News", "Desinformation" oder "Propaganda" eine enorme Bedeutung erlangt. Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Begriffen, und warum ist es wichtig, sie klar voneinander abzugrenzen?

Matthias Kohring, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim, antwortet darauf, es ginge darum, nicht gemeinsame Sache mit Propaganda zu machen, also sich vom Sprachgebrauch autoritärer Politiker*innen zu unterscheiden, welche "Fake News" als Kampfbegriff gegen etablierte Medienhäuser verwenden.  

Definition und Abgrenzung der Begriffe

Fake News

Also, was bedeutet dieser Kampfbegriff denn wirklich? Wie Kohring erklärt, handelt es sich dabei um "Kommunikation wissentlich und empirisch falscher Informationen zu neuen und relevanten Sachverhalten mit dem Anspruch auf Wahrheit." Fake News treten oft als journalistische Nachrichten auf und können daher nicht sofort als falsch erkannt werden. Die Absicht hinter ihrer Verbreitung variiert: Während sie häufig politisch motiviert sind, gibt es auch Beispiele, bei denen kommerzielle Interessen – etwa die Generierung von Klicks – im Vordergrund stehen. Ein zentrales Merkmal ist jedoch die bewusste Inszenierung als glaubwürdige Nachricht. Außerdem handelt es sich bei Fake News um konkrete Tatsachenbehauptungen. Sie sind ein Mosaikstein, ein kleines Glied in einer Kette, aus der schlussendlich ein Narrativ entsteht. In der Wissenschaft ist heute allerdings meistens von Desinformation die Rede. Dieser Begriff lässt sich präziser definieren und ist zudem weniger vorbelastet.

Desinformation

Laut Kohring ersetzt "aktuelle Desinformation"  den Begriff Fake News. Dabei ist ein wichtiger Punkt: Während Fake News eine journalistische Absicht vortäuschen, ist dies kein Merkmal der aktuellen Definition von Desinformation.  Während in vielen Definitionen davon die Rede ist, dass bei Desinformation eine klare Täuschungsabsicht vorliegen muss, so erklärt Kohring, dass diese aber nur eine untergeordnete Rolle spiele, da Desinformationen auch aus kommerziellen Gründen erstellt werden könnten, ohne die direkte Intention, zu täuschen – dies kommt jedoch nur in seltenen Fällen vor. Kohring zufolge können Desinformationen gezielt eingesetzt werden, um "etablierte Institutionen zu delegitimieren". Ein klassisches Beispiel sind falsche Behauptungen in sozialen Medien, die politische Debatten vergiften und gesellschaftliche Spaltungen verstärken sollen.

Zeitungsenten

Nicht zu verwechseln sind diese Arten der Falschmeldungen mit Zeitungsenten. Diese bezeichnen unbeabsichtigte journalistische Fehler. Anders als bei Fake News oder Desinformation fehlt hier die bewusste Absicht zur Täuschung, oder ein kommerzieller Vorteil. Kohring betont, dass diese Fehler oft aus Überforderung oder Unwissen resultieren, was sie von strategisch erzeugten falschen Informationen unterscheidet. Dieses Phänomen gibt es seit jeher und tritt auch in etablierten Medienhäusern auf. Es ist nicht so eng verwoben mit den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, wie den sozialen Medien, wie Fake News, oder Desinformationen es sind.

Clickbait

Ein weiterer Begriff, der insbesondere in den sozialen Medien an Bedeutung gewonnen hat, ist Clickbait. Dies bezeichnet irreführende oder überspitzt formulierte Überschriften, die das Ziel verfolgen, Aufmerksamkeit zu generieren. Obwohl Clickbait nicht immer falsche Inhalte transportiert, tragen seine Mechanismen zur Verbreitung von Halbwahrheiten und Sensationsmeldungen bei.

Propaganda

Im Gegensatz zu den bisher genannten Begriffen handelt es sich bei Propaganda nicht um einzelne Behauptungen, sondern um ein umfassendes Narrativ. Sie ist systematisch aufgebaut und verfolgt häufig eine politische Motivation. Dabei muss Propaganda nicht zwangsläufig falsche Informationen enthalten, sondern zeichnet sich vor allem durch eine einseitige Darstellung von Themen aus. Fake News können dabei als Teil einer solchen Kommunikationsstrategie betrachtet werden – als kleiner Mosaikstein innerhalb eines größeren Plans. Im Unterschied zur Desinformation ist die manipulative Absicht bei Propaganda weniger verborgen und oft bewusst in ein übergeordnetes Narrativ eingebettet, das darauf abzielt, Meinungen zu formen oder bestehende Überzeugungen zu festigen.

Urban Legends

Urban Legends, noch ein Begriff, bei dem man weiß, dass dies irgendwas mit falschen Informationen und erfundenen Geschichten zu tun hat. Es handelt sich bei Urban Legends um moderne Mythen, die durch Mundpropaganda oder soziale Medien weitergetragen werden. Anders als bei Propaganda beispielsweise ist die Absicht zur Manipulation oft nicht gegeben. So entsteht man schnell das Gerücht, dass in der New Yorker Kanalisation Krokodile hausen und diese Falschinformation setzt sich dann in den Köpfen der Menschen fest. Was aber klingt wie harmlose Schauermärchen, kann beispielsweise bei Gesundheitsthemen erheblichen Schaden anrichten und Unsicherheiten verstärken.

Die Dynamik in der digitalen Welt

Doch warum sind die Arten der Falschinformation heute denn so vielfältig? Warum gibt es so viele Arten und Bezeichnungen für das Veröffentlichen von Unwahrheiten? Eine klare Antwort ist: Die digitale Vernetzung und die sozialen Medien. Sie beschleunigen die Verbreitung von Desinformation stark und bieten ihnen eine Plattform. Laut Kohring liegt das vor allem daran, dass "jede:r zum Sender werden kann". Es fehlt ein notwendiges Korrektiv.

Gesellschaftlich tragen Unsicherheit und Krisensituationen zur Verbreitung von Falschinformationen bei. Kohring erklärt, dass insbesondere bei komplexen Problemen oft nach einfachen Lösungen verlangt wird, die in Fake News angeboten werden. Zwei Faktoren beeinflussen die Glaubhaftigkeit von Fake News ganz besonders. Zum einen ist es eine häufige Wiederholung der Botschaft, zum anderen ist es, wie stark emotional aufgeladen das Thema der Fake News aufgenommen wird.

Die klare Definition und Abgrenzung der Begriffe rund um Fake News ist entscheidend, um die dahinterliegenden Dynamiken zu verstehen. Prof. Kohring betont, dass Bildung ein Schlüsselfaktor im Umgang mit Desinformation ist. "Es müsste viel mehr getan werden, um die Schulbildung zu verbessern und Menschen mit Reflexionsfähigkeit zu versehen," erklärt er. Nur so können wir lernen, Informationen kritisch zu bewerten und ihre Intentionen zu hinterfragen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung digitaler Medien ist dies eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.

Wanderausstellung "Fake News" ausleihen

Die Wanderausstellung mit dem Titel "Fake News: Desinformation erkennen" erkundet verschiedene Dimensionen von Fake News, erklärt die dazugehörigen Begriffe und führt über QR-Codes zu spielerischen Elementen sowie einer digitalen Erweiterung der Ausstellung. Die Schau eignet sich für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Volkshochschulen ebenso wie für Gemeinden oder Kommunen.

Alle Informationen zur Buchung und Ausleihe der Ausstellung unter diesem Link.

Ein Dossier mit Artikeln zum Thema Fake News gibt es hier.

Das Toolkit zu "Fake News & Desinformation" enthält Artikel und Interviews, Texte und Material zum Thema. Es eignet sich für den Schulunterricht oder die Vorbereitung von Workshops und Events zum Thema. Es kann unter diesem Link bestellt werden.

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