Die Augsburger sind standhaft geblieben – trotz des Regens. Eine gute halbe Stunde lang mussten die Besucher beim Freiluftgottesdienst auf dem Augsburger Rathausplatz im Nieselregen ausharren. Weggegangen jedoch ist deshalb keiner der etwa 3.000 Gäste. Stattdessen malten sie später, als der Regen aufgehört hatte, die Füße ihrer Sitznachbarn mit Kreide auf den Platz – ein sichtbares Zeichen protestantischer Standhaftigkeit.

"Standhaft. Mutig. Frei" – so lautete das Motto des evangelischen Festgottesdiensts zum Jahrestag des "Augsburger Bekenntnisses". Die "Confessio Augustana" wurde 1530 beim Reichstag erstmals in Augsburg verlesen. Der Gottesdienst war der Höhepunkt der zentralen Augsburger Feier zum Reformationsjubiläum. Sie hatte bereits am Nachmittag zuvor mit einem regionalen Kirchentag begonnen. Beim "Fest der Freiheit" präsentierten sich an 70 Ständen alle evangelischen Gemeinden und Einrichtungen des Dekanats in der Augsburger Innenstadt.

Fest der Freiheit in der Augsburger Innenstadt

Das Datum hatte das Dekanat bewusst gewählt: Mit der Confessio Augustana habe man im Reformationsjahr ein bundesweites "Alleinstellungsmerkmal", so Augsburgs Stadtdekanin Susanne Kasch. Bis heute ist die "Confessio" die zentrale Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen weltweit. Mittlerweile jedoch trenne sie die christlichen Konfessionen nicht mehr, sondern verbinde sie eher, betonte der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm beim Festgottesdienst: "Wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass eine Welt, die gekennzeichnet ist von Konflikten und Spaltungen, genau dieses Zeugnis der Christen jetzt braucht."

Heinrich Bedford-Strohm (links) hielt die Predigt beim Gottesdienst, bei dem die Teilnehmer die Füße ihrer Nachbarn auf den Boden malten.
Heinrich Bedford-Strohm (links) hielt die Predigt beim Gottesdienst, bei dem die Teilnehmer die Füße ihrer Nachbarn auf den Boden malten.

Die Christen, die sich damals der Reformation anschlossen, seien "standhaft, mutig und frei" für ihren Glauben eingestanden, erläuterte Bedford-Strohm. Sich daran zu erinnern bedeute: "Wir werden uns nie damit abfinden, dass Menschen deswegen verfolgt oder sogar umgebracht werden, weil sie einfach nur ihrem Gewissen folgen und ihren Glauben leben wollen."

Kirchentag der Gemeinden

Den eigenen Glauben leben und nach außen tragen – darum ging es auch beim Kirchentag der Dekanatsgemeinden. "Wir wollen hier Flagge zeigen", meinte etwa Horst Müller, der am Stand der Heilig-Kreuz-Gemeinde Passanten dazu einlud, sich mit einer großen Holzsäge von einem Baumstamm "eine Scheibe abzuschneiden". So stand es auf dem Plakat hinter ihm an der Wand. "Es bedeutet: Jeder kann bei uns etwas Gutes mitnehmen, etwa Glaube oder Gemeinschaft."

Der Posaunenchor aus Westheim.
An mehreren Orten in der Innenstadt spielten Posauenenchöre, hier der Chor aus Westheim.

Es war ein buntes, lebhaftes Fest, das sich an diesem Nachmittag von der Kirche St. Anna bis zum Rathausplatz zog. Auf drei Bühnen spielten Musikgruppen, Posaunenchöre stimmten an verschiedenen Orten ihre Lieder an. An den Ständen gab es Spiele, Informationen, Gespräche. Man wolle die Arbeit der evangelischen Kirche in der Stadt präsentieren, sagte Stadtdekanin Susanne Kasch bei der Eröffnung: "Wir möchten aber auch mit kritischen Zeitgenossen über Religion und Glaube ins Gespräch kommen."

Bei Andreas Lucke funktionierte das offenbar gut. "Die Leute kommen auf einen zu und suchen das Gespräch", berichtete der Diakon, der als stellvertretender Geschäftsführer für die Evangelische Jugend in Augsburg arbeitet. Auf einer Stellwand brachte Lucke Fotos von Passanten an. Jeder von ihnen hatte auf eine Sprechblase aus Papier geschrieben, was Reformation für ihn bedeute. Kirche müsse öfter so auf die Menschen zugehen, sagte Lucke: "Wir haben schöne Gotteshäuser und wunderbare Einrichtungen, aber wir sind selten dort präsent, wo die Menschen sich treffen – in der Fußgängerzone oder auf öffentlichen Plätzen." Der Kirchentag zeige mit seinen Ideen und Aktionen auf viele Arten, wie so etwas gehen könne.

»Luthers Leben in Schuhkartons«, am Stand des Schulreferats.
Am Stand des Schulreferats konnte man »Luthers Leben in Schuhkartons« sehen – gebastelt von Schülern.

Etwa mit einem Glücksrad, wie es Pfarrer Claus-Philipp Zahn am Stand der Augsburger Kirchengemeinde Paul-Gerhardt aufgebaut hatte. Wer daran drehte, durfte anschließend aus einem Los­topf einen persönlichen Bibelspruch ziehen. Er finde es toll, wie jede Gemeinde und Einrichtung beim Kirchentag ein eigenes Statement zum Thema Reformation setze – und man sich gleichzeitig gemeinsam präsentiere: "Es ist schön, sich so in der Gemeinschaft wahrzunehmen", sagte Zahn.

Und was erhofft er sich von dem Kirchentag? "Da halte ich es wie der Sämann", meinte der Pfarrer: "Man streut etwas aus und wartet, bis es irgendwann Früchte trägt."