Herr Gößl, der Vorlauf für die Bundestagswahl war extrem kurz. In welchen Bereichen der Organisation hat das für Herausforderungen gesorgt?
Thomas Gößl: Die Wahlorgane von Land, Kreisen und Gemeinden waren gut darauf vorbereitet. Ambitioniert war und ist die kurze Frist vor allem für die Parteien und die Wählerinnen und Wähler. Die Parteien mussten ihre Listen schneller aufstellen; das hat vor allem bei jenen, die nicht im Bundestag vertreten sind, für großen Aufwand gesorgt: Sie mussten, um zugelassen zu werden, in kurzer Zeit pro Liste 2000 beglaubigte Unterstützerunterschriften sammeln.
Vier von 24 Landeslisten hatten nicht genug Stimmen, weitere drei hatten gar keine gesammelt - sie wurden vom Wahlausschuss abgelehnt. Bei Wahlen mit normalem Vorlauf sind es zwei bis drei.
Warum ist die kurze Frist denn für das Wahlvolk ein Problem?
Sie stellt vor allem bei der Briefwahl tradierte Gewohnheiten infrage. Der Zeitraum für die Briefwahl beträgt diesmal nur zwei Wochen vor dem Wahltermin. Man kann die Unterlagen also nicht so lang wie sonst liegen lassen, sondern muss sich schneller entscheiden, wo man sein Kreuz macht. Und man muss die Unterlagen rechtzeitig zurücksenden, damit sie am 23. Februar um 18 Uhr zur Auszählung im Wahllokal sind.
Welche Zustellfrist garantiert denn die Post bei der Briefwahl?
Für Wahlunterlagen gilt die neue Bearbeitungsdauer von drei Tagen nicht, sondern eine Zwei-Tagesfrist. Aber jeder muss für sich einschätzen, wie knapp er dran ist. Im Zweifel raten wir dazu, die Unterlagen lieber beim jeweiligen Behördenbriefkasten einzuwerfen – oder beim persönlichen Abholen der Unterlagen gleich vor Ort und Stelle abzustimmen.
Was mache ich denn, wenn zum Beispiel das Kuvert des Wahlbriefs nicht klebt? Darf ich das mit Tesa kleben, oder wird der Brief dann ungültig?
Ich würde lieber Uhu nehmen. Hauptsache der Umschlag ist sicher verschlossen, damit das Wahlgeheimnis garantiert ist. Bei der Urnenabstimmung trifft der Wahlvorstand alle Vorkehrungen für eine geheime Wahl. Bei der Briefwahl muss der Wähler, die Wählerin das selbst machen. Wer den Wahlbriefumschlag und den Stimmzettelumschlag nur zusteckt und nicht zuklebt, macht seine Stimme ungültig.
Wenn die Frist für Briefwahl so kurz ist: Erwarten Sie dann mehr Andrang in den Wahllokalen?
Den höchsten Wert bei der Briefwahl hatten wir bei der Bundestagswahl im Coronajahr 2021: Damals haben 62 Prozent der Wähler per Brief abgestimmt. Seither geht der Wert zurück: Bei der Landtagswahl 2023 waren es noch 55 Prozent, bei der Europa-Wahl 2024 53 Prozent. Aber wir rechnen mit einer steigenden Wahlbeteiligung, und das spiegelt sich dann unter Umständen auch beim Andrang aufs Wahllokal wider.
Was ist denn Ihr Tipp für die Wahlbeteiligung?
Bei der Bundestagswahl 2021 haben in Bayern 79,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Diesmal tippe ich auf eine Beteiligung von über 80 Prozent.
Wie viele Wahlhelfer gibt es eigentlich in Bayern?
Über 140.000. Allerdings sprechen wir nicht gern von "Wahlhelfern", weil der Begriff die Bedeutung dieses wichtigen Ehrenamts bagatellisiert. Wir haben für die 16.000 Wahllokale in Bayern Wahlvorstände von fünf bis neun Mitgliedern, bestehend aus einem oder einer Vorsitzenden, dem Stellvertreter und den Beisitzern.
Welche Voraussetzungen müssen die erfüllen?
Sie müssen in der Gemeinde selbst wahlberechtigt sein. In der Regel haben die Kommunen einen großen Stamm an erfahrenen Vorständen, die zusammen mit neuen Ehrenamtlichen im Team sind. Diese Mischung aus Erfahrung und frischem Wind ist wichtig, damit die Abläufe am Wahltag sitzen. Übrigens hören wir erfreulicherweise aus fast allen 47 bayerischen Wahlkreisen, dass es ein großes Interesse gibt, dieses Amt zu übernehmen.
Wie stellen Sie denn sicher, dass kein Wahlvorstand - vielleicht aus ideologischen Gründen - versucht, zu schummeln?
Es gibt keine standardisierte Sicherheitsprüfung für die Ehrenamtlichen oder so etwas. Aber das System ist sicher: Ob ein Wahlzettel ungültig ist, entscheidet zum Beispiel nie ein Einzelner, sondern immer der gesamte Wahlvorstand.
Außerdem müssen alle ungültigen Stimmzettel gesammelt und später zusammen mit der Niederschrift über den Kreiswahlausschuss an den Landeswahlausschuss weitergeleitet werden. Auch beim Auszählen gilt immer das Vier- oder Sechs-Augenprinzip. Nicht aus Misstrauen, sondern um die typischen Zählfehler zu vermeiden, die entstehen können, wenn man stundenlang Stimmzettel auszählt.
Zurzeit rauscht eine Grippewelle durchs Land. Was passiert, wenn ein Wahlvorstand krankheitsbedingt ausfällt?
Ausfälle wird es sicher geben. Aber darauf sind die Gemeinden dank des großen Zuspruchs gut vorbereitet und können schnell Ersatzleute beibringen.
Gibt es auch Anforderungen an die Orte, die ein Wahllokal beherbergen?
Meistens sind das gemeindliche oder staatliche Räume, wie beispielsweise Schulen. In kleineren Kommunen wird meist der zentrale Versammlungssaal zum Wahllokal; das kann auch mal ein Pfarrheim oder ein Gemeindesaal sein. Weltanschauliche Neutralität ist dafür keine Bedingung, wohl aber muss das Umfeld frei von politischer Werbung sein. Das gilt auch für den Wahlvorstand: T-Shirts mit Polit-Sprüchen sind tabu. Solche Personen müsste der Wahlvorstand rausschicken.
Nun fällt die Bundestagswahl in diesem Jahr in die Faschingszeit. Im Clownskostüm zur Wahl - geht das?
Ein Kostüm ist nicht verboten. Aber der Wahlvorstand muss sich überzeugen können, dass die Person identisch ist mit der Person auf dem Ausweis, den man ja bitte unbedingt dabeihaben muss. Eine Maske müsste also abgenommen werden. Und Faschingsgaudi im Wahllokal geht auch nicht. Aber ob jemand angeheitert sein Kreuz macht oder nüchtern, ist nicht Sache des Wahlvorstands. Das muss schon jeder selbst wissen.
Wann sind Sie als Landeswahlleiter zufrieden mit einer Wahl?
Wenn ich zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen einen Beitrag zu einer ordnungsgemäßen und sicheren Wahl leisten konnte. Wahlen sind von zentraler Bedeutung für eine parlamentarische Demokratie; alle arbeiten mit gebotenem Ernst daran mit. Ich mache das jetzt seit 2017 und es hat glücklicherweise noch nie größere Probleme gegeben.
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