Jeder sechste über 65-Jährige in Bayern ist armutsgefährdet. Das geht aus den Zahlen hervor, die die Neu-Ulmer Malteser-Chefin Petra Stützle vor sich liegen hat. "Betroffen sind hauptsächlich Frauen", sagt sie. Das größte Problem der versteckten Armut aber sei die Scheu der Menschen, zuzugeben, dass das monatlich verfügbare Geld nicht reicht. "Die Hürde, sich zu melden und um Hilfe zu bitten, ist für die meisten Menschen innerlich sehr hoch. Das ist eine Generation, in der man nicht gerne zugibt, dass es einem nicht gut geht."

Projekte wie die Malteser-Aktion "Neu-Ulm packt‘s" möchten Abhilfe schaffen und Senioren unterstützen, die finanzielle Probleme haben. Einmal pro Monat – gegen Monatsende, wenn das Geld knapp wird – bringen ehrenamtliche Helfer Kisten mit Nahrungsmitteln zu bedürftigen älteren Menschen. In diesen Boxen sind vor allem haltbare Grundnahrungsmittel enthalten wie Nudeln und Reis, Mehl und Fertigsoßen, Konserven, Zwiebeln, haltbares Obst und Kekse. Auf individuelle Vorlieben kann beim Einkauf Rücksicht genommen werden.

"Neu-Ulm packt's" liefert Essenskisten und Gespräche

Das Projekt, für das sich Senioren selbst melden können oder Nachbarn, die bemerken, dass jemand in Not ist, gibt es bereits erfolgreich auch in anderen Landkreisen. Bei den Lieferungen nehmen sich die ehrenamtlichen Helfer auch Zeit für Gespräche mit den Empfängern der Essenskisten, denn ein großes Problem stellt der gesellschaftliche Rückzug dar. "Wer jeden Cent umdrehen muss, der spart auch an Dingen wie einem Zeitungsabo", weiß Petra Stützle. "Wenn Senioren aber Zeitungen kündigen, sind sie für Angebote wie unseres fast nicht mehr zu erreichen. Das ist ein Teufelskreis."

Auch in Tafelläden in Bayern ist im Durchschnitt jeder vierte Kunde über 65. In Neu-Ulm sind sogar etwa 80 Prozent der Stammkunden des Tafelladens Rentner, weiß dessen Leiter Jürgen Liebhart. Sie kommen vor allem in der zweiten Monatshälfte, wenn das Geld auf den Konto knapp wird.

"Die Renten sind auf einem viel zu niedrigen Niveau, auch für Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben", sagt er. Liebhart, der 35 Jahre lang in seinem Beruf gearbeitet hat, weiß, wovon er spricht. Er ist selbst betroffen: "Wenn ich nicht noch eine kleine Witwerrente und die Aufwandsentschädigung für die Arbeit im Tafelladen hätte, bräuchte ich Grundsicherung", sagt er.

Arme sind vielfach benachteiligt

Petra Stützle schweben neben den Essenskisten noch weitere Hilfsprojekte für bedürftige Senioren vor, etwa Mahlzeiten-Patenschaften, durch die Menschen in Altersarmut ermöglicht werden soll, dass sie täglich durch Essens-Lieferdienste eine warme Mahlzeit bekommen können. "Es darf nicht sein, dass sich ältere Menschen entscheiden müssen, ob sie ihr Zimmer heizen oder sich eine warme Mahlzeit leisten können."

Wer in Not ist, spart zudem an der Teilnahme am öffentlichen Leben – an Fahrten zu Freunden oder am früher geliebten Theater- oder Konzertbesuch. Stützle fragt sich, ob man auch hier Unterstützungsprojekte anstoßen kann. Sie hat viele Ideen: einen Kulturbegleitdienst etwa, wie er in manchen Städten schon existiert, oder ein System von privatem Mitnahmeverkehr für Senioren. "Man muss diese Themen in der Gesellschaft in den Vordergrund rücken", sagt sie.