Viele Verbraucher plagt beim Biss ins Schnitzel oder die Bratwurst das schlechte Gewissen. Bei den meisten drehen sich die Bedenken wohl um das Tierwohl, also die Massentierhaltung und die daraus entstehenden Probleme für die Umwelt und das Klima. Trotzdem fällt es vielen schwer, auf Fleisch zu verzichten oder zumindest weniger davon zu essen. "Das liegt auch an der mangelnden Akzeptanz vieler Fleischersatz-Produkte", sagt Raffael Osen vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising. Denn: So gesund und nahrhaft Tofu und Seitan auch sein mögen - das Mundgefühl ist alles, nur nicht fleischig. Doch seit kurzem gibt es eine Alternative dazu, hergestellt in Bamberg.

Entwickelt hat die Alternative der gelernte Metzger und Koch Friedrich Büse zusammen mit den Forschern des Fraunhofer-Instituts. Seit 2016 wird die neue Herstellungstechnik für Fleischersatz von der Firma Amidori eingesetzt, die Büse gegründet hat. Inzwischen hat das Unternehmen 100 Mitarbeiter, einen zweiten Produktionsstandort im österreichischen Salzburg und die Produkte werden in immer mehr Läden gelistet. Das Erfolgsrezept: die Textur des Produkts - faserig wie Hühnchen, mit Biss. Das zeigt eindrucksvoll ein Verkostungstest in einem Einkaufszentrum, den der Bayerische Rundfunk (BR) vor kurzem als Video festgehalten hat. Fast alle Passanten glaubten, Fleisch gegessen zu haben.

"Alle Versuche, die Verbraucher mit moralischen Appellen zu weniger Fleischkonsum zu bewegen, sind ja gescheitert", sagt Büse.

Man denke an den Grünen-Vorstoß für einen Veggie-Day in Kantinen. Solche Ideen seien zwar gut gemeint, aber zum Scheitern verurteilt. "Wenn man mit dem Ziel antritt, die Ernährungsgewohnheiten der Menschen ändern zu wollen, hat man schon verloren", sagt er. Man müsse die Verbraucher freiwillig dazu bringen, zu verzichten. Dazu benötige es Alternativen. Dass er seine Produkte dafür hält, ist nicht überraschend. Ein weiterer Knackpunkt für Büse ist: "Viele Fleischersatzprodukte sind sogar teurer als qualitativ hochwertiges Fleisch. Die Amidori-Produkte nicht."

Textur und Kaufpreis seien laut Studien in der Tat ein wichtiger Punkt, weshalb Verbraucher bislang eher zurückhaltend mit Fleischersatz seien, sagt Osen. Es kommt aber ein weiterer Punkt hinzu: Vor wenigen Jahren gab es einen kurzen Hype um Soja- und Hühnereiweiß-Schnitzel. Bis die ersten Verbraucherschutz-Magazine mal genauer hinguckten. "Die Liste der Inhaltsstoffe ist in der Regel ziemlich lang - das schreckt Käufer ab", weiß der Freisinger Wissenschaftler. Viele Lebensmittelkonzerne hätten in sehr kurzer Zeit versucht, auf den Vegetarier- und Veganer-Trend mit aufzuspringen. "Viele Produkte waren schlicht nicht ausgereift", sagt er. Nun sei die Zeit reif für die zweite Fleischersatz-Generation.

Fleischersatz aus Erbsenbrei

Die Amidori-Produkte werden aus sogenannten Sonnenerbsen und weiteren Rohstoffen hergestellt. Zu 95 Prozent stammt das alles aus deutschem Vertragsanbau. Das genaue Herstellungsverfahren ist zwar geheim, die Grundzüge aber - auch weil es mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt wurde und Osen darüber seine Doktorarbeit geschrieben hat - sind allerdings bekannt. Aus den Erbsen wird Brei gemacht. Dann lässt man, ähnlich wie bei der Käse-Herstellung, das Eiweiß gerinnen. Diese Masse wird mechanisch weiterverarbeitet. Sie wird lange geknetet und erhitzt, dann kontrolliert und unter großem Druck abgekühlt. Das nennt man Extrusion. Dabei entstehen dann die fleischigen Texturen.

 

Der gelernte Metzger und Koch Friedrich Büse hat zusammen mit Forschern des Fraunhofer-Instituts eine neue Herstellungstechnik für Fleischersatzprodukte entwickelt.

 

Das Extrusionsverfahren ist in der Lebensmittelindustrie nichts Neues. So werden beispielsweise Frühstücks-Cerealien, Erdnussflips oder auch Nudeln hergestellt. Allerdings geht es dabei meist um trockene Massen, der Erbsenbrei allerdings ist nass. Deshalb war einiges an Forschen und Ausprobieren nötig, um die Herstellung zu perfektionieren, sagt Büse. Seit Ende der 00er Jahre hätten er und das Fraunhofer-Institut daran gearbeitet. Die Marktreife erlangte das Verfahren im Jahr 2015, erinnert sich Osen. Daraufhin wurde Amidori gegründet. "Wir haben zusammen die Technologie entwickelt - die Bamberger Firma nutzt das mittlerweile erworbene und weiterentwickelte Know-how für sich", sagt Osen.

Nachhaltig: Produkte aus regionalen Rohstoffen

Doch Büse geht es nicht nur um seinen wirtschaftlichen Erfolg, betont er: "Das natürlich auch." Der heute 58-Jährige sei damals nach seiner Lehre als Metzger und Koch durch die Welt gereist, auch in arme Länder der sogenannten Dritten Welt. "Wenn man den Hunger der Menschen dort einmal gesehen und erlebt hat, dass auch unsere Lebensweise in den Industriestaaten dafür mit verantwortlich ist, kann einen das nicht kalt lassen", erklärt er. Deshalb war für ihn klar: Eiweißhaltige Pflanzen einfach vom anderen Ende der Welt zu importieren, kam für ihn nicht infrage: "Ich kann doch nicht ausblenden, wie das produziert wird: auf riesigen Flächen in Monokultur, mit Pestiziden, teils nach Rodungen."

Und er geht noch weiter: Das Produktionsverfahren sei absichtlich so entwickelt worden, dass man es bei fast allen eiweißhaltigen Pflanzen anwenden kann. "Das geht mit Hirse in Afrika, mit Soja in Asien und mit Kichererbsen im Nahen Osten", sagt Friedrich Büse: "Wenn etwas aus regionalen Rohstoffen hergestellt werden kann, ist es in der Regel auch nachhaltig. Hier setzt unser Herstellungsverfahren an."