Karl wollte erst nicht zum Dreikönigsessen kommen. Nun ist er froh, sich auf den Weg zur Regensburger Markusgemeinde gemacht zu haben. "Das Essen ist sehr gut, es gibt sogar Nachschlag", sagt er. Karl heißt eigentlich nicht Karl, sein Name sei unwichtig, sagt er. Stattdessen erzählt er seine Lebensgeschichte. "Ich bin hier, weil…" Und: "Ich hatte Pech, weil…"
Vieles davon bleibt unverständlich für Außenstehende. Trotzdem hebt Karl zu dieser Rechtfertigungsrede an, als wollte er sich für sein Dasein entschuldigen. Karl wohnt in einer Obdachlosen-Unterkunft im Norden von Regensburg. "Wer hier gelandet ist, der ist durch alle sozialen Netze gefallen. Der steht gesellschaftlich tiefer als ein Hartz-IV-Empfänger", sagt Kirchenvorsteher Wolfgang Heidenreich.
Jedes Jahr richten er und 20 weitere Helfer am Dreikönigstag ein Essen für Obdachlose, psychisch und körperlich Kranke, für Behinderte, sozial Schwache – für Menschen am Rande der Gesellschaft – aus.
Gutes Essen und ein gutes Gespräch
Etwa 180 Menschen sind gekommen. Die Markusgemeinde liegt im reichen Westen der Stadt. Der Kontrast zur Lebenswirklichkeit der Gäste könnte nicht größer sein. Die Tische sind fein gedeckt, an jedem Platz liegt eine Serviette. Helferinnen fragen nach den Getränkewünschen. "Kann ich Ihnen noch etwas bringen?", sagt Leonie aus der Konfirmandengruppe, die beim Bedienen hilft. Sie mache gern mit, "weil die Stimmung so freudig und dankbar ist", sagt sie. Als ersten Gang serviert sie eine Zucchinicremesuppe mit Kräutercroutons. Die meisten Gäste haben sich heute, zum nachgeholten Weihnachtsessen, etwas Besonderes angezogen. Horst (72) wird später eine Geschichte vortragen. Auch Klaviermusik ertönt, als wäre es nicht der Gemeindesaal, sondern ein gutes Restaurant.
"Hier muss niemand anstehen und auch keinen Nachweis erbringen, dass man berechtigt ist. Und man muss sich auch für nichts bedanken", sagt Pfarrer Manfred Müller von der Markusgemeinde. Seit 25 Jahren richtet seine Gemeinde das Dreikönigsessen aus. Viele Teilnehmer seien "Stammkunden", der Umgang sei familiär. "Wir bieten etwas, was man zu Hause nicht hat. Die Gäste sollen einmal im Jahr verwöhnt und wertgeschätzt werden." Hilfsangebote wie Sozialberatung und dergleichen gebe es aber nicht, das Essen sei vielmehr "die niedrigste Schwelle, um miteinander ins Gespräch zu kommen", sagt Müller.
Das Dreikönigsessen ist für die meisten ein Höhepunkt im Jahr. "Manche kommen schon sehr früh, um ihren Stammplatz vorne bei der Musik einzunehmen", sagt Silke Homeier-Arndt, die jetzt schon das Hauptgericht serviert. Es gibt ein mediterranes Schweinenackensteak mit Rahmgemüse. Jedes Jahr hilft sie mit. "Viele kenne ich jetzt schon vom Sehen."
Rebecca Bauer zum Beispiel ist nicht zum ersten Mal hier. Seit ihr Mann an Krebs erkrankt ist, ist ihre achtköpfige Familie "abgerutscht", wie sie es nennt. Ihr Mann Josef und der zehnjährige Thomas sind mitgekommen. Sie wohnen außerhalb Regensburgs, weil es am Land billiger ist. "Aber wir wollen nicht jammern."
Träume, die helfen
Für die 52-jährige Christine ist das Essen heute schon beendet. Beim hinausgehen zieht sie ein Buch aus dem Regal, an dem sich heute alle bedienen dürfen. Es ist die Geschichte von "Frederick". "Das nehme ich mit", sagt sie. Als sie obdachlos geworden ist, habe sie das Buch verloren. An die Geschichte aber erinnere sie sich noch gut: "Frederick ist eine Maus. Während alle anderen Mäuse Wintervorräte anlegen, liegt sie da und sammelt Sonnenstrahlen, Farben und Wörter." Träume und Hoffnungen also, für wenn es draußen kalt und dunkel ist.