Der Weidener evangelische Dekan Wenrich Slenczk kann es nach wie vor nicht fassen. "Ich bin so wütend, unglaublich wütend", sagte er dem Sonntagsblatt. Vor wenigen Tagen sind 69 Menschen nach Afghanistan abgeschoben worden – unter ihnen zwei Männer aus Weiden in der Oberpfalz. Einen der Männer, einen 26-jährigen Afghanen, kannte der Dekan persönlich: "Er ist zum Christentum konvertiert, hat mehrere Monate meinen Glaubenskurs besucht und ist fast jede Woche Sonntag in Weiherhammer in den Gottesdienst gegangen."

Der junge Mann stammt aus einem Dorf in Afghanistan. Nachdem seine Familie bei Kämpfen ums Leben gekommen war, verließ der Mann das Dorf. Eine Zeit lang lebte er im Iran. 2010 kam er schließlich nach Deutschland. Seitdem lebte er in Weiden. Neben einer festen Arbeitsstelle fand er auch den Weg zum Glauben und der evangelischen Kirchengemeinde. Nach Angaben von Slenczka stellte er mehrfach Anträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um in Deutschland bleiben zu können, jedoch ohne Erfolg. Auch das Verwaltungsgericht sah keinen Asylgrund gegeben, es wurde ihm nicht anerkannt, dass er "ernsthaft ein Christ geworden sei".

Afghanistan gilt als "sicher"

Nach acht Jahren Deutschland, Integration und Aufbau eines neuen Lebens kam schließlich vor wenigen Wochen die Schock-Meldung: Der 26-Jährige, der sich gut integriert hat, mittlerweile Deutsch spricht, seit mehr als vier Jahren arbeitet, in die Rentenkasse einzahlt und sich nie etwas zuschulden kommen ließ, muss mit 68 weiteren Asylbewerbern abgeschoben werden. "Wir von der evangelischen Kirche, aber auch der Arbeitgeber, der unglaublich zufrieden mit seiner Arbeit war, haben alles Mögliche versucht, die Zurückführung – wie es genannt wird – zu verhindern."

Doch auch ein Jurist habe nichts ausrichten können, beschreibt der Weidener Dekan die ausweglose Situation des jungen Mannes. Grund für seine Abschiebung: Afghanistan ist laut Bundesregierung wieder ein sicheres Land. "Doch ohne Familie im Land ist es laut UNHCR nicht möglich, jemanden nach Afghanistan abzuschieben. Denn dort ist man auf Familienstrukturen angewiesen", erklärt der Dekan.

Wie Kriminelle weggesperrt

Als feststand, dass der Afghane abgeschoben werden soll, kam er in Erding in "Abschiebe-Gewahrsam". Besonders schockierend für Wenrich Slenczka: "Er wurde wie ein Krimineller behandelt und weggesperrt. Außerdem nahm man ihm die Bibel ab, die ich ihm zuvor gab." Darüber hinaus soll der 26-Jährige seine Medikamente, die er einnehmen muss, nicht erhalten haben. Als klar wurde, dass Eilanträge seines Anwalts abgelehnt wurden und er nach Kabul geflogen werden sollte, verlor der junge Mann die Kontrolle und verletzte sich selbst. Er rannte mit dem Kopf gegen eine Glasscheibe. Aus Sorge, er würde sich mehr antun, wurde er in die Psychiatrie eingewiesen. Nur zwei Tage später erhielt er die Nachricht, dass die Polizei ihn abhole werde. Ein weiteres Mal verlor er die Kontrolle – er rannte mit dem Kopf gegen eine Wand.

"Bevor er abgeholt wurde, habe ich noch einmal mit ihm telefoniert. Er war völlig benommen, hat kaum geantwortet, wenn ich ihn etwas gefragt habe", beschreibt Slenczka die traurige Geschichte. Im Moment befindet sich der junge Mann in Kabul, hat ein Zimmer, in dem er wohnen kann. "Wir haben übers Handy Kontakt, auch sein Arbeitgeber telefoniert regelmäßig mit ihm. Der junge Mann braucht unbedingt jede Unterstützung. Ich hoffe sehr, dass er sich nichts antut", so der Dekan. Derzeit versucht er, einen Pass zu erhalten. Slenczka möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass der Afghane wieder nach Weiden zurückkommt: "Vielleicht haben die Behörden oder Politiker doch noch Einsicht, vielleicht kann der Jurist noch etwas ausrichten. Ich hoffe weiter." Offen ist, was mit seinem Eigentum, das er hier in Deutschland in seiner Wohnung und auf seinem Bankkonto lassen musste, passiert. "Das scheint die Abschieber nicht zu interessieren. Aber es ist sein Eigentum, um das er von staatlichen Behörden gebracht wurde."

Kritik an Bundesinnenminister

Erzürnt hat den Dekan besonders die Art der Behandlung: "Er wurde in benommenem Zustand aus dem Krankenbett heraus zum Flughafen gebracht." Slenczka kritisiert Bundesinnenminister Horst Seehofer. "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war", sagte Seehofer laut Presseberichten bei der Vorstellung seines "Masterplans Migration".

Slenczka protestiert: "Es ist unchristlich, wenn man 69 Menschen auf eine Zahl reduziert und zum Geburtstagsgeschenk erklärt. Es sind nicht 69 Abschiebungen. Es sind 69 Menschen. Mit der Verantwortung wird auch die Demokratie abgeschoben."

Unterdessen ist bekannt, dass sich einer der 69 Asylbewerber das Leben genommen hat. Er soll sich aus Verzweiflung in Kabul erhängt haben.

Der Weidener Dekan Wenrich Slenczka.
Der Weidener Dekan Wenrich Slenczka.