18 Schwarzweißfotos streng blickender Männer in dunklen Anzügen geleiten den Besucher auf dem Gang zum Büro ihrer Amtsnachfolgerin, der Münchner Stadtdekanin. Links von der Bürotür: ein Ölschinken mit Luthers Konterfei.

Rechts von der Tür: Königin Caroline von Bayern, die Frau, mit der in München alles Evangelische begann. An der Tür selbst: Ein Plakat mit der Aufschrift "Stop Death in Mediterranean Sea", und an der Garderobe eine taillierte Lederjacke.

Damit ist schon ziemlich viel gesagt über Barbara Kittelberger, die 16 Jahre lang die Geschicke des Dekanatsbezirks München mit seinen sechs Prodekanaten und den 66 Gemeinden leitete.

Im Jahr 2004 trat die damals 49-Jährige als erste Frau an die Spitze des größten Dekanats der bayerischen Landeskirche und blieb länger, als die meisten ihrer männlichen Vorgänger.

Mit der Fränkin kam Farbe ins Amt, und rasch vernetzte sie sich und ihre Kirche mit der Stadt - "humorvoll, weiblich, mit Charme", wie sie selbst sagt.

Höhepunkte gab es viele in ihrer Amtszeit. Der Ökumenische Kirchentag 2010 in München und das Reformationsjubiläum 2017 fallen Kittelberger als erstes ein. "Da haben wir uns unbekümmert und mit Selbstverständnis in der Stadtgesellschaft platziert", sagt sie und ihre Augen funkeln fröhlich.

Oder der Kampf gegen den Rechtsextremismus, nicht erst seit Pegida ab 2014 auch in München marschierte und die Stadtdekanin bei jeder Gegendemonstration ihr Gesicht hinhielt - und dafür auch bedroht und beschimpft worden ist.

"Aber wenn ich nicht auftrete, wer soll es dann tun?" fragt Kittelberger.

Dass es ihr gemeinsam mit dem katholischen Bischofsvikar Rupert von Stolberg gelungen ist, als Antwort auf Rassisten und Fremdenfeinde einen "Münchner Rat der Religionen" zu gründen, macht sie genauso stolz, wie das Friedensgebet mit tausenden Münchnern an der Synagoge "Ohel Jakob" einen Tag nach dem antisemitischen Anschlag von Halle.

Und dann die City-Kirchen!

"Als ich 1994 als Klinikseelsorgerin meine erste Predigt in St. Markus hielt, war das eine dunkle, düstere Kirche - jetzt ist sie ein Kleinod!", sagt die Theologin über die 2010 neu gestaltete Dekanatskirche. So wollte, so will sie Kirche in der Stadt haben: als Kraftort, offen, einladend, die Heimat einer "qualifizierten protestantischen Minderheit", die trotz fortschreitender Säkularisierung stets kurze Drähte in die Stadtspitze hat und bei allen wichtigen Themen gehört wird.

Neben all den schillernden Höhepunkten klafft das Jahr 2014 wie ein schwarzes Loch in Kittelbergers Amtszeit. Durch riskante Geldanlagen verlor das Dekanat damals rund 6 Millionen Euro an Kirchensteuergeldern. Die Stadtdekanin, die die Aufsicht über das Kirchengemeindeamt hat, beantragte ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst und akzeptierte das Urteil:

Kittelberger war nicht länger Chefin der Verwaltungsstelle, und sie musste für drei Jahre auf einen Teil ihrer Bezüge verzichten. Doch sie blieb im Amt, statt sich zurückzuziehen - das ist Kittelbergers Auffassung von Verantwortung.

Die 65-Jährige redet nicht gern über diese Zeit: Wo sonst die Worte sprudeln, wird Kittelberger einsilbig.

Das enttäuschte Vertrauen in die Mitarbeiter, der Verlust der anvertrauten Gelder hat sie getroffen. "Aber es hat mir geholfen, dass Menschen an meiner Seite standen, aus der Dekanatssynode, aus der Stadtgesellschaft", sagt sie.

Im Scheitern sei es wichtig, zu unterscheiden "zwischen der eigenen Person und dem, was passiert", sagt die Theologin. Und: "Es gibt Erfahrungen, die zur eigenen Lebensgeschichte gehören und mit denen man seinen Frieden machen muss".

Barbara Kittelberger ist eine Gestalterin und Netzwerkerin. Das spiegelt sich in ihrem Faible für Gremienarbeit: 18 Jahre lang war sie gewähltes Mitglied der Landessynode und leitete dort den Unterausschuss Ethik. Unzählige Dekanatssynoden hat sie geleitet: zielstrebig, pragmatisch, detailversessen.

Geholfen hat ihr bei allem auch ihre systemische Ausbildung zur Paar- und Familientherapeutin.

"In Therapie und Supervision gibt es zwei Grundsätze: Trust the process. Und: Gehe mit dem Widerstand", sagt Kittelberger. Synodale Systeme erforderten einen langen Atem: "Oft muss man noch eine Runde machen, bis jeder verstanden hat, worum es geht." Dass sich das lohnt, davon ist sie überzeugt.

Barbara Kittelberger schied bei ihrem Abschiedsgottesdienst am vergangenen Sonntag in der Lukaskirche beglückt aus ihrem Amt. Und sie bleibt München treu. "Ich bin ein Großstadtmensch", sagt sie. Museen, Theater, Ausstellungen, das alles will sie mit ihrem Mann, der zeitgleich in Ruhestand geht, genießen.

Der erste Tagesordnungspunkt im Rentnerdasein lautet: Innehalten, zu sich finden, nicht gleich in die nächste Kurzatmigkeit stolpern. Doch lange wird es sicher nicht dauern, bis Barbara Kittelberger sich, dann auf andere Weise, wieder einmischt in ihre Stadt.