Pfarrerin Hanna Jacobs hatte Mitte Mai in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" dafür plädiert, den Sonntagsgottesdienst abzuschaffen. Daraufhin habe sie viele negative Reaktionen auf sozialen Medien und per Mail erhalten. Sie sei "direkt persönlich angegangen" worden, sagte Jacobs der in Frankfurt am Main erscheinenden Monatszeitschrift "chrismon" in einem online am Donnerstag erschienenen Interview: "Ich sei faul, wolle keine Gottesdienstvorbereitung machen. Oder: Ich sei unfähig, es liege an mir und meiner Arbeit, dass keiner bei mir in den Gottesdienst komme. Ich hätte meinen Beruf verfehlt und sei dumm." 

Auch wir haben durch Interviews auf Hanna Jacobs’ Plädoyer geantwortet und darüber berichtet. Auch wir haben ihr Statement damit kritisiert oder zumindest kommentiert. Aber egal, was man von Jacobs’ Meinung über die Abschaffung des Gottesdienstes am Sonntagmorgen halten mag: 
Dies sollte nie ein Grund sein, Menschen persönlich anzugehen. 

Ganz im Gegenteil. 

Ein belebter Diskurs, offener Meinungsaustausch und konstruktive Kritik werden uns weiterbringen. Wenn Personen, die ihre Meinung sagen und Änderungen vorschlagen sofort zur Zurückhaltung gedrängt und von Menschen anderer Meinung beleidigt werden, wird sich niemand oder zumindest kaum jemand so etwas noch trauen. Das darf auf keinen Fall geschehen. Veränderungen müssen immer angestoßen, neue Meinungen gehört und Traditionen hinterfragt werden können. Nur so können wir sichergehen, dass unsere Strukturen weiterhin für unsere Gemeinschaft geeignet sind und Platz zur Entfaltung und für neue Ideen lassen. Dieser Mut zur Infragestellung darf nicht direkt überwalzt werden. 

Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind aber niemals der richtige Weg

Natürlich ist es immer erlaubt in den Diskurs miteinzusteigen, die neuen Vorschläge ebenfalls zu hinterfragen oder zu kritisieren und für das Beibehalten bewährter Methoden zu argumentieren. Jede Person, die etwas öffentlich anstößt, muss Gegenwind erwarten. 

Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind aber niemals der richtige Weg. Hanna Jacobs sagte im chrismon-Interview, dass viele der Absender dieser negativen Nachrichten andere Pfarrer gewesen sein. Besonders unter "Kollegen" und unter anderen Mitgliedern der evangelischen Kirche in Deutschland sollte man doch erwarten, dass sie mit ein wenig mehr Professionalität und Freundlichkeit an die Sache herangehen. Das Schwierige dabei ist immer, dass eine E-Mail oder ein Kommentar auf sozialen Medien schnell mal geschrieben sind. Und schnell vergessen wir, dass eine echte Person dahinter steht, die sich diese Kommentare durchliest und uns ja nichts Böses wollte. Oft würde ein persönliches Gespräch komplett anders ausgehen. Im Angesicht des Gegenübers würden wir meistens nicht direkt sagen, dass jemand "dumm" ist oder zu seiner Arbeit unfähig. Da wären die meisten von uns gewiss rücksichtsvoller und empathischer und es würde gar nicht erst soweit kommen. 

Gehen wir also weiterhin gerne in interessante Diskussionen und finden gemeinsam Kompromisse. Arbeiten wir zusammen an neuen Lösungen und bleiben dabei immer unseren christlichen Werten treu. Und vor allem: Bevor wir eine Nachricht oder einen Kommentar abschicken, lesen wir ihn noch einmal durch und reflektieren uns selbst. Möchten wir so eine Nachricht wirklich einer anderen Person senden und würden wir so eine Nachricht selbst erhalten wollen oder sollten wir die Wortwahl noch einmal überdenken? 

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