Normalerweise ist die Vorweihnachtszeit für Musiker und Sänger gespickt voll mit Terminen. Weihnachts- und Adventsfeiern, Gottesdienste und Konzerte bescheren Künstlern einen Großteil ihrer Jahreseinnahmen.

Existenzielle Bedrohung für Kulturschaffende durch Corona-Maßnahmen

Von den Corona-Lockdowns ausgebremst sind viele Kulturschaffende in existenzielle Not geraten. "Es trifft alle," sagte Thomas Nowack von der christlichen Künstlervereinigung "Das Rad" (München) sonntagsblatt.de.

"Einige werden das nicht überleben, auch Häuser wird es treffen," prophezeit Nowack. Die Stadt München etwa habe bereits angekündigt, 2021 rund 25 Millionen Euro weniger für Kultur auszugeben.

"Da drohen amerikanische Verhältnisse," sagt Thomas Nowack. Künstler könnten dann weniger auf Subventionen setzen.

Digitale Bühne im Internet

Eine Chance in der Krise ist für viele Künstler das Internet. Statt vor Konzertpublikum aufzutreten, nutzen sie die digitalen Medien als Bühne. Es sei zwar schöner, vor jubelndem Publikum zu spielen, meint etwa die Sängerin Sefora Nelson aus Backnang (Rems-Murr-Kreis). Das Internet biete ihr dennoch eine "Gottmöglichkeit", für die sie gebetet habe.

Über ein Ticketsystem hat die studierte Theologin für ihr letztes Konzert mehr als 1.000 Karten verkauft und damit mehr Zuhörer erreicht als zuvor im Konzertsaal.

Die hochwertigen, aufwendig produzierten Konzerte für das Internet schaffen außerdem Arbeit für Musiker, Techniker, Kameraleute - Betroffene des Kultur-Lockdowns aus der zweiten Reihe. "Künstler wollen gebucht und bezahlt werden," ist Sefora Nelson überzeugt.

Digitaler Austausch mit dem Publikum

Die größere Reichweite sehen auch der Liedermacher Christoph Zehendner aus Triefenstein und Mike Müllerbauer aus Augsburg als Vorzug des Internets. "Wir haben sogar Klicks aus Thailand," erzählt Müllerbauer.

Zusammen mit seiner Familie veranstaltet Müllerbauer wöchentlich ein Wohnzimmerkonzert auf YouTube. Bei dieser "Kirche von zuhause" stehe weniger das Geld aus Spenden im Vordergrund als vielmehr die Lust aufzutreten und für Menschen da zu sein, sagt er.

Der Theologe und Journalist Christoph Zehendner schätzt ebenfalls den Austausch mit dem Publikum bei Livestreams. "Musik und Gesang sind gerade jetzt eine Art musikalische Seelsorge," weiß er aus zahlreichen Rückmeldungen zu seinen Mitsingkonzerten.

Mit der Gemeinschaftsinitiative "Künstler unterstützen" helfen

Virtuelle Eintrittsgelder allerdings seien Notlösungen. Um existenziell bedrohten Kollegen zu helfen, hat Zehendner die Gemeinschaftsinitiative "Künstler unterstützen" ins Leben gerufen. Innerhalb weniger Wochen kamen so "geschenkte" 28.500 Euro zusammen, die direkt bedürftigen Künstlern zugutekamen.

Wer als Künstler mehrgleisig unterwegs ist, also zusätzlich einen sogenannten "Brotberuf" ausübt, ist besser dran als diejenigen, die ausschließlich von der Kunst leben. Viele Künstler unterrichten. Dirk Knauer aus Oberderdingen-Flehingen etwa gibt Gitarrenunterricht. Daneben macht er zusammen mit seiner Kindergruppe "Dirk und wir" an die zwanzig Auftritte im Jahr.

Geld vom Staat wegen des Lockdowns bekommt Dirk Knauer nicht, denn er arbeitet ja noch als Lehrer. Er kann davon leben. Andere Künstler, die nicht so viele Schüler haben und auf Überbrückungshilfen für die Studiomiete oder gar den nächsten Einkauf angewiesen sind, trifft diese Regelung hart. "Einige arbeiten im Kurierdienst, andere haben Hartz IV beantragt," schildert Christoph Zehendner die Not.

Die Branche christlicher Musik ist bedroht

Ganz besonders bedrohe der Ausfall von Konzerten die Branche christlicher Musik. "Die ist winzig," sagt Sefora Nelson. Auch der Pianist Timo Böcking gehört dazu. Als Christ wolle er weitergeben, "was mich tröstet und mir Mut macht," sagt Böcking. Die Menschen hätten einen großen Bedarf an Musik, gerade auch an kirchlicher Musik, weiß er.

Gemeinsam mit der Geigerin Anna-Dorothea Mutterer aus Würzburg bietet er in der Pandemie Kurz-Konzerte in großen Sälen an. Ob die Kunst auf Dauer eine berufliche Perspektive bieten könne, sieht der 33-Jährige allerdings skeptisch.

"Die Situation ist wirklich dramatisch", sagt Thomas Nowack und fordert vom Deutschen Kulturrat als Organisation der Kunstschaffenden ein deutlicheres Auftreten gegenüber der Politik.