Archäologen haben wohl größten Pestfriedhof in Deutschland entdeckt

Nürnberg (epd). Bei Bauarbeiten in Nürnberg ist nach Auskunft der Archäologen Deutschlands größter Pestfriedhof gefunden worden. Westlich der historischen Altstadt seien acht Massengräber entdeckt worden, berichtete die Nürnberger Stadtarchäologin Melanie Langbein am Dienstag bei einer Ortsbegehung. Zurzeit würden die sterblichen Überreste von Menschen aus zwei Massengräbern geborgen. Man habe darin bereits über 800 Tote gezählt.

Einer vorsichtigen Hochrechnung zufolge gehe es in Nürnberg um über 1.000 Nürnberger Pesttote. Bisher befinde sich Europas größter Pestfriedhof in St. Pölten in Österreich mit über 2.000 Toten, sagte Langbein.

Nach ersten Auswertungen könnten sie Opfer der großen Pestwelle in den beiden Jahren 1632 und 1633 sein, die in der einstigen Reichsstadt über 15.000 Tote forderte. Das sei aus historischen Schriften bekannt.

Zudem konnten Münzen aus der Zeit, Überreste von Kleidungen, Knöpfe und Haken geborgen werden. "Es sind komplizierte und langwierige Arbeiten", sagte Langbein. Bei manchen Toten wurden noch Überreste von Leichentüchern entdeckt, ihre Arme lagen eng am Körper. Andere Pesttote wurden einfach in die Grube geworfen. Ihre Extremitäten lagen auch auf anderen Pestopfern. "Im Eifer des Gefechts wurde damals nicht sorgfältig mit den Toten umgegangen", vermutet Langbein.

Die Dimensionen der Funde ließen sich noch nicht abschätzen, sagte die Archäologin "Im Massengrab 2 sind wir bei der 14. Lage von Toten übereinander angekommen und noch nicht ganz unten." Auch wenn der Bauherr, die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBG auf wenig Verzögerungen bei dem Bauvorhaben hofft, die Stadtarchäologin lässt sich nicht treiben. "Wir graben Wissen aus. Der wissenschaftliche Wert ist enorm, der materielle Wert überschaubar." Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie habe Interesse an einer Kooperation zur wissenschaftlichen Auswertung bekundet.