München (epd). Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) lehnt den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zu verpflichtenden Videoaufnahmen bei Strafprozessen ab. Käme der Entwurf so durch, entstünde den Ländern ein "großer finanzieller Aufwand", sagte Eisenreich am Donnerstag. Die Pläne seien völlig "undurchdacht" und von "geringem Nutzen". Statt einer Entlastung der Justiz komme "eine neue unnötige Belastung", erläuterte der Minister. Praktiker aus der bayerischen Justiz befürchteten zudem, dass Videoaufzeichnungen die Aussagebereitschaft und das Aussageverhalten von Zeugen verschlechtern.

Dem Referentenentwurf zufolge sollen Hauptverhandlungen in Strafsachen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten in erster Instanz künftig standardmäßig als Video aufgezeichnet werden. Wenn Zeugen bei ihrer Aussage gefilmt würden, "fühlen sie sich möglicherweise gehemmt und eingeschüchtert", betonte Eisenreich. Dies gelte vor allem für Verfahren in sensiblen Bereichen, wie Sexualdelikten oder Jugendschutz. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Videos - die allen Verfahrensbeteiligten im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung stehen müssen - illegal weitergeleitet und als Grundlage für Racheaktionen genutzt werden.

Die Mehrkosten für die Umsetzung seien zudem erheblich. Bei etwa 5.600 Hauptverhandlungstagen und mehr als 100.000 zu erwartenden Videostunden pro Jahr beliefen sich die Gesamtkosten schon im ersten Jahr auf 36,75 Millionen Euro für Erstausstattung und Betrieb, sagte Eisenreich. Eine angemessene Beteiligung an den vom Bund verursachten Mehrkosten sei aber nicht zu erwarten.

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