München, Berlin (epd). Dem Paritätischen Gesamtverband zufolge müssen 14,2 Millionen Menschen in Deutschland zu den Armen gezählt werden. Die Armutsquote lag im Inflationsjahr 2022 bei 16,8 Prozent und damit 0,1 Prozentpunkte unter der Quote vom Vorjahr, wie aus dem Armutsbericht des Wohlfahrtsverbandes hervorgeht, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Die niedrigsten Armutsquoten haben Bayern (12,6 Prozent), Baden-Württemberg (13,5 Prozent) und Brandenburg (14,2 Prozent), die höchsten mit jeweils mehr als 19 Prozent Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bremen. In Bayern gebe es eine große Spreizung der Armutsbetroffenheit zwischen den Regionen. So reiche die Bandbreite von der Region München mit einer Armutsquote von nur 9,5 Prozent bis zu 17,1 Prozent in Oberfranken-Ost.

Auf "einen neuen traurigen Rekordwert" kletterte dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes Ulrich Schneider zufolge die Kinderarmut. 21,8 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland leben danach an oder unter der Armutsschwelle von 60 Prozent des mittleren Einkommens. Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Menschen ohne Bildungsabschlüsse und ohne die deutsche Staatsbürgerschaft sind mit einer Armutsquote von jeweils über 30 Prozent am stärksten betroffen.

Schneider machte zugleich deutlich, dass das Bild vielschichtiger ist, als es auf den ersten Blick wirkt: 70 Prozent der Armen besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, 60 Prozent haben gute Bildungsabschlüsse, und nur 6 Prozent haben keine Arbeit. Gut ein Drittel der Armen ist erwerbstätig, ein weiteres Drittel sind Rentnerinnen und Rentner.

Der Bericht des Paritätischen "Armut in der Inflation" basiert auf Daten des Statistischen Bundesamts für 2022. Methodisch wird der relative Armutsbegriff verwendet. Danach gilt ein Haushalt als arm, der über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. Bei der Ableitung vom Medianeinkommen bleibt die Armutsschwelle so lange relativ gleich, wie das mittlere Einkommen nicht steigt. Dass die ohnehin einkommensarmen Haushalte 2022 infolge der Energiekrise nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine viel mehr Geld für Lebensmittel, Gas oder Heizöl ausgeben mussten, wird nicht gemessen.

Der Bundesregierung ist es dem Paritätischen zufolge im Inflationsjahr 2022 nicht gelungen, gezielt die Ärmsten zu unterstützen. Nur zwei Milliarden Euro von insgesamt knapp 29 Milliarden Euro an Entlastungsleistungen seien an die Haushalte mit den geringsten Mitteln gegangen. Deutschland hatte 2022 die höchste Inflation seit der Wiedervereinigung. Besonders die Preise für Nahrungsmittel und Energie stiegen rasant um bis zu 20 Prozent (Nahrungsmittel) und bis zu 30 Prozent (Energie).

Die Armutsschwelle lag 2022 für einen Single bei 1.186 Euro im Monat. Für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren betrugt sie 2.490 Euro im Monat, für eine alleinerziehende Person mit zwei Kindern lag die Schwelle bei 1.897 Euro. Wer weniger zur Verfügung hat, gilt als arm.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden