München (epd). Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, hat die Aussagekraft der bayerischen Übertrittszeugnisse für den Wechsel von der Grund- auf die weiterführende Schule als mangelhaft kritisiert. "Ein inklusives Schulsystem kann zehnjährige Kinder nicht auf Grundlage eines Notenschnitts aus drei Fächern in drei Schularten sortieren - das passt nicht zusammen", sagte Fleischmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch die Dreigliedrigkeit des Schulsystems sei für die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler "so etwas wie der Heilige Gral".

Auf der einen Seite sei es gut, dass die Staatsregierung etwas gegen die fehlenden Kernkompetenzen in der dritten und vierten Klasse unternehmen will. Auf der anderen Seite wolle sich aber dieselbe Staatsregierung nicht eingestehen, dass eben die frühe Selektion der Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse "ein Teil des Problems ist". Vielmehr sähen die Staatsregierung und auch die meisten übrigen Lehrerverbände diese frühe und scharfe Selektion "als Garant für das etwas überdurchschnittliche Abschneiden bayerischer Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie" im bundesweiten Vergleich, sagte Fleischmann.

Die BLLV-Präsidentin sagte, der eigentliche Grund für dieses etwas bessere Abschneiden sei die "finanzstarke Elternschaft" in Bayern. "Mich schmerzt das gerade als Lehrervertreterin, das so zu sagen", erläuterte sie: "Aber wir haben größtenteils eine Elternschaft, die es sich leisten kann, die Lücken, die das System lässt, selbst aufzufüllen." Entweder, indem Elternteile nur in Teilzeit oder gar nicht arbeiteten und so fürs Lernen zur Verfügung stehen, oder weil man sich teure Nachhilfe oder Lern-Camps leisten kann. Der Nachhilfemarkt in ganz Deutschland boome regelrecht, in Bayern allerdings noch einmal besonders.

Regelrecht erbost sei sie zudem über Aussagen von Politikerinnen, Politikern und Verbandsvertretern, die behaupteten, die bayerische Mittelschule sei doch "eigentlich die beste Schule überhaupt". So etwas komme meistens von Menschen, "die nie auf der Mittelschule waren und die auch nicht wissen, wie es sich für die Kinder anfühlt, aussortiert zu werden". Man müsse die "Prognosekraft eines Notendurchschnitts von 2,33 fürs Gymnasium oder 2,66 für die Realschule bei einem Zehnjährigen kritisch hinterfragen". Die Abschulungsquoten oder Wiederholungszahlen in Bayern seien "extrem hoch", sagte Fleischmann.

Das Übertrittszeugnis in der vierten Klasse wird am ersten Unterrichtstag des Monats Mai an alle Schülerinnen und Schüler ausgegeben. Im Schuljahr 2023/2024 ist dies der 2. Mai. Alleine der Notenschnitt der drei Fächer Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht (HSU) entscheidet über die Eignung für eine der drei weiterführenden Schularten in Bayern.

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