Berlin, Frankfurt a.M., München (epd). Nach der Enthüllung eines geheimen Treffens hochrangiger AfD-Politiker mit Rechtsextremen hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier skeptisch zu Forderungen nach einem Parteiverbot geäußert. "Ich kann die Erfolgsaussichten nicht beurteilen - ein Verfahren würde vermutlich sehr lange dauern", sagte Steinmeier der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag). Er rate deshalb "dazu, dass wir uns auf das konzentrieren, was unmittelbar in diesem Jahr möglich und notwendig ist: Wir sollten die besseren Antworten geben, wir sollten demokratische Mehrheiten organisieren und diese stärken."

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält einen Verbotsantrag gegen die AfD derzeit für falsch. "Das würde der AfD nur in die Hände spielen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstag). Der Grundgesetzartikel, der das Parteiverbot regelt, setze hohe Hürden.

Für ein Parteiverbot müssten die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie angegriffen werden, und zwar in einer aggressiv-kämpferischen Art, etwa in Form eines mehr oder weniger gewaltsamen Umsturzes, erläuterte Papier. Zudem müsste die Partei von ihrem Gewicht her in der Lage sein, die grundlegende Werteentscheidung der Verfassung zu beseitigen.

Auch wenn die AfD nach Einschätzung Papiers im Gegensatz zur NPD dieses Gewicht hätte, sieht Papier einen Verbotsantrag kritisch. Man sollte ihn nur dann stellen, "wenn man hinreichende Informationen hat, um alle die genannten Punkte wirklich zu belegen und man mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg ausgehen kann", sagte der Staatsrechtler.

Ähnlich äußerte sich die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff, die ein AfD-Verbot für unwahrscheinlich hält. Für ein Parteiverbot bedeuteten einzelne Enthüllungen wie jene über die "Remigrationspläne" in Kreisen der AfD noch nichts Entscheidendes. "Dafür kommt es auf das Gesamtbild an, also darauf, wie viel Unterstützung solche Positionen in der Partei und unter ihren Anhängern finden", sagte die ehemalige Bundesverfassungsrichterin dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Laut Lübbe-Wolff müssen die Äußerungen bei dem Treffen, bei denen zum Teil noch strittig ist, ob und wie sie gefallen sind, jedenfalls den Verfassungsschutz interessieren. Pläne einer "Remigration", für die Bürger nach ihrer Herkunft sortiert werden sollen, seien eindeutig verfassungsfeindlich.

Bundespräsident Steinmeier mahnte die Bürger zu verantwortungsvollen Wahlentscheidungen. Auf die Frage, ob die Demokratie in Gefahr sei, wenn die AfD Landtagswahlen gewinne, sagte Steinmeier der "Süddeutschen Zeitung", er "hoffe, dass jeder, der wählt, das nicht nur in einer Stimmung von Wut oder Frust tut - sondern auch im Bewusstsein über die Folgen". Vor dem Hintergrund des Treffens rechtsextremer Aktivisten zeige sich, dass man "sehr wachsam" sein müsse.

Für ein Verbot der AfD demonstrierten am Freitagabend nach Polizeiangaben rund 350 Menschen vor dem Kanzleramt in Berlin. Das Recherche-Netzwerk "Correctiv" hatte am vergangenen Mittwoch über das Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende November in Potsdam berichtet. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt. Die Enthüllung befeuert erneut die Debatte über einen Antrag für ein Verbot der AfD, den Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen müssten.

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