München (epd). Die Geschäftsführung der Ippen-Gruppe hat eine geplante Berichterstattung zu vermeintlichem Machtmissbrauch in der Verlagsgruppe Axel Springer durch sein Investigativteam gestoppt. Die Entscheidung sei den Redaktionsleiterinnen und -leitern im Unternehmen vom Chefredakteur der Ippen-Digital-Zentralredaktion, Markus Knall, mitgeteilt worden, heißt es in einem Protestbrief des Teams von Ippen Investigativ, das die Recherche vorgenommen hatte. Das Rechercheteam sei "schockiert von dieser Entscheidung".

Die Berichterstattung zum Umgang mit Mitarbeiterinnen insbesondere durch den "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt und weiteren Missständen bei Axel Springer sei für den vergangenen Sonntag geplant gewesen. Ein Sprecher des Verlages verteidigte den Stopp der Veröffentlichung und führte an, dass Ippen mit dem Springer-Verlag in einem Wettbewerb steht.

In dem Protestbrief heißt es, die Recherche sei redaktionell und juristisch über Monate abgestimmt worden. Die Journalistinnen und Journalisten hätten "nach allen Standards der investigativen Recherche gearbeitet und wasserdichte, zur Veröffentlichung geeignete, neue und exklusive Informationen recherchiert". Die Entscheidung der Geschäftsführung und des Verlegers Dirk Ippen widerspreche "allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung" und sei "eine absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag". Das Portal "Übermedien" und die "New York Times" hatten zuerst über den Vorgang berichtet.

Ein Ippen-Sprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag, das Unternehmen müsse als Mediengruppe im direkten Wettbewerb mit der "Bild" "sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden". Die Entscheidung sei weder leicht noch schnell gefallen. "Am Ende ist es aber klar das Recht eines Verlegers, Richtlinien für seine Medien vorzugeben", sagte er. Eine Beeinflussung durch Springer habe es nicht gegeben.

Vonseiten des Konzerns Axel Springer hieß es, es habe mit Wissen des Medienhauses keinen Versuch gegeben, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung zu verhindern. "Davon unbenommen sind rechtliche Hinweise, die der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter dienen", sagte ein Unternehmenssprecher dem epd. Generell müsse aber eine kritische Berichterstattung "eine Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre von Mitarbeitern sowie insbesondere - in diesem konkreten Fall - von Zeugen geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens strikte Anonymität zugesichert wurde", sagte er.

Die Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen den "Bild"-Chefredakteur Reichelt stehen bereits seit Anfang März im Raum. Damals hatte der "Spiegel" berichtet, dass rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen dem Medienhaus Vorfälle aus den vergangenen Jahren angezeigt hätten. Nach der Veröffentlichung der Anschuldigungen wurde Reichelt auf eigenen Wunsch freigestellt, das Unternehmen leitete eine Compliance-Untersuchung zur Prüfung der Vorwürfe ein. Ende März kehrte Reichelt an seinen Arbeitsplatz zurück. Zur Begründung hieß es, der Vorstand des Medienkonzerns sehe es trotz bei der Untersuchung festgestellter Fehler in der Amts- und Personalführung als nicht gerechtfertigt an, Reichelt von seinem Posten abzuberufen.

Scharfe Kritik an dem Vorgehen des Ippen-Verlags äußerte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). "Sollten die Vorwürfe des Ippen-Investigativteams zutreffen, dass Herr Ippen persönlich die Berichterstattung verhindert hat, dann wäre das ein massiver Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit und die innere Pressefreiheit der Redaktion bei der Ippen-Gruppe", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Verleger dürften sich grundsätzlich nicht in redaktionelle Entscheidungen einmischen.

Für die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.de erklärte die Bundesvorsitzende der dju, Tina Groll: "Ein solches Vorgehen ist unerhört und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit dar."