München (epd). Noch nie sind in einem Jahr so viele Menschen aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ausgetreten wie im vergangenen Jahr. Insgesamt kehrten 48.542 Menschen der evangelischen Kirche den Rücken, wie diese am Dienstag mitteilte. 2021 lag die Zahl der Austritte bei 36.580. Die Zahl der Mitglieder der bayerischen Landeskirche sank zum Stichtag 31. Dezember 2022 auf ungefähr 2,143 Millionen Menschen. Eingetreten sind in die Kirche im vergangenen Jahr 2.786 Menschen, 2021 waren es 2.330 Personen.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte, die bayerische Landeskirche schaue angesichts dieser Zahlen nicht weg, sondern stelle sich der Realität: "Auch wenn es schmerzt." Studien zeigten der Kirche die Gründe für die Kirchenaustritte, sagte er. So werde in der "heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft" der christliche Glaube "in den Familien nicht mehr als Selbstverständlichkeit gelebt und weitergegeben". Weil Menschen heutzutage "allein aus Freiheit" Kirchenmitglied seien, seien die aktuellen Mitgliederzahlen "auch ehrlicher als früher".

Die Kirche reagiere auf diese Situation, sagte Bedford-Strohm. Man sei "mittendrin, die Kirche umzubauen", damit sie attraktiver wird für religiös ansprechbare Menschen: "Für Menschen, die nach dem Sinn in ihrem Leben suchen. Ein Patentrezept werde es aber nicht geben, sagte der Landesbischof. Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel sagte, die Kirche brauche "Mut, über zeitgemäßes Christsein nachzudenken und Neues auszuprobieren". Die Kirche der Zukunft müsse eher ein flexibles Netzwerk als eine starre Organisation sein.

Ein erster Schritt sind die 40 kirchlichen Start-ups, für die die Landeskirche vor einem Jahr drei Millionen Euro in die Hand genommen hat, um neue Formen von Kirche auszutesten. Ein Beispiel für diese Start-ups ist die Aktion "einfach heiraten" am 23. März, wenn sich an mehr als zwölf Standorten in Bayern die Kirchen öffnen und die Menschen ohne aufwändige Vorbereitung und große Feier kirchlich heiraten können (sofern sie schon standesamtlich getraut sind) oder einen Segen für ihre Partnerschaft empfangen können, teilte die Kirche mit.

Auch bundesweit sinkt die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder stark. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover mitteilte, waren im Jahr 2022 rund 19,1 Millionen Deutsche evangelisch, das ist ein Anteil von 22,7 Prozent an der Bevölkerung. Das waren rund 575.000 oder 2,9 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Damit erreichte der Mitgliederverlust einen neuen Rekordwert. Im vergangenen Jahr übertraf auch die Zahl der Kirchenaustritte (380.000) erstmals die Zahl der Sterbefälle (365.000), teilte die EKD mit.

Mitgliederzahlen für die 27 katholischen Erzbistümer und Bistümer liegen noch nicht vor. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht ihre Statistik im Sommer.

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