Düsseldorf, Nürnberg (epd). Nach Einschätzung des Migrationsforschers Herbert Brücker wird die Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte für Asylbewerber nicht dazu führen, dass Asylantragszahlen reduziert oder Rücküberweisungen in die Herkunftsländer verhindert werden. "Die Effekte, die man sich von einer Bezahlkarte für Asylbewerber erhofft, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten", sagte der Migrationsexperte vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag).

Es gebe so gut wie keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerber die Zahl der Asylanträge beeinflusst. Dies gelte für Barzahlungen wie für Coupon-Zahlungen, sagte Brücker. Auch das Argument der Bezahlkarten-Befürworter, dass viele Asylbewerber Rücküberweisungen in ihre Herkunftsländer tätigen würden, lasse sich empirisch nicht belegen.

"Wir wissen aus Studien, dass nur zehn bis 20 Prozent der Asylbewerber überhaupt solche Rücküberweisungen tätigen." Nur ein sehr kleiner Kreis von Flüchtlingen überweise also Geld zurück in die Heimat, erläuterte Brücker. Auch seien die überwiesenen Summen sehr gering. Wenn es doch zu Rücküberweisungen komme, sei deren Effekt "nicht per se negativ". "Denn mit dem Geld werden in der Regel Familienangehörige unterstützt, die dadurch eher in ihren Ländern bleiben, weil sich ihre Lebensumstände verbessern." Die Vorstellung, dass mit deutschen Asylbewerberleistungen Schlepper finanziert würden, nannte der Forscher "schlichtweg realitätsfern".

Umgekehrt könne es sogar negative Effekte geben, wenn die Bezahlkarte nicht klug ausgestaltet sei. "Sollte diese Karte etwa auf bestimmte Anbieter wie Supermarktketten beschränkt sein, kann es dort zu Preiserhöhungen kommen." Denn diese könnten ihre Preise anpassen, wenn sie wissen, dass Asylbewerber nicht so einfach auf andere Anbieter ausweichen können, gab Brücker zu bedenken.

Insgesamt 14 von 16 Bundesländern verständigten sich am Mittwoch auf ein gemeinsames Vergabeverfahren für eine Bezahlkarte für Asylsuchende. Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen einen Teil der Leistungen künftig als Guthaben auf dieser Karte anstelle einer Barauszahlung erhalten können. Mit der Bezahlkarte solle auch der Verwaltungsaufwand in den Kommunen gesenkt und die Möglichkeit, staatliche Geld in die Herkunftsländer zu überweisen, unterbunden werden. Die Bezahlkarte soll guthabenbasiert und ohne Kontobindung sein. In welcher Höhe Leistungen dann noch in Bargeld ausgezahlt werden, soll jedes Bundesland selbst entscheiden können. Außerdem soll die Nutzung der Karte regional eingeschränkt werden können.

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