Würzburg, London (epd). Der international renommierte Terrorismusforscher Peter Neumann rechnet trotz eines erheblichen Gewaltpotenzials in rechtsgerichteten Kreisen nicht mit Umsturzversuchen. Die AfD-Spitze favorisiere "eher den schleichenden Weg" des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, sagte Neumann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Plan rechter Vordenker sei es, sämtliche Institutionen der liberalen Demokratie schrittweise auszuhöhlen: Justiz, Medien, Parlament und anderes mehr.

Deshalb sei es gefährlich, den Rechten "einfach mal eine Legislaturperiode" das Regieren zu überlassen, sagte der 48-jährige Neumann, der Professor für Sicherheitsstudien am Londoner King's College ist. Sie würden das System "schleifen", indem sie AfD-Sympathisanten an entscheidenden Stellen platzieren. So würde zwar am Ende noch ein demokratischer Anschein gewahrt. Aber letztlich hätten die Opposition oder die Medien dann keine Chance mehr, eine rechte Regierung noch effektiv zu kontrollieren, mahnte er.

Die Ursache für den Erfolg der AfD sowie anderer rechter und rechtsradikaler Parteien in ganz Europa sieht er in der Abstiegsangst des Mittelstands angesichts der vielen Krisen der vergangenen Jahre. Laut Neumann ist es ein "weitverbreitetes Missverständnis", dass vor allem Unterprivilegierte und Abgehängte rechte Politiker wählten. "Rechtsextremismus hat schon immer vorwiegend jene Leute angesprochen, die noch etwas zu verlieren haben." Dies habe man auch beim Brexit-Votum oder der Trump-Wahl gesehen.

Dass sich die AfD in den vergangenen Jahren derart schnell radikalisiert habe, sei "an sich nichts Besonderes", sagt der aus Würzburg stammende Terrorexperte Neumann: "Das ist bisher mit jeder Partei rechts der Union in der Geschichte der Bundesrepublik passiert." Allerdings habe das bisher den betreffenden Parteien geschadet, der AfD nutze es aber, "je extremer sie auftritt". Früher sei es für Parteien "quasi der Todesstoß gewesen, wenn sie als Nazi-Partei wahrgenommen wurde".

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