Geschwister von Kindern mit Behinderung oder einer schweren Erkrankung können laut Expertenmeinung eine Chance für die ganze Familie sein. "Sie haben einen ganz anderen Zugang zu ihrem Bruder oder ihrer Schwester und werden oft zu sehr sozialen und empathisch denkenden Erwachsenen", sagt Hildegard Metzger, stellvertretende Landesvorsitzende der Lebenshilfe Bayern, im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Um die Aufmerksamkeit auf die oft weniger im Fokus stehenden Kinder zu lenken, veranstaltet der Runde Tisch der Geschwister vom 25. bis 31. Juli eine Geschwisterwoche mit verschiedenen Veranstaltungen.

Verantwortung von alleine lernen

Hildegard Metzger, die selbst zwei inzwischen erwachsene Kinder mit und ohne Behinderung hat, kennt die schwierige Situation der Geschwister.

"Sie rutschen oft ganz von allein in eine Verantwortungsrolle mit rein."

Gerade bei Alleinerziehenden seien Geschwister oft eine wichtige Stütze im Alltag. Dabei müsse man auch die Bedürfnisse des nicht-behinderten Kindes im Blick behalten. "Wir haben auch mal allein mit unserem Sohn Urlaub gemacht, damit er unsere volle Aufmerksamkeit bekommt und nicht immer nur seine Schwester", erzählt Metzger. Möglich gewesen sei das nur durch den familienunterstützenden Dienst der Lebenshilfe.

Schuldgefühle sind auch möglich

"Ich habe auch extreme Beispiele erlebt, wo Kinder voll eingebunden waren und auch im Erwachsenenalter schwer davon loskamen, weil sie immer ein Schuld- und Verantwortungsgefühl hatten", sagt Metzger. Andere Kinder rebellierten irgendwann. Im Erwachsenenalter komme oft die Frage dazu, wie es weitergehe, wenn die Eltern einmal nicht mehr für das Kind mit Behinderung oder schwerer Erkrankung sorgen können.

Bei einem Online-Themenabend werden im Rahmen der Geschwisterwoche Tipps zur Organisation und zum bürokratischen Rahmen gegeben.

"Trotzdem war es für uns wichtig, dass unser Sohn auch irgendwann seine eigene Familie hat und sein Leben lebt."

Kindern tut Vernetzung gut

Wichtig sei es für Geschwister zu erfahren, dass sie nicht die einzigen in einer solchen Situation sind. "Es tut den Kindern gut, wenn sie sich vernetzen und das Gefühl haben, dass sie offen darüber reden dürfen", ist Metzger überzeugt. Auch wenn es den Kindern nicht sofort leicht falle, über ihre Situation zu sprechen.

"Oft laufen sie einfach mit und werden schnell übersehen. Deshalb müssen wir das Familiensystem stärken und das Mobile, das die Familie ist, wieder ins Gleichgewicht bringen."

Dabei helfen auch Unterstützungsangebote der Lebenshilfe und anderer Institutionen.