Es höre sich auf den ersten Blick widersprüchlich an, gibt der Vorsitzende des Finanzausschusses des bayerischen evangelischen Kirchenparlaments, Joachim Pietzcker, zu. Während die Kirchensteuereinnahmen sinken, soll die Landessynode bei ihrer Herbsttagung (22. bis 26. November) einem dreistelligen Millionen-Projekt zustimmen.
Die Rede ist von der ehemaligen Oberpostdirektion in Nürnberg in unmittelbarer Nähe des Rathenauplatzes, einem rund 50 Jahre alten Bau, den die evangelische Landeskirche vor drei Jahren für 49 Millionen Euro als Ertragsimmobilie gekauft hat.
Das Projekt
Er soll zum Evangelischen Campus Nürnberg (ECN) werden, genutzt als Dienst- und Erwerbsimmobilie. Hierüber sollen die 108 Synodalen einen eigenen Beschluss fällen, "um die Bedeutung des Vorhabens deutlich zu machen", sagt Projektleiter und Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche.
Rund 100 Millionen Euro soll der Umbau kosten. Diese Kosten setzen sich zusammen aus 25 Millionen Euro Eigenkapital, 35 Millionen Euro staatlicher Förderung und der Aufnahme von Fremdkapitel.
"Es ist keine Frage, dass sich das die Landeskirche leisten kann, sondern es geht um eine inhaltliche Frage", sagt Nitsche. Nach dem Umbau und einer eventuellen Erweiterung soll mit einer Nutzfläche von 33.500 Quadratmetern das bisher recht uncharmante Gebäude ein Ort für Bildung und Diakonie sein und ein völlig anderes Gesicht haben, versprechen die Planer. Es soll von Nachhaltigkeit zeugen und "in die Stadtgesellschaft hinein offen sein", sagt Nitsche.
Größtmögliche Transparenz
Der Projektlenkungsausschuss ECN hat größtmögliche Transparenz angekündigt. Schon zur letzten Synodentagung im September in Geiselwind hat es eine farbige Informationsbroschüre für die Synodalen gegeben.
In der vergangenen Woche konnten die Kirchenparlamentarier bei einer speziellen Videokonferenz all ihre Fragen zum ECN stellen: Wer wird dort einziehen, wie weit ist es zum Bahnhof, ist das gut durchgerechnet, wird das Geld für das Projekt bei den Gemeinden weggenommen? In den synodalen Arbeitskreisen ist der ECN ebenfalls noch einmal Thema.
Nutzung der Räumlichkeiten
In den Campus einziehen wird die Evangelische Hochschule Nürnberg (EVHN), die im bisherigen Standort nicht mehr genügend Raum hat, der CVJM will dorthin umsiedeln und die evangelische Jugend.
Weitere kirchliche Einrichtungen, die bisher in Nürnberg verteilt sind, wollen mit dabei sein. Manche sind in Gebäuden untergebracht, die ohnehin renovierungsbedürftig sind.
Für alle Nürnberger zugänglich sein soll eine "Heavens-Lounge" auf dem Dach des ECN mit dem Blick auf die Burg und über die Stadt. Ein zentraler Veranstaltungsraum mit 600 Quadratmetern kann angemietet werden oder könnte ein Tagungsort für die Synode werden.
"Es ist eines der Bauteile, die wir komplett neu bauen", sagt der landeskirchliche Architekt Sebastian Hagemann, der das Projekt betreut.
Kritische Stimmen zum Projekt
Kritiker gibt es nach wie vor, die befürchten, dass sich die Kirche mit dem Projekt überhebt. Andere sagen, dass der Großumbau in Zeiten der Pandemie ein schlechtes Zeichen sei.
Die Präsidentin der EVHN, Barbara Städtler-Mach, sagt im Gespräch mit Sonntagsblatt.de, sie verstehe, wenn sich mit dem Blick auf zurückgehende Kirchensteuereinnahmen und einer schwierigen Zukunft für die Kirche Kritiker zu Wort melden. Aber ihre Hochschule muss im Studienjahr 2022/23 unbedingt neue Räume haben, besonders wegen des neuen Pflegestudiengangs.
"Wir brauchen etwa 10.000 Quadratmeter Fläche", erklärt sie. Die Akademien der Rummelsberger Diakonie haben ebenfalls Bedarf angemeldet.
Auch Regionalbischof Stefan Ark Nitsche sagt, die Stimmen der Skeptiker seien ernst zu nehmen. Beispielsweise solche, die fragen, ob ein Gebäude dieser Größenordnung der Kirche in der jetzigen Situation gut anstehe.
Argumente für den Umbau
"Aber wir haben gute Argumente für das Gebäude", ist er sicher. Wenn man über Nürnberg blicke, könne man sehen, dass die Stadt historisch von evangelischen Kirchen geprägt sei.
Es stelle sich die Frage, sagt der Projektleiter, "ob wir nur mit unserer Geschichte in der Stadt präsent sein wollen, oder zur menschenfreundlichen lebendigen Gesellschaft mit dem Gebäude noch einen zusätzlichen Akzent setzen."