Immer wieder wird gefragt, wie Kommunen oder Veranstalter mit Kulturschaffenden umgehen sollen, die sich problematisch bis extremistisch äußern. In Nürnberg führten geplante Auftritte einer rechtsextremistisch aufgefallenen Band und eines Verschwörungsideologien verbreitenden Redners zu öffentlichen Protesten, zumal sie auf dem historisch belasteten ehemaligen Reichsparteitagsgelände stattfinden sollten.
Julia Lehner (CSU), Kulturbürgermeisterin der Stadt Nürnberg, wünscht sich im Gespräch mit dem Sonntagsblatt eine breite öffentliche Diskussion bei jedem einzelnen Fall.
"Im Fall der Band Pantera hat der private Veranstalter von Rock im Park entschieden, den Auftritt abzusagen."
Frau Lehner, wie weit geht die Verantwortung der Stadt bei kulturellen Auftritten?
Julia Lehner: Wir leben in einer Demokratie und das bedeutet, Meinungsfreiheit und künstlerische Freiheit zu gewährleisten. Das wird natürlich auf eine Belastungsprobe gestellt durch Auftritte von Menschen oder Gruppen, die extremistische Thesen vertreten. Damit gilt es umzugehen und dafür haben wir gesetzliche Rahmenbedingungen.
Im Kontext der künstlerischen und der Meinungsfreiheit ist das in der Beurteilung aber auch immer wieder problematisch. Als Stadt müssen wir diskursiv darauf reagieren. Dabei geht es nicht nur um Bürokratie, sondern auch um die Haltung der Gesellschaft. Im Fall der Band Pantera hat der private Veranstalter von Rock im Park entschieden, den Auftritt abzusagen. Ein Veranstalter kann leichter und schneller reagieren als eine Kommune. Unser rechtlicher Spielraum ist da sehr übersichtlich.
"Wir spüren, dass unsere demokratischen Prozesse nicht so stabil sind, wie wir sie gerne hätten."
Bei dem Auftritt des Verschwörungsideologien verbreitenden Redners Daniele Ganser hat die Stadt dennoch nach großer öffentlicher Kritik den Auftritt untersagt. Einige kritisieren, dass die Stadt früher hätte reagieren müssen und fordern, gerade auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände besonders genau hinzuschauen.
Genau dieses Gelände wollen wir ja der demokratischen Gesellschaft übereignen. Daran wurde jahrzehntelang gearbeitet. Die Frage ist: Sind wir dabei gescheitert? Es gibt durchaus auch Stimmen, die fragen, ob unsere Demokratie bereits so instabil ist, dass wir zensieren müssen. Die fragen, ob wir am Ende des Tages so nicht auch eine Diskussion abbinden.
Für mich wäre politische Bildung an dieser Stelle am wichtigsten. Wir spüren offensichtlich, dass unsere demokratischen Prozesse nicht so stabil sind, wie wir sie gerne hätten. Dem kann man nur durch Diskussion und Offenheit begegnen. Man muss sich damit auseinandersetzen und das wünsche ich mir auch von der Stadt und der Gesellschaft.
"Ein Demokratie-Check" in Verträgen mit Veranstalter*innen kann und sollte erörtert werden."
Die SPD-Stadtratsfraktion hat vorgeschlagen, künftig einen Demokratie-Check in Verträgen mit Veranstalter*innen zu etablieren. Was halten Sie davon?
Das kann und sollte erörtert werden. Dann dürfen dazu aber nicht nur das ehemalige Reichsparteitagsgelände oder die Meistersingerhalle gehören, sondern alle Veranstaltungsorte. Das müssen wir erst einmal gemeinsam diskutieren, unbedingt auch mit der Bürgerschaft und der Künstlerschaft.
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