Migrant*innen seien nicht automatisch frei von Rassismus, sondern spiegelten die gesamte Gesellschaft wider. Daher könne es auch in Integrationsbeiräten selbst zu rassistischen Äußerungen kommen, sagt am Donnerstag Mitra Sharifi, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte in Bayern (Agaby) dem Sonntagsblatt.

"Wir alle sind in irgendeiner Form mit rassistischen Denkweisen sozialisiert und das prägt auch Menschen mit Migrationsgeschichte - in Deutschland oder in ihren Herkunftsländern. Wir werden diese Vorurteile erst los, wenn wir uns damit auseinandersetzen."

Mit Blick auf die vor kurzem bekannt gewordenen Vorwürfe gegen einzelne Mitglieder des Nürnberger Integrationsrates wegen früherer teils antiziganistischer Äußerungen wünscht sich Sharifi, "dass dem Beirat die Chance gegeben wird, sich selbst damit auseinanderzusetzen". Sie erwarte das auch.

Rassismus ist Machtfrage

Rassismus sei immer eine Machtfrage. So gebe es auch unter verschiedenen Migrantengruppen unterschiedliche Machtpositionen, die Rassismus begünstigen könnten:

"Gerade Vorurteile gegen Roma und Sinti sind leider weit verbreitet, in Deutschland und in anderen Ländern."

Wenn diskriminierende Äußerungen länger zurückliegen, sei es jedoch schwer einzuschätzen, ob die Personen in der Zwischenzeit nicht eine Entwicklung durchgemacht hätten, sagte Sharifi, die auch Vorsitzende des Integrationsrates in Bamberg ist. Wenn sich nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema einzelne Personen weiterhin rassistisch äußerten, müsse dies Konsequenzen haben.

Keine rassismusfreien Institutionen in Deutschland

"Man kann zwar gewählte Vertreter nicht einfach rausschmeißen, so wie das auch in Parlamenten nicht geht, aber man kann sich klar von ihnen distanzieren. Solche Personen haben in so einem Gremium nichts zu suchen", sagt sie. Zunächst sollte die Gesellschaft von Integrationsbeiräten aber nicht mehr erwarten, als von anderen Institutionen:

"Es gibt in Deutschland keine einzige Institution, die rassismusfrei ist."

Für die Mitglieder von Integrationsbeiräten gibt es keine verpflichtenden Fortbildungen, die für Rassismus sensibilisieren. Jedoch haben die Beiräte laut Sharifi eine Selbstverpflichtungserklärung beschlossen, wonach sie gegen Rassismus in den eigenen Reihen vorzugehen haben. Die Agaby bietet ihren Mitgliedern außerdem Schulungen an, unter anderem zur Sprecherin oder zum Sprecher gegen Diskriminierung und Rassismus.

Die Integrationsrätin betonte: "Der Kampf gegen Rassismus ist ein harter Kampf, den wir jeden Tag und überall führen müssen. Es ist ein Lernprozess. Wir müssen auch einzelnen Personen die Chance geben, zu lernen."

Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte

Integrations-, Migranten- oder auch Ausländerbeiräte setzen sich als politische Interessenvertretung für die Belange von Ausländer*innen, Spätaussiedlern und eingebürgerten Menschen in Bayern ein. Die Beiräte fördern ihre Beteiligung an politischen Prozessen in der Kommune und vertreten deren Belange auch in der Lokalpolitik. Für die Gründung dieser Beiräte gibt es in der Gemeinde- sowie in der Landkreisordnung des Freistaats Bayern keine konkreten Vorgaben, ihre Einrichtung ist eine freiwillige Aufgabe der Kommunen.

Die große Mehrheit der rund 30 ehrenamtlichen Beiräte Bayerns wird durch die migrantische Bevölkerung in der jeweiligen Kommune für mehrere Jahre gewählt. In einigen Städten wie Schweinfurt, Augsburg oder Weiden werden die Mitglieder des Beirats vom Stadtrat benannt. Der überwiegende Großteil der Mitglieder von Integrationsbeiräten hat selbst eine Migrationsgeschichte. Eine spezielle fachliche Kompetenz muss nicht nachgewiesen werden.

Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte in Bayern (Agaby) mit Sitz in Nürnberg vernetzt und unterstützt als Dachverband seit 1993 die kommunalen Beiräte bei ihren Aufgaben. Außerdem berät Agaby die Kommunen und die Landespolitik bei den Prozessen für eine partizipative Integrationspolitik. Die Mitgliedschaft der Integrationsbeiräte bei Agaby ist freiwillig.