Am Ende des Schuljahres wollen die meisten Kinder ihren Eltern stolz ihr Zeugnis präsentieren. Doch wenn ein Elternteil in einem bayerischen Gefängnis sitzt, geht das nicht. Denn wer einen Besuch im Gefängnis macht, darf dorthin gar nichts mitnehmen. Auch sonst ist es für Angehörige und Inhaftierte schwierig, Kontakt zu halten, weil auch Telefonate verboten und nur in "dringenden Fällen" möglich sind.
Selbst Besuche können eine Herausforderung sein, berichtet Beate Wölfel, die Angehörige von Inhaftierten beim Nürnberger Verein Treffpunkt berät. Ein Besuch im Gefängnis sei für manche Familien mit einem hohen Aufwand verbunden, wenn die Strafvollzugsanstalten weit entfernt vom Wohnort liegen. Manche Angehörige müssten sich extra einen Tag Urlaub nehmen, um die weite Strecke zum Gefängnis zurücklegen zu können.
Kontakte mit Nahestehenden sind unabdingbar für Gefängnisinsassen
Beate Wölfel weiß aus ihrer Praxis aber, wie wichtig Kontakte mit den Nahestehenden für die Gefängnisinsassen sind, besonders im Hinblick auf die Haftentlassung. Nur über soziale Kontakte könne man am Leben teilhaben.
"Je länger die Haftstrafe, desto mehr entfremdet man sich",
warnt sie.
Da helfe es auch nicht, so viele Briefe schreiben zu können, wie man wolle. "Bis ein Brief ankommt, hat sich wieder etwas getan", erzählt Sozialpädagogin Wölfel. Ein Briefwechsel von Personen in Untersuchungshaft könne sogar zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen, weil ein Staatsanwalt zuerst die Briefe lesen und prüfen müsse, bevor er sie an die Angehörigen weiterleite.
Lange Telefonzeiten für Insassen helfen, am Leben der Familie teilzuhaben
Längere Telefonzeiten hingegen könnten, diesem "sich-Auseinanderleben" entgegenwirken und dazu beitragen, dass die Familien der rund 11.000 Inhaftierten in Bayern zeitnah teilen können, was in ihrem Alltag passiert, findet die Sozialpädagogin. Dann hätte der Vater auch leichter Anteil am Schulerfolg seines Kindes - denn bei einem Videocall kann das Zeugnis ganz einfach in die Kamera gehalten werden.
Seit der Corona-Pandemie sind solche Szenen normaler geworden, denn die Telefonregeln in den Gefängnissen wurden gelockert. Seither seien Telefonate von mindestens 40 Minuten pro Monat zulässig, sagt eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums. Das Umdenken drückt sich nun auch in einem Gesetzesentwurf über angepasste Telefonzeiten aus. Sollten keine Einwände in der Endberatung des Verfassungsausschusses bestehen, könne das neue Gesetz im Herbst in Kraft treten, teilte ein Sprecher dem Sonntagsblatt auf Anfrage mit.
Dann sei kein "Vorliegen eines dringenden Falls" mehr erforderlich, um telefonieren zu dürfen, so das Justizministerium. Eine Mindestzeit zum Telefonieren soll es nicht geben. Es hieß "die ausgeweitete Gefangenentelefonie soll zusätzlich zu den Besuchsmöglichkeiten eingeräumt werden, also keinen Besuchsersatz darstellen" und soll somit zum festen Bestandteil der Außenkontakte werden.
Umsetzung des Gesetzesentwurfs nicht einfach
Der Knackpunkt, befürchtet Beate Wölfel, sei jedoch die Umsetzung des Gesetzesentwurfs. In Bayern sei das Telefonieren nämlich nur im Büro des Sozialdienstes erlaubt. Wenn alle Insassen Gebrauch von ihrem Telefonkontingent machten, brauche es mehr Personal.
Nicht nur die Familien der Inhaftierten, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes muss berücksichtigt werden, gab der bayerische Justizminister, Georg Eisenreich (CSU) zu bedenken. Es gehe neben Aspekten der Resozialisierung auch darum sicherzustellen, dass Gefangene am Telefon nicht ihren Ausbruch organisieren oder weitere Straftaten planen. "Bei der Ermessensentscheidung sind daher auch Aspekte der Sicherheit und Ordnung, aber auch der Opferschutz zu berücksichtigen", sagte er.
Auch in anderen Bundesländern sind pandemiebedingt die (Video-)Telefonzeiten ausgeweitet worden. Sie werden allerdings unterschiedlich weitergeführt. Nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums seien Videoanrufe nur ein Ersatz für Gefangenenbesuche, aber keine Ergänzung dazu. In Rheinland-Pfalz werden Videobesuche mit der normalen Besuchszeit verrechnet, das heißt ein Videobesuch wird zur Hälfte auf die Gesamtdauer der Besuche angerechnet, so das dortige Justizministerium. In Thüringen teilte das zuständige Ministerium mit, sei die "Haftraumtelefonie" im Normalfall unbegrenzt möglich.