Die Pandemie ist vorbei – ihre Folgen nicht. Ihre Lehren sind noch längst nicht gezogen. Gut also, dass Kirche und Staat – auf je eigene Weise – jetzt damit beginnen. Denn nach der Pandemie ist vor der Pandemie.
Der Bundestag setzt eine Enquete-Kommission ein, um die Corona-Zeit und das staatliche Krisenmanagement aufzuarbeiten. Das ist überfällig – und ein wichtiges Signal. Denn das kollektive Gedächtnis neigt zur Verdrängung. Viel zu schnell hieß es nach dem Ende der Maßnahmen: "Jetzt lasst uns nach vorne schauen." Dabei blieb die entscheidende Frage unbeantwortet: Was muss die Gesellschaft aus dieser historischen Ausnahmesituation lernen?
Bei der Aufarbeitung muss es um die Menschen gehen
Die Einsetzung der Kommission mit Abgeordneten und externen Fachleuten ist daher richtig. Es geht nicht um rückwärtsgewandte Abrechnung, sondern um ehrliche Selbstkritik, nüchterne Analyse – und vor allem: kluge Konsequenzen. Denn die Pandemie war mehr als ein medizinisches Problem. Sie hat wunde Punkte offengelegt: in der Kommunikation, in der politischen Entscheidungsfindung, im Umgang mit Unsicherheit – und nicht zuletzt in der seelischen Verfassung unseres Landes.
In genau dieser Hinsicht verdient die Initiative der bayerischen Landeskirche besondere Beachtung. Sie hat nicht auf den Bundestag gewartet, sondern bereits im Frühjahr eine eigene Umfrage unter ihren Mitgliedern gestartet. Die Ergebnisse liegen nun vor – und sie machen deutlich: Bei der Aufarbeitung der Pandemie darf es nicht nur um Zahlen, Strukturen und Strategien gehen. Es geht um Menschen.
Die Rückmeldungen zeigen zutiefst Menschliches: In der Krise brauchen Menschen Nähe, Trost und Gespräch. Gerade an den Rändern des Lebens – bei Krankheit, im Alter, in der Sterbebegleitung – sind seelsorgerliche Präsenz und offene Türen lebenswichtig. Dass viele Seelsorgerinnen und Seelsorger während der Pandemie keinen Zugang zu Pflegeheimen oder Kliniken hatten, war eine fatale Entscheidung.
Die Pandemie hat tiefe Gräben aufgerissen
Viele der Zuschriften an die Landeskirche formulieren auch den Wunsch nach mehr Dialog – gerade auch mit Andersdenkenden. Die Pandemie hat tiefe Gräben aufgerissen. Sie war ein Stresstest für Gemeindeleitungen, Gremien und auch Redaktionen, in denen Befürworter und Kritiker des Impfzwangs, gemäßigte Querdenker und staatstreue Ethikexperten miteinander rangen.
Wer sich der Aufarbeitung stellt, muss daher auch Räume für Versöhnung schaffen. Eine solche Haltung ist heute nötiger denn je: zuhören statt aburteilen, Differenz aushalten statt stigmatisieren.
Kommentare
Seelsorger konnten nicht ins…
Seelsorger konnten nicht ins Altenheim oder Krankenhaus.
Aber so präsent ist die Kirche auch da nicht wenn kein Corona ist.
Indem man hier schon wieder…
Indem man hier schon wieder sprachliche Gegensätze wie gemäßigte Querdenker und staatstreue Ethikexperten aufmacht (als gäbe es nichts dazwischen oder keine staatstreuen Dumpfbacken und kritischen Experten), wird die intendierte gute Absicht konterkariert. Im Übrigen dient es der Sache auch nicht Fakten und Emotion. en und Unsinn gleichwertig zu behandeln. Lernen beruht am Ende auf Erkenntnis und Analyse nicht auf allgemeinem Wohlgefühl.