Was gäbe es für einen Lösung, wenn die Zahl der Pflegebedürftigen ständig steigt, wir aber zu wenig Pflegekräfte haben? Da klingt die Hilfe durch Roboter oder Künstliche Intelligenz (KI)halbwegs verlockend – aber wie realistisch ist das? Arne Manzeschke leitet das "Institut für Pflegeforschung, Gerontologie und Ethik" an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Er klärt im Podcast "Mitmensch" ausführlich auf über die Perspektiven und Folgen – hier ein Auszug aus dem Gespräch mit Christoph Lefherz.
Der Pflegeroboter springt überall da ein, wo wir zu wenig Leute haben! Kommt nach Mährobotern und Staubsaugerrobotern jetzt der rollende Allroundpfleger?
Arne Manzeschke: Ein Putzroboter könnte für eine Pflegeeinrichtung durchaus sinnvoll sein. Nur wird und sollte er nicht Dich putzen. Solange er Böden, Türen oder Wände putzt, ist das in Ordnung und das gibt es tatsächlich schon. Menschen zu putzen oder eher zu waschen, ist eine komplexe Angelegenheit. Es gibt Projekte, in denen das versucht wird, aber das ist tatsächlich so komplex, dass die derzeitige Robotik das noch nicht leisten kann.
"Wenn man sich klarmacht, was eine Pflegekraft am Tag an Kilometerleistung zurücklegt, da könnten einige Gänge gespart werden durch Roboter"
Robotik ist also noch nicht der Joker für den Pflegenotstand?
Man versucht im Bereich der Pflege momentan am ehesten logistische Arbeiten von Robotern übernehmen zu lassen. Darunter fällt Wäsche transportieren oder Pflegewägen mit Heil- und Hilfsmitteln, die automatisch den Pflegenden hinterherfahren und sich automatisch wieder auffüllen. Wenn man sich klarmacht, was eine Pflegekraft am Tag an Kilometerleistung zurücklegt, da könnten einige Gänge gespart werden durch Roboter.
Oder sogenannte "intelligente Matten" können helfen. Wenn man sich ein Pflegeheim anguckt, versorgt beispielsweise eine Pflegekraft nachts eine Station mit 25 Bewohnerinnen und Bewohnern. Eigentlich eine Überforderung, der Mensch kann ja nicht überall sein. Denn es kommt bei Menschen mit Demenz häufig eine Tag-Nacht-Umkehr vor. Sie sind dann nachts unterwegs. Wenn aber intelligente Matten vor den Betten liegen, kann die Pflegekraft darüber feststellen, dass jemand aus dem Bett gestiegen ist und kann gezielt dort hingehen.
Also würden die Roboter erst mal zur Unterstützung der Pflegekräfte eingesetzt werden?
Wir müssen verstehen, wie die Aufgaben, die in Zukunft auf Pflegekräfte zukommen, in einem Verbund mit technischen Systemen intelligenter gemeistert werden können. Damit nicht das, was wir als wesentlich empfinden, darüber verloren geht: die menschliche Zuwendung. Nicht dass dann nur noch Maschinen da sind, die die Leute überwachen, dass sie satt und sauber sind oder nicht aus dem Bett kullern. Dafür trete ich ein, dass wir nicht grundsätzlich sagen, Technik hat im Bereich von Pflege nichts zu suchen - was mir oft als moralischer Appell begegnet. Sondern dass wir danach fragen: Wie können wir Technik intelligent entwickeln und einsetzen, sodass sie die Menschen, die in der Pflege arbeiten, wirklich unterstützt, und sie in der Lage sind, sich professionell auf die Bedürftigen zu konzentrieren.
"Das wäre mir unter Umständen sogar sympathischer als irgendein schlecht gelaunter Pfleger"
Vielleicht hätte Technik ja auch noch andere Vorteile, wenn sie weiterentwickelt ist? Vor dem Roboter zum Beispiel muss ich mich nicht genieren wie vor Pflegenden vom anderen Geschlecht.
Das ist ein interessanter Punkt, auf den wir tatsächlich auch immer wieder in Diskussionen stoßen. Bei der Frage 'Würden sie sich von einem Roboter pflegen lassen?' kommt interessanterweise in jeder Diskussion mindestens eine Ja-Stimme, die sagt: Das wäre mir unter Umständen sogar sympathischer als irgendein schlecht gelaunter Pfleger. Hier kommen zweierlei Dinge ins Spiel: Einerseits sind auch Pflegekräfte nicht immer der Himmel auf Erden. Und zweitens gibt es Bereiche, wo man vielleicht lieber mit sich alleine wäre. Wenn es um Intimes geht, beim Toilettengang oder Ähnlichem. Die Leute brauchen Unterstützung. Aber es muss ja nicht unbedingt menschliche Unterstützung sein. Es gibt tatsächlich auch schon Toiletten, die entsprechende Säuberungsvorgänge automatisch übernehmen können – inklusive Waschen und Föhnen.
Das ausführliche Gespräch hören Sie hier:
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden