Fehlende Form und weniger Biss: Das Profil von Bewerbern für eine Lehre hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert, findet Martin Kilian, Geschäftsführer eines Münchner Schlüsseldiensts. "Auf eine Stellenausschreibung bekommen wir höchstens ein bis zwei Mails", sagte der Firmenchef im Gespräch.

Meist seien das formlose Anfragen ohne beigefügte Dokumente, die für eine Bewerbung nötig seien. Statt auf Inserate setze sein Familienbetrieb mittlerweile mehr auf Mund-zu-Mund-Propaganda, so Kilian.

Ausbildung in Deutschland

Die Klage der Betriebe über fehlende oder nicht qualifizierte Azubis kennt der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda). Bei seinem traditionellen Sozialpolitischen Buß- und Bettag am 20. November in der Evangeliumskirche München steht deshalb unter dem Motto "Mind the gap!" der Übergang vom Schul- ins Berufsleben im Fokus.

Etwa sieben Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs verlasse die Schule ohne Abschluss, heißt es in der Einladung. Und fast jeder fünfte Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren habe in Deutschland keinen Berufsabschluss.

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (kda)

Auf dem Podium sollen Vertreter aus Handwerk, Bildungssystem und Politik diskutieren, welche "neuen Wege wir in München gehen können, damit niemand im ‚Gap‘ zwischen Schule und Beruf verloren geht", so der kda. Schlüsseldienst-Inhaber Kilian sitzt mit auf dem Podium. Für seinen 33-Personen-Betrieb hat er schon ein paar Ansätze gefunden: Neben der Rekrutierung von Azubis aus dem näheren persönlichen Umfeld sei es nötig, "mehr Zeit und Energie" in die Ausbildung zu stecken.

"Junge Menschen heute haben kein dickes Fell mehr, wir müssen mehr Gespräche führen, auch mehr loben", sagt der Wirtschaftsingenieur.

Viele bräuchten mehr Begleitung: "Unsere ehemaligen Lehrlinge geben Tipps und helfen oft beim Führen des Berichtshefts."

Ausbildung im Betrieb 

Stolz ist Kilian darauf, dass schon einige Azubis nach abgebrochenen Lehren in seiner Firma ihren Abschluss durchgezogen haben. Das große Plus in seinem Betrieb, der schon für den Bayerischen Landtag und den Münchner Flughafen gearbeitet hat, sei die familiäre Atmosphäre. "Wir sind eher wie ein Dorf", sagt Martin Kilian. Das gefalle manchen trotz mangelnder Aufstiegschancen besser als ein Großkonzern. Dennoch legten sich viele junge Leute nicht mehr gern fest: "Wenn doch mal jemand den Betrieb verlässt, sind es eher die jüngeren."

Vom Bildungssystem wünscht Kilian sich noch mehr Praxisbezug. "Schnupperwochen, Girls- und Boys-Days oder Ausbildungsmessen besuchen, das ist gut", findet er. Schließlich sei die Vielfalt an Berufswegen viel komplexer als früher. Auch in den Familien müsse wieder mehr gesprochen werden: "Da fehlt oft die Unterstützung, damit die Kinder wirklich zum Abschluss kommen." Derzeit bildet Kilian einen angehenden Einzelhandelsfachmann aus. Grundsätzlich wäre er auch bereit, junge Menschen ohne Schulabschluss zu nehmen - bislang war das aber noch nicht nötig.

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